Berliner Museen

„Klasse Damen“: Als Frauen die Kunstwelt eroberten

| Lesedauer: 4 Minuten
Suzan Kizilirmak
Blick in die Biesdorfer Ausstellung „Klasse Damen!“: vorne eine Büste von Milly Steger, im Hintergrund eine Fotoserie von, mit und über Else (Twin) Gabriel.

Blick in die Biesdorfer Ausstellung „Klasse Damen!“: vorne eine Büste von Milly Steger, im Hintergrund eine Fotoserie von, mit und über Else (Twin) Gabriel.

Foto: Saskia Uppenkamp

Die Ausstellung im Schloss Biesdorf erinnert daran, dass die Berliner Kunstakademie vor 100 Jahren erstmals Frauen aufnahm.

Berlin. 

An der Decke der Eingangshalle baumelt ein Harlekin mit winzigem Phallus. Er lenkt den Blick weiter nach oben zu einem blanken Damenpo. Das Bild mit dem klangvollen Titel „Mooning“ hat Else (Twin) Gabriel (*1962) im Jahr 2005 aufgenommen. Die Botschaft scheint eindeutig: Der Mann ist in Wahrheit klein, die Frau kann und darf ihm frech den Hintern zeigen.

Die Installation aus Fotografie und Skulptur eröffnet die Ausstellung „Klasse Damen!“ im Schloss Biesdorf, die dort bis Mitte Oktober zu sehen ist. Anlass für die Schau ist die Öffnung der Königlichen Kunstakademie in Berlin für Frauen vor nunmehr 100 Jahren. Vor 1919 konnten sich nur reiche „Malweiber“ die Kurse der sogenannten Damenklassen leisten. Auch sonst waren die Wege in die Kunst für Frauen auf nicht minder teure Privatlehrer oder Kunstgewerbeschulen beschränkt. Infolgedessen sind heute nur wenige Künstlerinnen bekannt, die sich vom 19. Jahrhundert an bis zum Ersten Weltkrieg im männlich dominierten Kunstsektor behaupten konnten. Dazu zählen etwa Jeanne Mammen, Renée Sintenis oder auch Lotte Laserstein, die heute eine Renaissance erleben. Letzterer ist bis zum 12. August eine große Schau in der Berlinischen Galerie gewidmet.

Die Ausstellung im Biesdorfer Schloss, einer ehemaligen Fabrikantenvilla aus dem Jahr 1868, das heute für Ausstellungen und Kulturveranstaltungen gleichermaßen genutzt wird, kuratieren die Künstlerinnen und Kuratorinnen Ellen Kobe und Ines Doleschal zusammen mit Karin Scheel, der künstlerischen Leiterin der dortigen kommunalen Galerie. Gemeinsam stellen sie Werke von zwölf historischen Künstlerinnen den von 14 zeitgenössischen gegenüber, insgesamt gibt es 80 Arbeiten zu entdecken. Diese stammen etwa aus dem Bröhan-Museum, dem Georg Kolbe Museum oder von der Akademie der Künste sowie etlichen weiteren Institutionen wie auch privaten Sammlern.

Themen sind Armut, Diffamierung und Kinderlosigkeit

Es gibt einige neue Namen zu entdecken, die dank der Werke und Biografien lebhaft im Gedächtnis bleiben. Zu ihnen gehört Milly Steger (1881–1948), die dem Vorurteil, Frauen könnten nicht mit Stein und Holz arbeiten, im Nadelstreifenanzug und mit Schlips entgegentrat. Kobe und Doleschal wollen zudem wissen, ob Künstlerinnen bis heute familiäre Brüche, Armut, Diffamierung und Kinderlosigkeit in Kauf nehmen müssen. Dabei ist der Nachwuchs selten so relevant wie bei Else (Twin) Gabriel, die in einem Performancevideo ihr „Kind als Pinsel“ (2007) schwingt. Die „Grand Dame der Collage“, Hannah Höch, soll ihre „unfreiwillige Kinderlosigkeit“ nach zwei Abtreibungen in ­ihrem Werk verarbeitet haben. Die malende Hausfrau und Mutter Charlotte Berend-Corinth wartete den Tod ihres Mannes Lovis Corinth 1925 ab, um Karriere zu machen.

Geradezu erfrischend liest sich da Elisabeth Sonnecks Vita: Die Biografie der 1962 geborenen Berliner Künstlerin konzentriert sich auf die Stationen einer internationalen Karriere. So wirkt auch Sonnecks Installation aus Papierbahnen spannend: Drei Monate lang hat die abstrakt arbeitende Künstlerin gestreifte Farbabstufungen von Gelb nach Blau aufgetragen. Der Weg nach oben bleibt etwas für Freigeister. Wer wissen will, wie die Sicht von dort ist, muss Gaby Tap­licks hohen Turm erklimmen, bis hoch unter die Decke. Dort hängt der Rauchmelder.

Als zwinkere sie einem zu

Auch Doleschal und Kobe zeigen Arbeiten. Wenn Kobe kuratiert, setzt sie sich mit Geschichtsrezeption und Geschlechter­identitäten auseinander. Die Biesdorfer Ausstellung „Klasse Damen!“ ließ sie von ihrer „Assistentin“ eröffnen. Die angekündigte Performance hatte begonnen, ohne dass die Gäste es merkten, denn nicht alle konnten wissen, dass die „Assistentin“ Kobe selbst war. Als solche las sie einen Text vor, zeigte Bilder und inszenierte sich als Nachfahrin der bekannten Malerin Lotte Laserstein (1898–1993).

In der Ausstellung taucht Kobe in einem Foto auf, in einer Reproduktion von Laser­steins Hauptwerk „Abend in Potsdam“ (1930). Das Gemälde entstand während der Weltwirtschaftskrise und zeigt die Freunde der Malerin bei einem Essen hoch über Potsdam ratlos ins Nichts starrend. Auf der Reproduktion sitzt Ellen Kobe quickfidel zwischen ihnen. Fast sieht es aus, als zwinkere sie einem zu.

Hier geht es zur Ausstellung: Schloss Biesdorf, Alt-Biesdorf 55, 12683 Berlin, Telefon 030 / 516 56 77 90, geöffnet täglich von 10 bis 18 Uhr, Freitag 12 bis 21 Uhr, Dienstag geschlossen. Die Ausstellung dauert noch bis zum 13. Oktober. www.schlossbiesdorf.de