Archäologie

Zelt am Petriplatz wird zu archäologischem Besucherzentrum

| Lesedauer: 5 Minuten
Beatrix Fricke
Dascha (9) beweist bei der Spurensuche am Petriplatz viel Geduld. Im Hintergrund Senator Andreas Geisel (SPD)

Dascha (9) beweist bei der Spurensuche am Petriplatz viel Geduld. Im Hintergrund Senator Andreas Geisel (SPD)

Foto: Massimo Rodari

Wenn 2021 alles fertig ist, sollen Besucher den Archäologen an der Petristraße bei der Arbeit zusehen. Die Finanzierung ist gesichert.

Eifrig schiebt Alexander mit der Kelle Sand und Bauschutt beiseite. Schicht für Schicht arbeitet er sich tiefer vor, bis er plötzlich auf einen weißen, glänzenden Gegenstand stößt. „Vorsicht“, ruft Archäologin Claudia Maria Melisch dem Achtjährigen zu. „Geh jetzt lieber mit dem Pinsel ran, sonst geht noch was kaputt!“ Die elfjährige Maja robbt mit einem Pinsel zu Alexander und hilft ihm bei der Grabung. Sekunden später greift der Junge in die Sandgrube und fördert einen großen weißen Keramikfrosch zutage. Claudia Maria Melisch lacht. „Na, ist der nun alt oder neu?“, fragt sie Alexander. Doch der hört vor lauter Forschergeist die Frage gar nicht. Flugs stellt er den neuzeitlichen Frosch zu den mittelalterlichen Scherben und Steinen, die er schon ans Tageslicht befördert hat, und buddelt mit den anderen Kindern weiter um die Wette.

Es herrscht ungewohnte Betriebsamkeit am Petriplatz. Dort, wo das Zentrum des mittelalterlichen Cölln lag und damit eine Keimzelle des heutigen Berlin, lernen elf Kinder in einem dreitägigen Ferienworkshop das archäologische Handwerk kennen. Dazu eingeladen haben das Museum für Vor- und Frühgeschichte und die Berliner Morgenpost. Ort und Zeitpunkt sind kein Zufall: Schon in naher Zukunft soll das Zelt am Petriplatz, das die Überreste der im Jahr 2007 entdeckten ehemaligen Lateinschule aus dem 13. und 14. Jahrhundert schützt, durch ein Archäologisches Besucherzentrum ersetzt werden.

Fast 20 Millionen Euro kostet die Anlage

Vor der Sommerpause hat der Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses die Gelder für das Gebäude freigegeben, das Anfang 2021 fertiggestellt sein soll. Die Gesamtkosten, die über Wirtschaftsfördermittel aufgebracht werden, betragen 17,4 Millionen Euro für den Bau und 2,21 Millionen Euro für die Außenanlagen. Bereits 2012 war ein Wettbewerb für das Besucherzentrum durchgeführt worden. Der 1. Preis ging an Florian Nagler Architekten, München, und Christina Kautz, Landschaftsarchitektur Berlin.

„Nun sind die Mittel für die Realisierung des Baus gesichert“, freute sich Andreas Geisel, Senator für Stadtentwicklung und Umwelt (SPD), als er am Mittwoch gemeinsam mit Landesarchäologe Matthias Wemhoff die Planungen im Detail vorstellte. In dem siebengeschossigen modernen Gebäude an der Gertraudenstraße sollen Besucher Archäologen bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen können. Im Untergeschoss wird eine „archäologische Halle“ entstehen, die die historischen Fundamente vom Petriplatz zugänglich macht. Außerdem wird in den Bau ein Ossarium integriert werden, in dem Knochenfunde vom ehemaligen Petrikirchen-Friedhof verwahrt werden sollen.

Live dabei sein, wenn Archäologen arbeiten

„In dem Gebäude wird wirklich gearbeitet werden“, erklärte Landesarchäologe Wemhoff, zugleich Direktor des Museums für Vor- und Frühgeschichte. Das Museum wird seine Restaurationswerkstatt und sein Magazin mit insgesamt zehn Mitarbeitern in das Besucherzen­trum verlegen. „Und es wird immer wieder Gelegenheit geben, die Archäologen bei ihrer Arbeit zu beobachten“, versprach der Professor.

Zwei Mitarbeiter sollen sich nur um die Vermittlung kümmern und die Besucher an die Vielfalt des Arbeitsfeldes der Archäologie heranführen, das vom Graben über das Katalogisieren und Restaurieren bis hin zum Aufbereiten fürs Museum reicht. „Hier ist der ideale Ort für solch ein Zentrum“, sagte Wemhoff. „An dem Platz, wo früher eine Schule stand, nehmen wir wieder einen Bildungsauftrag wahr.“

Wie viel Spaß das machen kann, lässt sich an den Kindern beobachten, die in der vorbereiteten Sandgrube am Petriplatz nach Spuren unserer Vorfahren suchen. Fachmännisch halten sie das Werkzeug, unterscheiden routiniert wertlosen Bauschutt von echten Tonscherben aus dem Mittelalter, die Archäologin Claudia Maria Melisch, Workshop-Leiterin und federführend bei den jahrelangen Ausgrabungen am Petriplatz, in der Grube versteckt hat.

Archäologischer Pfad führt zu Attraktionen

„Wir haben auch schon mit Wasser und Sieb geschlämmt“, erzählt Fabian (13), der sein Interesse für archäologische Methoden entdeckt hat. Marlon (11) und Dascha (9) hat der Besuch in der Restaurierungswerkstatt am Vortag am besten gefallen. „Wir haben dort Sachen gesehen, die sonst niemand sehen darf“, sagt Marlon und schaut geheimnisvoll.

Sehen lernen: Das ist laut Landesarchäologe Wemhoff auch der Kern der Archäologie. Das Besucherzentrum soll dabei nur ein Puzzlestein sein. Für die Zukunft geplant ist ein „archäologischer Pfad“, der Besuchern den Weg zu sämtlichen archäologischen Attraktionen in Berlins historischer Mitte weist. Zudem, so Senator Geisel, soll das gesamte Areal rund um den Petriplatz in den kommenden Jahren so gestaltet werden, dass die mittelalterlichen Stadtstrukturen wieder erkennbar werden.

Er verwies unter anderem auf das im Bau befindliche Hotelgebäude am Petriplatz mit seinem Schaufenster auf die denkmalgeschützten Kellergewölbe des ehemaligen Cöllnischen Rathauses sowie das geplante Kultur- und Religionshaus „House of One“ auf den Grundmauern der Petrikirche von 1849.