Berlin. Friedrich Merz hat einen Vergleich zwischen Gillamoos und Kreuzberg gezogen. Die Reaktionen im Berliner Bezirk fallen deutlich aus.
Für seinen Vergleich zwischen Gillamoos und Berlin-Kreuzberg und der Aussage, der Jahrmarkt in Bayern sei mehr Deutschland als der Innenstadtbezirk in der Hauptstadt, erntet CDU-Chef Friedrich Merz Kopfschütteln in Kreuzberg. „Bis gestern wussten wir gar nicht, was Gillamoos ist“, sagte die Kreuzberger Grünen-Abgeordnete Katrin Schmidberger. Inzwischen habe man gelernt, „dass in Kreuzberg die Party nicht nur länger, sondern auch lustiger ist als im bayerischen Bierzelt“, sagte die gebürtige Bayerin.
„Kreuzberg ist ein Sehnsuchtsort für die bayerische Jugend“, sagte die in Rosenheim geborene und in der Oberpfalz aufgewachsene Politikerin. Sie habe schon häufig in ihrer Kreuzberger Wohnung Nichten und Neffen aus Bayern beherbergt. „Sobald die können, fahren die nach Kreuzberg.“
Auch aus der Senatskanzlei kam ein kühles Statement: "Wir mögen Kreuzberg, und Deutschland, und das Sauerland, und Gillamoos“, sagte die Sprecherin des ebenfalls zur CDU gehörenden Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner dem „Tagesspiegel“ (Dienstag). „Und ein bisschen Kreuzberg für alle wäre auch gut.“
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Merz hatte am Montag bei einem Bierzeltauftritt auf dem Volksfest im niederbayerischen Abensberg gesagt: „Nicht Kreuzberg ist Deutschland, Gillamoos ist Deutschland.“ Der CDU-Politiker Helge Braun wurde dazu am Dienstag im Deutschlandfunk gefragt und erläuterte Merz' Aussagen so: Die Ampel-Koalition mache sehr viel Politik für städtische Regionen mit einem Menschenbild, das vielen Menschen Sorgen mache. Viele in ländlichen Räumen fühlten sich nicht mitgenommen. Als Beispiele nannte Braun die Cannabis-Legalisierung oder die freie Wahl des Geschlechts. Dies könne die CDU so nicht mittragen.
Die Debatte, dass Bundespolitiker in Berlin ihre Politik zu sehr an Menschen in der Stadt ausrichten und zu wenig an Menschen auf dem Land, wird seit längerem geführt. Kreuzberg steht als Symbol aber auch für einen Stadtteil mit vielen Zuwanderern. Zudem ist es eine Hochburg der Grünen - mit einem sehr geringen Wähleranteil der CDU.
CDU-Politiker Wansner lädt Merz nach Kreuzberg ein
Der Kreuzberger CDU-Mann Kurt Wansner, der den Bezirk seit Jahrzehnten im Berliner Abgeordnetenhaus vertritt, glaubt, dass Merz den Stadtteil nicht kennt. Er wisse nicht, wie Merz seinen Spruch gemeint haben könnte: „Ich lade ihn gerne mal nach Kreuzberg ein“, sagte der 75-Jährige der Morgenpost. Kreuzberg sei ein faszinierender und angesagter Stadtteil. „Die Eigentumswohnungen kosten hier mehr als in Charlottenburg“, erklärte Wansner seinem Parteichef. Vielleicht habe Merz aber nur die Drogenszene am Kottbusser Tor oder im Görlitzer Park gemeint. „Die ist in der Tat fürchterlich.“
Die Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann hatte zunächst launig auf den Merz-Vergleich reagiert. Auch im Sauerland gebe es mehr Fahrradfahrer als Privatflieger, sagte sie dem Tagesspiegel in Anspielung auf Merz' Heimatregion und seine Mobilität. Gegenüber der Morgenpost war die Grünen-Politikerin hingegen ernster: „Friedrich Merz spricht nicht nur den 152.000 Kreuzberger*innen ab, ein Teil Deutschlands zu sein. Er sagt Kreuzberg und meint in Wirklichkeit alle Orte mit Vielfalt. Damit spaltet er aus Kalkül die Gesellschaft. Das ist unsäglich. Für den Parteivorsitzenden einer deutschen Partei ist das eine unwürdige Aussage!“
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) will übrigens nichts zum neuesten Merz-Vergleich sagen.