Sanierung

So kämpfen wehrhafte Senioren aus Moabit gegen höhere Mieten

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Sabine Flatau

Foto: Amin Akhtar

Das Seniorenwohnhaus am Hansa-Ufer soll energetisch saniert werden. Eine Gruppe Rentner kämpft gegen die anschließende Mieterhöhung von 60 Prozent - 35.000 Menschen unterstützen sie im Internet.

Die Resonanz ist riesig. Schon mehr als 35.000 Unterstützer haben sich seit Ende Juli auf der Onlinepetition der Senioren aus Moabit eingetragen. Die alten Bewohner des Hauses Hansa-Ufer 5 wehren sich gegen die angekündigte Sanierung, weil sie zu Mieterhöhungen zwischen 40 und 60 Prozent führen soll. Sogar aus Toronto/Kanada hat sich ein Sympathisant gemeldet, der von ähnlichen Erfahrungen mit dem Hauseigentümer berichtet. Unterdessen wollen auch Berliner Landespolitiker die Rentner unterstützen.

Das Haus am Spreeufer war in den 70er-Jahren mit Fördermitteln für Senioren errichtet und mit 62 kleinen Wohnungen ausgestattet worden. Die gewerkschaftsnahe Gesellschaft Neue Heimat ließ es bauen. Bis Ende 2007 seien die Mietverträge noch mit dem Bezirksamt Mitte geschlossen worden, teilen die Senioren in der Petition mit. In diesen Verträgen sei ihnen ausdrücklich zugesichert worden, dass die Miete den finanziellen Möglichkeiten der Rentner angepasst werde. 2007 verkaufte das Bezirksamt Mitte das Gebäude an die Immobiliengesellschaft Akelius. Seither werden die kleinen Wohnungen auch an jüngere Menschen vermietet. Derzeit sind noch etwa 30 Mieter im Alter zwischen 75 und 97. Darunter Christa Kaes, 83, die vor einem Jahr einzog. Man verstehe sich gut mit den jungen Leuten, erzählt sie.

Sie stammt aus dem Rheinland und zog nach Berlin, um in der Nähe ihrer Tochter zu leben, die in einem Nachbarhaus am Hansa-Ufer wohnt. Die Seniorin lebt in einer 42-Quadratmeter-Wohnung. Ihre Miete solle nach Vermieterauskunft vom April um mindestens 40 Prozent steigen, erzählt die Rentnerin. Sie müsste dann insgesamt mehr als 750 Euro bezahlen. „Das geht so nicht“, sagt sie.

Viele Mieter müssten ausziehen

Christa Kaes gehört zu den Organisatoren der Onlinepetition. Der Computer steht auf dem Wohnzimmertisch. Doch es gibt noch mehr Elektronik im Raum. Im Regal an der Wand ist das Keyboard verstaut, auf dem Kaes spielt, wenn sich die Senioren montags im Gemeinschaftsraum zum Singen treffen. Die Gruppe sei schon im Nachbarschaftshaus „Stadtschloss Moabit“ aufgetreten, erzählt sie. Für den September habe der Chor eine Einladung zum Auftritt bei einem Alternativ-Markt. Im Gemeinschaftsraum feiern die Hausbewohner auch Geburtstage zusammen. Doch diese Gemeinschaft ist in Gefahr.

Wenn die Miete in der angekündigten Form steigt, können sich viele Senioren die Wohnung nicht mehr leisten und müssten ausziehen. Im hohen Alter eine andere, preiswerte Bleibe zu finden, ist schwer. Deshalb protestieren die Rentner gegen die angekündigte Modernisierung, denn sie wollen am Hansa-Ufer bleiben. Auch die Berliner Sängerin Angelika Mann protestiert, denn ihre Mutter ist mit 94 Jahren eine der ältesten Mieterinnen und lebt seit fast 30 Jahren in der Wohnung am Hansa-Ufer 5. Berlin habe das Haus mit Seniorenwohnungen verkauft und lasse die Bewohner im Regen stehen, kritisiert Angelika Mann. „Das ist unverantwortlich und in hohem Maße unsozial.“

Die Senioren am Hansa-Ufer 5 wollen verhindern, dass die Modernisierung in der von Akelius geplanten Weise stattfindet und möchten eine Alternative vorschlagen. Eine Modernisierung, die nicht so teuer ist und nur zu einer gemäßigten Mieterhöhung führt, aber dennoch die erforderliche Wirkung hat. Dazu brauchen die Senioren einen Kreis von Experten, der sie berät. „Durch unsere Petition haben wir eine bundesweite Aufmerksamkeit bekommen“, sagt Christa Kaes.

Viele Tipps und Hinweise seien eingetroffen, viele Kontakte zu Fachleuten entstanden, darunter zu Bauphysikern und Dämmungsexperten. Auch der Architekt des Hauses Hansa-Ufer 5 sei dabei. Vorbild sei die Künstlerkolonie in Wilmersdorf, deren Bewohner ebenfalls einen alternativen Plan zur teuren Sanierung entwickelt hätten. Im Sommer 2013 hatte der Eigentümer, die Deutsche Annington, die geplante Wärmedämmung der Hausfassade angekündigt. Die Annington zeigte sich jedoch kompromissbereit, lud die Mieter zum Gespräch und ging auf die Vorschläge ein.

Abgeordnete wollen helfen

Kontakte haben die Moabiter auch zu den Rentnern aus Pankow aufgenommen, die 2012 ihren Freizeittreff in der Stillen Straße besetzt hatten und dadurch vor der Schließung retteten. Über den Fortschritt der Moabiter Onlinepetition werden per Mail der Petitionsausschuss und der Sozialausschuss des Abgeordnetenhauses sowie Vertreter von Akelius informiert. Die Abgeordneten Thomas Isenberg (SPD) und Alexander Spies (Piraten), beide Mitglied im Sozialausschuss, besuchten die Rentner am Freitag am Hansa-Ufer und sagten Unterstützung zu.

Ein Gesprächskreis mit den Abgeordneten und Vertretern von Akelius soll initiiert werden. Die Senioren wollen außerdem Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) einladen, „um zu zeigen, wie hier eine gut funktionierende Gemeinschaft von Senioren und jungen Leuten lebt.“ Christa Kaes und ihre Tochter hatten bereits ein Treffen mit den Vermietern. Es habe mündliche Zusagen gegeben, dass Härtefälle berücksichtigt werden sollen, erzählt die Rentnerin. Aber eine schriftliche Bestätigung dafür gebe es nicht. Christa Kaes ist dennoch zuversichtlich. „Wir kämpfen“, sagt sie. „Und ich denke, wir kommen irgendwie zum Erfolg.“

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