Berlin. Nach Aufregung in den sozialen Netzwerken nimmt das Bezirksamt Mitte das E-Book „Rosi sucht Geld“ von seiner Webseite.
Ein Kinderbuch zum Thema Sexarbeit stand zehn Jahre offenbar sehr unbeobachtet im Netz, jetzt hat es mit einem Mal für Aufregung gesorgt. In einem Podcast wurden Inhalt und Form angegriffen, das E-Book gehe mit dem Thema zu unkritisch um. Das Pikante daran: „Rosi sucht Geld“ wurde über Jahre hinweg auf der Seite des Bezirksamt Mitte zum Download angeboten. Das Bezirksamt hat es inzwischen von der Webseite genommen.
Erst wurde das Buch in einem Podcast kritisiert, es verharmlose die Prostitution, hieß es dort. Die CDU in Mitte schloss sich an. Das Buch sei keinesfalls eine angemessene Lektüre für Kinder, so die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Daniela Fritz. Auf X, ehemals Twitter, forderte sie: „Das Buch gehört umgehend von der Webseite des Bezirksamtes Mitte genommen.“
„Rosi sucht Geld“ war damals als Gemeinschaftsprojekt zum Thema Sexarbeit entstanden – aus einer Gruppe von ganz jungen, jungen und älteren Menschen im südlichen Tiergarten, die ihre Beobachtungen, Erlebnisse und Diskussionen rund um den Straßenstrich an der Kurfürstenstraße in Texte fassten und Bilder und Skizzen machten – mit Mitteln aus dem Programm Soziale Stadt der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.
Sexarbeit-Buch war jahrelang ohne Probleme mit den Berlin-Seiten verlinkt
Seitdem es auf den Internetseiten des Bezirksamts Mitte verlinkt ist, hatte es nie Probleme gegeben. „Es gab keinerlei Reaktionen auf das Buch, obwohl es nach seinem Erscheinen aktiv beworben worden war“, sagte Mitte-Bürgermeisterin Stefanie Remlinger (Grüne). Es sei auch ausschließlich an Erwachsene ausgegeben worden. Das Buch versuche Eltern eine Handreichung zu geben, die vor der Frage stehen, wie sie ihren Kindern erklären sollen, warum es Sexarbeitende auf der Kurfürstenstraße gibt – und anderswo in der Stadt.
Das E-Buch stellt sich dar als eine Ansammlung von Zitaten, Ergebnis eines eher künstlerisch als pädagogisch orientierten Projektes. Eine Materialcollage aus Ergebnissen der AG Text macht die Gedanken und Gefühle der Menschen sichtbar, die dort wohnen oder arbeiten. Die Story dreht sich um Mirjam, ein Grundschulkind mit syrischen Eltern, das neugierig ist, was denn die Frauen so machen, die da fast jeden Tag halb nackt an der Straße stehen.
Für Mirjam hat die Suche nach Antworten mit Nervenkitzel und etwas Verbotenem zu tun, schließlich wird sie angehalten, einen großen Bogen um die Sexarbeiterinnen zu machen. Doch sie spricht schließlich die Prostituierte Rosi an, lernt Begriffe wie Kondom, Freier und Straßenstrich kennen und was Liebe machen und Schwanz für eine Sexarbeiterin bedeutet. Am Ende geht Rosi wieder zurück zu ihren Kindern nach Bulgarien.

Wie sag ich’s bloß meinem Kinde?
Familien, die im Kurfürstenkiez wohnten, hätten das Bezirksamt Mitte gefragt, was sie ihren Kindern sagen sollen. Viele fühlten sich damit überfordert, argumentiert das Bezirksamt. Daher hätte eine lokale Arbeitsgruppe 2012 beschlossen, das Buch im Rahmen eines Förderprojekts zu erarbeiten. Dafür habe eine Künstlerin gewonnen werden können, die sich im Gebiet gut auskennt und Erfahrung in der künstlerischen Arbeit mit Kindern hat.
Auf Interesse ist die Veröffentlichung nicht gestoßen. Offenbar fühlen sich die Anwohner eines Berliner Straßenstrichs doch nicht so überfordert, dass sie eine Handreichung zur Aufklärung ihrer sechs- bis zwölfjährigen Sprösslinge – diese Altersgruppe soll mit dem Buch laut Eigendarstellung erreicht werden – wirklich brauchen.
So argumentiert dann auch das Bezirksamt Mitte nicht damit, dass einige Sätze in dem Buch nicht die angemessene Lektüre für Sechsjährige sind, sondern sagt: Rückwirkend müsse konstatiert werden, dass diese Handreichung keines der erwarteten Ergebnisse erzielt hat und Erwachsene das Buch nicht genutzt haben. Daher werde es von der Webseite genommen, die Online-Präsenz werde überarbeitet und an heutigen Bedarfen ausgerichtet. Am Donnerstag wurde der Link zum umstrittenen E-Book tatsächlich gekappt.
Mehr aus Mitte lesen Sie hier.