Berlin. Zuerst die gute Nachricht: Die Karl-Marx-Allee ist keine Baustelle mehr. Nach mehr als zwei Jahren ist der Umbau des früheren Präsentationsboulevards für die Staatsführung der ehemaligen DDR zwischen dem Strausberger Platz und dem Alexanderplatz abgeschlossen. Die Straße, die die beiden Bezirke Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg verbindet, gilt als Vorbild für moderne Infrastruktur in der Hauptstadt. „Die Karl-Marx-Allee ist ein Leuchtturm-Projekt“, sagt Berlins Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) bei der Eröffnung der neugestalteten Straße. „Hier wird erlebbar, wie die Mobilitätswende die Stadt zum Positiven verändert.“
Für die jahrelangen Bauarbeiten hat das Land Berlin rund 13 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Die Verkehrsfläche wurde neu aufgeteilt. Autofahrer haben nur noch zwei statt drei Spuren. Radfahrer können beidseitig auf bis zu vier Meter breiten Radstreifen fahren. Fußgänger können die Straße auf dem rund 900 Meter langen Abschnitt auf vier sogenannten Gehwegvorstreckungen überqueren. An diesen Stellen sind auch Rillenplatten für blinde und sehbehinderte Menschen angebracht.
Karl-Marx-Allee: 170 Parkplätze auf dem Mittelstreifen sind weggefallen
Die weniger gute Nachricht für Anwohner ist, dass rund 170 Parkplätze auf dem Mittelstreifen der Straße wegfallen. Nach monatelangem Streit um die Gestaltung des Mittelstreifens haben der Senat, der Bezirk Mitte und das Landesdenkmalamt einen Kompromiss gefunden: Der zehn Meter breite Mittelstreifen ist begrünt, allerdings nicht durchgehend. Wegen des Denkmalschutzes sind drei befestigte Areale am Alexanderplatz, am Strausberger Platz und vor dem Kino International entstanden. Parkplätze gibt es lediglich auf einem Seitenstreifen.
„Wir haben viele Elemente realisiert, die vor wenigen Jahren nicht möglich gewesen wären“, sagt Günther. „Würden wir heute mit den Planungen beginnen, wäre das Ergebnis wohl nochmals ein anderes.“ Was die Senatorin damit genau meint, lässt sie offen. Vonseiten der Senatsverkehrsverwaltung hieß es, es habe keinen Plan B gegeben. Man habe alles Mögliche im Sinne der Verkehrswende im Rahmen der bestehenden Planungen herausgeholt. Der Straßenbelag muss übrigens offiziell nach 15 Jahren überholt und nach 30 Jahren komplett saniert werden.
Durch den unterbrochenen Grünstreifen soll der Regen versickern und bei Hitzeperioden im Sommer das Wohnquartier abkühlen. Neben Grünflächen sind es eigentlich Bäume, die einer Aufheizung des Straßenraums entgegenwirken und die Stadtluft verbessern. Auf dem Mittelstreifen gibt es aber keine. „Es ist eine Denkmalschutzauflage gewesen“, sagt Jan Thomsen, Sprecher der Senatsverkehrsverwaltung, der Berliner Morgenpost. „Die Anmutung der alten Paradefläche muss spürbar bleiben.“ Dafür sind an den Gehwegen in Richtung Alexanderplatz 29 Straßenbäume gepflanzt worden.
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Karl-Marx-Allee: Mittes Bezirksbürgermeister wünscht sich mehr solcher Radwege
Kultur- und Europa-Staatssekretär Gerry Woop (Linke) erklärt, dass beim Umbau der Karl-Marx-Allee die Weltkulturerbe-Ambitionen eine besondere Rolle gespielt hätten. „Der Abschnitt ist ein wichtiges Zeugnis für den Städtebau der DDR“, sagt Woop. „Denkmalschutz heißt auch, Verantwortung für das Erbe zu übernehmen.“ Mit den beiden Abschnitten der Karl-Marx-Allee und dem Hansaviertel als gegensätzliches gesellschaftliches System versucht die Stadt Berlin, Unesco-Welterbe zu werden. „Wir haben ein Scharnier geschaffen, das die Ursprungsgestaltung der Straße erhält.“
Erlebbar ist für Mittes Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) in erster Line der Radstreifen, den er nach eigener Aussage drei bis vier Mal in der Woche „entlang saust“. „Es gibt viele Orte in dieser Stadt, wo wir uns mehr solche Radbahnen wünschen“, so von Dassel.