Neukölln. Lange Schlangen, überfüllte Warteräume und Security-Check - so sieht es normalerweise im Sozialamt Neukölln aus. Für die nächsten zwei Wochen bleibt das Amt geschlossen. Die persönlichen Sprechzeiten werden ausgesetzt, um liegengebliebene Anträge abzuarbeiten.
„Wir haben bedingt durch die Ukraine-Flüchtlinge unheimlich große Berge an Rückstau, an nicht bearbeiteter Post, an Unterlagen, die nicht bearbeitet werden können derzeit“, sagte Sozialstadtrat Falko Liecke (CDU) bei der RBB-„Abendschau“ am Donnerstag. Mitarbeitende seien überlastet und kämen mit dem hohen Aufkommen von Anträgen nicht mehr hinterher, so der Pressesprecher des Geschäftsbereichs Soziales.
Sozialamt: Auch Corona für Antragsstau verantwortlich
Neben der priorisierten Versorgung ukrainischer Geflüchteter teilte Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) auf Anfrage der FDP in der letzten Bezirksverordnetenversammlung mit, dass außerdem pandemische Einschränkungen für den Antragsstau verantwortlich wären. Hinzu kämen neue Anträge, die durch steigende Preise in der Energieversorgung zunähmen. Derzeit gäbe es 317 offene Neuanträge im Bereich Grundsicherung und Hilfe zum Lebensunterhalt sowie 45 Neuanträge im Bereich Asylbewerberleistungsgesetz (Stand: 26.09.2022).
Die Überlastung der Sozialämter ist dabei ein überbezirkliches Problem: Im Sozialamt Mitte kam es in der Vergangenheit zu kurzzeitigen Schließungen von ein bis zwei Tagen, so Sozialstadtrat Carsten Spallek (CDU). In Reinickendorf hatte das Amt bereits im September eine Woche geschlossen, eine zweite Schließwoche werde im November kommen, so Sozialstadträtin Emine Demirbüken-Wegner (CDU).
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Neukölln besonders hart betroffen
Dennoch trifft es besonders hart den Bezirk Neukölln, der laut aktuellem Gesundheits- und Sozialstrukturatlas der sozial schwächste in Berlins ist und dadurch mit einem massiven Bedarf an Sozialleistungen für in Not geratene Bürgerinnen und Bürger zu kämpfen hat. Das Armutsrisiko in Neukölln liegt bei 29,2 Prozent (im Vergleich dazu Steglitz-Zehlendorf: 3,3 Prozent) Es bräuchte laut Pressesprecher zusätzliche 41 Stellen im Sozialamt, um mit Anträgen hinterherzukommen und den Ansprüchen der Kollegen vor Ort gerecht zu werden und schwierige Fällen mit Zeit anzugehen.
Genaue Zahlen gibt es nicht, aber allein etwa 70 Menschen nehmen zwecks sozialer Wohnhilfe täglich die persönlichen Sprechzeiten im Sozialamt in Anspruch. Wer in Neukölln in sozialer Not ist, dringend Obdach oder Geld benötigt, muss nun per Mail, Post oder Telefon von der Dringlichkeit überzeugen.
Der direkte und persönliche Kontakt fällt weg. Folgen laut Lieckes Pressesprecher seien, dass es weniger Kontakt mit den Bürgern gäbe und die Möglichkeit, eigene Anliegen persönlich zu schildern, fehle. Dabei bräuchten notbedürftige Menschen, die zum Sozialamt kommen, laut Liecke meist sofortige Unterstützung.
Zudem müssen sich alle Berliner ab 1. November auf Einschränkungen bei den Berliner Standesämtern einstellen, da wegen fehlender Software-Updates das elektronische Personenstandsregister nicht zur Verfügung steht.
In Notfällen können Sie sich per Mail an das Neuköllner Sozialamt wenden: soziales@bezirksamt-neukoelln.de
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