Der Fall des russlanddeutschen Mädchens, das eine Vergewaltigung erfunden und damit international für Aufregung gesorgt hat, kommt vor Gericht. Angeklagt ist jedoch nicht das Mädchen wegen dessen mutmaßlicher Falschaussagen – es war zur Tatzeit erst 13 Jahre alt. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen einen Mann erhoben, der sexuelle Kontakte zu der Schülerin – die als Lisa bekannt wurde – gehabt haben soll.
Den Ermittlungen zufolge soll es sich zwischen den beiden zwar um einvernehmlichen Sex gehandelt haben. Da Lisa zu dieser Zeit aber erst 13 Jahre alt war, hat sich der mutmaßliche Täter als Erwachsener dennoch strafbar gemacht. Nach Auskunft von Gerichtssprecherin Lisa Jani werden dem 23-Jährigen schwerer sexueller Kindesmissbrauch und die Herstellung pornografischer Schriften vorgeworfen, weil er die Tat auch noch gefilmt haben soll. Für derartige Taten drohen Freiheitsstrafen von mindestens zwei Jahren. Der Fall wird im Amtsgericht Tiergarten verhandelt und kommt vor ein Jugendschöffengericht. Ein Termin für die Hauptverhandlung ist noch nicht angesetzt.
Schülerin schilderte bei Polizei mehrere Tatversionen
Lisa war 11. Januar 2016 verschwunden. Zuletzt war sie auf dem Weg zur Schule gesehen worden. Ihre Eltern erstatteten damals Anzeige bei der Polizei. Am folgenden Tag tauchte Lisa dann überraschend wieder auf. Die Schülerin behauptete zunächst, dass sie von drei Unbekannten verschleppt, in einer Wohnung festgehalten und dort auch vergewaltigt worden sei. Angeblich seien es „Südländer“ gewesen.
Die Ermittler fanden dafür aber keine Anhaltspunkte. Nach weiteren Vernehmungen und Fragen nach Details war Lisa schließlich von ihrer ersten Version abgerückt und hatte erklärt, dass sie nicht gewaltsam entführt, sondern freiwillig mit den Männern mitgegangen sei. Es folgten dann weitere Versionen über ihr Verschwinden. Insgesamt soll Lisa vier verschiedene vermeintliche Tatabläufe geschildert haben. Ermittler konnten schließlich anhand ihrer Handy-Daten rekonstruieren, dass sich Lisa in der fraglichen Nacht bei einem Freund aufgehalten und sie offenkundig eine Falschaussage gemacht hatte. Anfangs war auch noch vermutet worden, dass sich Lisa wegen Schulproblemen versteckt hatte.
Bei den weiteren Ermittlungen geriet auch der nun Beschuldigte in den Fokus der Polizei: Er wurde verdächtigt, mit dem Mädchen schon vor ihrem Verschwinden einvernehmliche sexuelle Kontakte gehabt zu haben.
Der Fall Lisa fand in den russischen Medien eine überraschend große Beachtung. Vor allem der russische Staatssender „Pervyj Kanal“ machte die Geschichte groß. Experten gehen davon aus, dass ganz gezielt Stimmung gemacht wurde, um zu demonstrieren, wie unsicher das Leben in Westeuropa und speziell in der Bundesrepublik sei.
In Marzahn demonstrieren 250 Russlanddeutsche
Thematisiert wurde dabei auch die Flüchtlingspolitik. So wurde auch behauptet, die Täter seien Flüchtlinge. Die Vorwürfe, Lisa sei vergewaltigt worden, wurden auch nicht zurückgenommen, als die Berliner Staatsanwaltschaft ihre gegenteiligen Ermittlungen präsentierte. Am 18. Januar 2016 demonstrierten im Stadtteil Marzahn – hier leben mehr als 30.000 Russlanddeutsche – etwa 250 Personen und prangerten die vermeintliche Vergewaltigung der Schülerin und die ihrer Meinung nach unzureichenden Ermittlungen an. Fünf Tage später kam es zu einer Demonstration von rund 700 Personen vor dem Kanzleramt. Dazu aufgerufen hatte der „Internationale Konvent der Russlanddeutschen“. Am 24. Januar 2016 demonstrierten Hunderte Russlanddeutsche in Bayern und Baden-Württemberg.
Am 26. Januar 2016 schließlich kam der russische Außenminister Sergej Lawrow in einer internationalen Pressekonferenz auf den Fall des Mädchens zu sprechen und warf den deutschen Behörden Vertuschung vor. Der damalige deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) wertete Lawrows Behauptungen als Propaganda und wies sie scharf zurück.
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