Neun zottelige Wildrinder scharren auf dem Boden der abgelegenen Bergwälder im nordöstlichen Aserbaidschan. Das Bild der hier weidenden Wisent-Herde ist keine Selbstverständlichkeit. Denn vor mehr als 90 Jahren wurde der letzte Wisent im Kaukasusgebirge erschossen und die Tierart somit in ihrem natürlichen Lebensraum ausgerottet. Nun ist es dem Tierpark Berlin in Zusammenarbeit mit dem WWF und dem Tierpark Bern erneut gelungen, Wisente aus europäischen Zoos in ihre angestammte Heimat zu bringen.
In den vergangenen Monaten waren im Rahmen des Erhaltungszuchtprogramms des Europäischen Zooverbandes EAZA sieben Wisente aus den Zoologischen Gärten Kolmarden und Boras (Schweden), Prag (Tschechische Republik) sowie Chemnitz, Köln, Bernburg und Karlsruhe (Deutschland) in den Tierpark Berlin gezogen.
Nachdem die Tiere reichlich Zeit hatten sich aneinander zu gewöhnen, reiste die Berliner Wisent-Herde nun in einer Frachtmaschine ab Frankfurt mit einem „One Way Ticket“ nach Baku, informiert der Tierpark. Zwei weitere Tiere aus dem Tierpark Bern werden in Aserbaidschan mit der Gruppe der sieben Berliner Wisente vereint.
Begleitet wurde die Reise von Dr. Florian Sicks, Stellvertretender Leiter des Tierpark Berlin: „Für mich persönlich war der Flug in der Frachtmaschine vermutlich genauso aufregend wie für die Wisente. Glücklicherweise haben wir alle die Reise gut überstanden“, berichtet er. Um sich an ihre neue Heimat zu gewöhnen, werden sich die Wildrinder dort zunächst in einem Eingewöhnungsareal aufhalten.
Da einzelne Wisente im Vorfeld mit modernen GPS-Halsbändern ausgestattet wurden, wird die Herde auch zukünftig weiter begleitet werden. „Wir sehen es nicht nur als unsere Aufgabe, die Gäste von Zoo und Tierpark für die Tierwelt zu begeistern, sondern betreiben auch aktiv Artenschutz“, erklärt Zoo- und Tierpark-Direktor Andreas Knieriem. Sei es durch Unterstützung der Partnerprojekte durch Ressourcen und Expertise oder – wie beim Wisent – mit der gezielten Auswilderung der Berliner Tiere.
Große Bergmischwälder mit einem natürlichen Nahrungsangebot für Wisente
Im Großen Kaukasus finden die Wildrinder noch große zusammenhängende Bergmischwälder mit einem natürlichen Nahrungsangebot, erklärt Aurel Heidelberg, Referent für die Ökoregion Kaukasus beim WWF Deutschland. Gleichzeitig böten die riesigen Naturschutzgebiete genügend Platz und Schutz für Bestände mit mehreren hundert Tieren. „Die Wiederbesiedlung des Wisents ist ein Kraftakt, der nur durch eine langfristige vertrauensvolle Zusammenarbeit von internationalen, nationalen und nicht zuletzt lokalen Partnern geleistet werden kann“, so Heidelberg.
Die frisch in Aserbaidschan eingetroffenen Wisente werden voraussichtlich im Frühjahr 2022 in der Kernzone des Nationalparks ausgewildert. Es wird sich um die zweite Herde handeln, die im Rahmen des Wiederansiedlungsprojekts entlassen wird. Eine erste Herde – bestehend aus 16 Tiere aus vorigen Transporten sowie vier vor Ort geborenen Kälbern – wird das Auswilderungszentrum noch Ende November dieses Jahres verlassen.