Kunst aus der Ukraine

Ausstellung über Ukraine: „Wir hatten ein normales Leben“

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Victoria Atanasov
Auf dem Herrfurthplatz in Neukölln zeigen etwa 20 Künstlerinnen und Künstler Bilder aus der Ukraine.

Auf dem Herrfurthplatz in Neukölln zeigen etwa 20 Künstlerinnen und Künstler Bilder aus der Ukraine.

Foto: Victoria Atanasov

Die Fotoausstellung „Wir hatten ein normales Leben“ auf dem Herrfurthplatz zeigt ukrainisches Leben der vergangenen 16 Jahre.

Neukölln.  Rund um die Genezarethkirche stellen momentan etwa 20 internationale Künstlerinnen und Künstler Fotos aus der Ukraine aus. Die Ausstellung „Wir hatten ein normales Leben - Ukraine 2006 bis 2022” des Fotograf*innenkollektivs Agentur Focus und MAPS ist in Hamburg gestartet und wanderte am 8. Oktober nach Berlin.

Kommt man von der Schillerpromenade auf den Kirchenplatz, beginnt der Rundgang mit Fotografien aus dem Jahr 2022. Sie zeigen Einblicke in das gegenwärtige Leben in der vom Krieg gezeichneten Ukraine ohne Fehltritt ins Voyeuristische. Es ist gerade der respektvolle Blick, der die Tragik der Zerstörung und Trauer sowie den gemeinschaftlichen Umgang damit zum Ausdruck bringt.

Die Bilder von vor Kriegsbeginn wirken daneben wie das letzte Zeugnis eines normalen Lebens. Badende Frauen vor einem Stahlwerk, ein sieben Kilometer langer Menschenfluss zwischen bunten Flohmarkt-Ständen in Odessa oder vor dem Handy posierende Touristen vor einer antiken Basilika auf der Halbinsel Krim.

Die Kirchengemeinde engagiert sich für ukrainische Geflüchtete

Bereits vor einem Jahr gründete das Religion und Kunst fusionierende Projekt StartBAHN vom Kirchenkreis Neukölln in Kooperation mit Künstlerinnen und Künstlern das Peace Lab, mit dem vor allem queere Geflüchtete aus der Ukraine unterstützt werden. Seitdem stehen sie in Kontakt mit der ukrainischen Community.

Pfarrerin und Geschäftsführerin des Projekts Jasmin El-Manhy war es im Voraus vor allem wichtig, dass die Bilder nicht schockierend wirken und dass das normale Leben vor dem Krieg nicht in Vergessenheit gerät: „Die Ausstellung ist wahnsinnig eindrücklich, wenn man sich klarmacht, wie in so kurzer Zeit diese Normalität vollkommen verschwindet und was für ein Ausmaß die Zerstörung hat.”, sagt sie.

Die Ausstellung regt zu Reflexionen an

El-Manhy berichtet, dass bisher eher positive und dankbare Reaktionen überwiegen, wobei es vereinzelt auch Widerstand gab. Bis auf eine Schmiererei, die polemisch fragt, wo die Ausstellungen über die Toten anderer Kriege bleiben - dabei gibt es gar keine Totenbilder - , stehen die bedruckten Planen unbeschadet auf dem Platz.

Das Projektteam war sich von vornherein bewusst, dass eine Ausstellung im öffentlichen Raum zu Auseinandersetzungen führen würde. Der Gesprächsbedarf ist auch weiterhin groß: Wann ist zum Beispiel eine Triggerwarnung angebracht oder wie sehr werden ukrainische Menschen im Vergleich zu anderen Geflüchteten privilegiert?

El-Manhy nimmt die Kritik auf, betont aber auch, dass sie die Bilder weiterhin ohne Triggerwarnung für tragbar hält. In der Debatte um die Privilegierung von ukrainischen Geflüchteten erwähnt sie, dass die Kirche sich auch für andere Geflüchtete engagiert, zum Beispiel mit Asyl in der Kirche oder der Seenotrettung. Ihnen sei es wichtig, dass andere Gräueltaten kein Ausschlusskriterium für die Kunst von und mit marginalisierten Gruppen bedeuten darf.

Die Ausstellung ist kostenlos und bis zum 16. November geöffnet.

Eine Übersicht zu Unterstützungsangeboten für ukrainische Geflüchtete finden Sie zusammengetragen auf der Website des Bezirksamts Neukölln.

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