Das Öffnungsverbot für “Spätis“ an Sonntagen bedroht viele Händler in ihrer Existenz. Jetzt haben sie sich in einem Verein organisiert.

Was wäre Berlin ohne seine Spätis! Über 1000 soll es im Stadtgebiet geben. Genau weiß das keiner, denn eine Statistik gibt es nicht. Ein paar Fakten sind dennoch bekannt. Christian Klier hat sie für sein Buch „Der Späti“ (Berlin Story Verlag, 2013) recherchiert. 38 Quadratmeter Verkaufsfläche hat der Berliner Späti im Schnitt, 200 Kunden pro Tag und durchschnittlich 14 verschiedene Sorten Bier. 69 Prozent der Händler sind demnach türkischer Herkunft. Ihr Nettoverdienst beträgt 1050 Euro.

Seit einiger Zeit geht die Angst um unter den Späti-Besitzern. Besonders in Neukölln, denn dort wird das Verkaufsverbot an Sonntagen im Gegensatz zu anderen Bezirken auch rigoros kontrolliert. Die Nemesis der Neuköllner Händler hat ein Gesicht. Ein „umtriebiger Polizist“, so Julian Evans von der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) gegenüber der Berliner Morgenpost, kontrolliere regelmäßig, ob die Späti-Händler außerhalb der vorgeschriebenen Zeiten ihre Waren an die Frau oder an den Mann bringen. Wer erwischt wird, muss Strafe zahlen. Im schlimmsten Fall werden bis zu 2500 Euro fällig. Wiederholungstätern droht die Zwangsschließung.

Schuld ist das Berliner Ladenöffnungsgesetz, das zuletzt 2010 neu gestaltet wurde. Das Problem besteht darin, dass Späti-Besitzer ihr Gewerbe als Einzelhandel anmelden müssen. Damit gelten für sie dieselben Regeln wie etwa für Supermärkte. Heißt konkret: Am Sonntag muss der Laden - von verkaufsoffenen Sonntagen abgesehen - dicht bleiben.

Bußgelder summieren sich auf 70.000 Euro

Bis vor ein paar Jahren kümmerte sich kaum ein Späti-Besitzer um das Verbot. Sie hielten ihre Läden am Sonnabend auch nach 24 Uhr offen - und oft den gesamten Sonntag. Das hat sich mittlerweile geändert. Auf 70.000 Euro summierten sich die Bußgelder, die Neuköllner Späti-Besitzer 2015 zahlen mussten. „Ich kenne eigentlich keinen Kollegen, der noch kein Bußgeld gezahlt hat, sagt ein Neuköllner Händler, der anonym bleiben möchte, der Berliner Morgenpost.

Einige Spätis halten sich seit der Zunahme der Kontrollen an das Verkaufsverbot an Sonntagen, andere haben Widerspruch gegen die Bußgeldbescheide eingelegt. Nach Informationen der Berliner Morgenpost sind am Amtsgericht Tiergarten derzeit mehrere Verfahren anhängig.

>>>Online-Petition will Berliner Spätis retten<<<

Die Grünen-Abgeordneten Susanna Kahlefeld und Anja Kofbinger wollen den Späti-Inhabern helfen. Sie haben den sogenannten „Späti-Dialog“ initiiert, der zuletzt im Dezember stattfand. Ziel ist es, dass für Spätis, ähnlich wie für Tankstellen, eine Ausnahmeregelung gilt. Nach Paragraph vier des Ladenöffnungsgesetzes könnte der Späti unter die „besonderen Verkaufsstellen“ fallen. Diese dürfen am Sonntag zwischen 13 und 20 Uhr öffnen, wenn sie Artikel für den touristischen Bedarf anbieten. Dazu zählen laut einem Merkblatt der Senatsverwaltung Tabakwaren und auch alkoholische Getränke. Ein juristisches Schlupfloch wäre gefunden, den Späti-Betreibern immerhin ein wenig geholfen.

Doch allein darauf wollen sich die Berliner Händler nicht verlassen. Sie wollen selbst Druck auf die Landespolitik ausüben und haben dazu den Verein "Berliner Spätis e.V." gegründet. Acht Späti-Inhaber haben sich nach Morgenpost-Informationen bisher zusammengefunden. Mindestens 50 sollen es werden. Dann ist auch eine Veranstaltung geplant, um den Verein offiziell vorzustellen. Als wichtigstes Projekt würde sich der Verein dann wohl schnell um ein Projekt kümmern, mit dem zuletzt 2012 die Pankower CDU scheiterte: eine Änderung des Ladenöffnungsgesetzes mit dem Ziel der Legalisierung des Sonntagsverkaufs für Spätis.