Mitte

Friedrichstraße: Händler kämpfen gegen Fußgängerzone

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Seit Montagmorgen ist ein Abschnitt der Berliner Friedrichstraße wieder für den Kfz-Verkehr gesperrt. Die Straße ist nun eine Fußgängerzone.

Seit Montagmorgen ist ein Abschnitt der Berliner Friedrichstraße wieder für den Kfz-Verkehr gesperrt. Die Straße ist nun eine Fußgängerzone.

Foto: Maurizio Gambarini / FUNKE Foto Services

Seit Montagmorgen ist ein Teil der Friedrichstraße wieder für den Kfz-Verkehr gesperrt. Händler wollen juristisch dagegen vorgehen.

Berlin.  Der Tag, an dem aus der Friedrichstraße wieder eine autofreie Zone wird, ist grau und regnerisch. Kurz vor halb neun am Montagmorgen sind die ersten Bauzäune auf den Abschnitt zwischen Leipziger und Französischer Straße zurückgekehrt, die die Zugänge zur neuen Fußgängerzone versperren – auch wenn sich einzelne Autofahrer noch darüber hinwegsetzen und durch die Friedrichstraße fahren.

Und während Arbeiter am Vormittag dabei sind, entlang der Straße die Parkautomaten abzubauen, kündigt sich nahe dem U-Bahnhof Stadtmitte das Aus für den nächsten Laden an. „Räumungsverkauf – Wir schließen“ steht auf großen roten Plakaten am Schuhgeschäft Geox. Voraussichtlich noch in dieser Woche macht der Laden dicht. Dem Aktionsbündnis „Rettet die Friedrichstraße!" zufolge ist es die 21. Ladenschließung an der Friedrichstraße seit Beginn des Verkehrsversuchs im Sommer 2020.

Absehbar ist, dass die Umwidmung der Friedrichstraße nicht ohne Gegenwehr bleiben wird: Unter Anrainern regt sich Widerstand. Nachdem am Freitag im Amtsblatt die Teileinziehung des Straßenabschnitts veröffentlicht wurde, läuft nun eine einmonatige Frist, um Widerspruch beim Bezirksamt Mitte einzulegen. Und dieser Widerspruch wird, so kündigte es zumindest Weinhändlerin Anja Schröder an, von vielen Seiten kommen. Sie habe eine Liste mit 40 bis 50 Personen, die sich gegen die Umwidmung der Straße wenden wollen, sagte sie. Schröder selbst hatte bereits im vergangenen Herbst Klage gegen die Sperrung der Friedrichstraße für den Kfz-Verkehr über das eigentliche Ende des Verkehrsversuchs hinaus eingereicht und damit die zeitweilige Öffnung für Autos bewirkt.

Verwaltungsgericht soll sich in Eilverfahren mit Friedrichstraße befassen

Schon im ersten Fall hatte der Berliner Rechtsanwalt Marcel Templin die Klage von Anja Schröder betreut, auch jetzt ist er wieder mit der Vorbereitung der nächsten Schritte betraut. Neben dem Einreichen des Widerspruchs beim Bezirk solle auch ein Eilantrag beim Verwaltungsgericht eingereicht werden, um eine aufschiebende Wirkung zu erreichen, kündigte Templin am Montag an. „Dann ist das Verwaltungsgericht wieder gefordert, zu prüfen, ob es für die Dauer der Widerspruchsverfahren und möglicher aufbauender Klageverfahren zumutbar ist, die Friedrichstraße geschlossen zu halten.“

Geht es schnell, dann könnte das Gericht in einem solchen einstweiligen Verfügungsverfahren innerhalb von sechs bis acht Wochen reagieren, schätzt Templin. Seine Argumentation will der Rechtsanwalt auf mehrere Punkte stützen: Ihm zufolge stellt sich etwa die Frage, warum genau dieser Teil der Friedrichstraße für die neue Fußgängerzone ausgewählt wurde. „Es gibt keine überwiegenden öffentlichen Gründe, um zu sagen, es muss ausgerechnet dieser Straßenabschnitt sein“, so Templin, der zudem ein fehlendes Verkehrskonzept bemängelt.

Die Senatsverkehrsverwaltung hatte im Zusammenhang mit der Auswertung des Verkehrsversuchs der autofreien Friedrichstraße ein „Nahbereichskonzept“ vorgestellt, Kritikern geht dieses jedoch nicht weit genug. Sie fordern ein Konzept, dass die gesamte historische Mitte betrachtet.

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Händlerin würde auch bis vors Bundesverwaltungsgericht ziehen

Als weiteren Ansatzpunkt sieht Templin das Problem, dass es keine leistungsfähigen Umfahrungsmöglichkeiten gibt. Dazu kommen die Auswirkungen auf den Handel im Bereich der Friedrichstraße. Schon in der Vergangenheit war darauf verwiesen worden, dass sich die Friedrichstraße nach den Lockdowns in der Corona-Pandemie schlechter erholt hatte als andere Einkaufsstraßen in Berlin. Bei der autofreien Friedrichstraße würden daher die Nachteile durch „massive Einschnitte in die Gewerbetätigkeit vor Ort“ überwiegen, so Templin. Und nicht zuletzt ist da der Aspekt, dass die Fußgängerzone nun doch – in Schritttempo – mit Fahrrädern oder E-Scootern befahren werden darf.

Um die Causa Friedrichstraße könnte es im schlimmsten Fall nun einen jahrelangen Rechtsstreit geben, mit Berufungen hin bis zum Bundesverwaltungsgericht. „Sofern es für uns sinnvoll ist, werden wir diese Schritte gehen“, sagte Weinhändlerin Anja Schröder. Sie betonte auch: „Hier will niemand klagen. Das ganze Quartier will, das gescheit geplant wird.“ Und vielleicht gebe es doch noch die Möglichkeit, zum Dialog zurückzukehren.

Eine mangelnde Einbeziehung der Anlieger ist einer der Hauptgründe für die Verärgerung des Aktionsbündnisses, aber auch vom Handelsverband Berlin-Brandenburg (HBB) sowie dem Berliner Hotel- und Gastronomieverband (Dehoga). HBB-Präsident Björn Fromm nannte das Vorgehen vom Bezirk Mitte und Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) „zutiefst erschütternd“. „Es wird wieder erst gesperrt und dann nachgedacht. Das kann man nur aufs Schärfste verurteilen“, sagte er.

Wobei Fromm, wie auch andere Vertreter, am Montag mehrfach betonten, dass es ihnen nicht unbedingt darum gehe, die Friedrichstraße dauerhaft für den Autoverkehr befahrbar zu lassen. „Wir wollen nicht die Autos retten“, so der HBB-Präsident, „wir wollen die Friedrichstraße retten.“