Berlin. Wer in der Neuköllner Donaustraße 89-90 nach sozialer Hilfeleistung sucht, steht seit diesem Montag vor verschlossenen Türen. Auch wer Fragen zur Grundsicherung durch Erwerbsminderung oder Wohnhilfe hat, Unterstützung zum Lebensunterhalt oder Asyl braucht, muss nun zwei Wochen warten, bis das Sozialamt in Neukölln wieder Sprechzeiten anbietet – oder eine E-Mail schicken.
Grund für die zweiwöchige Schließzeit der Behörde in Berlin ist der Rückstau an nicht bearbeitenden Anträgen: Allein im Bereich Grundsicherung und Hilfe zum Lebensunterhalt stapeln sich 317 offene Neuanträge im Amt. Mehrere Wochen warten Antragstellerinnen und -steller zum Teil auf eine Antwort.
Laut Sozialstadtrat Falko Liecke (CDU) ist die Überlastung auf die Ankunft ukrainischer Geflüchteter zurückzuführen, für deren Belange Sozialarbeitenden aus dem Amt eingesetzt wurden. Durch das wachsende Aufkommen neuer Anträge sind die Mitarbeitende stark eingespannt und kommen mit mit der Bearbeitung der Anträge nicht mehr hinterher, so Liecke.
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Kritik an Schließung: Soziale Kälte im Sozialamt Neukölln
Um gegen die derzeitige Schließung zu protestieren, versammelten sich einige Aktivistinnen und Aktivisten einer Neuköllner Selbstorganisation von Erwerbslosen und Unterstützern vor dem Sozialamt Neukölln. Eine Woche vor Ladenschluss versorgten sie die Schlange vor dem Sozialamt mit Tee und informativen Flyern. Sie werfen dem Amt „soziale Kälte“ vor.
Sie kritisieren, Leidtragende durch die „miserable“ Situation im Amt seien die Betroffenen, die nun nicht mehr direkt mit dem Amt in den Kontakt treten können und wochenlang auf Antworten ihrer schriftlichen Anträge warten müssten.
Vielzahl weiterer schriftlicher Anträgen befürchtet
Befürchtet wird, dass sich durch die derzeitige Schließung ein weiterer Rückstau an schriftlichen Anfragen entsteht, „denn die Menschen gehen nicht zum Spaß zum Sozialamt, sondern werden aus existenzieller Not wieder kommen, um ihre Anliegen vorzutragen“, so Mitglieder der Selbstorganisation.
Diese Not werde sich auch noch angesichts des kommenden Winters, steigender Lebensunterhaltungskosten und Energiepreise durch die Inflation verhärten. Deshalb fordern sie, das Sozialamt nicht zu schließen. Der Aufruf bleibt bislang ungehört: Am Montagmorgen blieben die Türen der Behörde geschlossen.
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