Nach drei Jahren Corona-Pause fand am Pfingstsonntag wieder der Festumzug des Karnevals der Kulturen statt. Die stärksten Bilder.
Berlin. Am Sonntag schien es mal wieder so, als sei die ganze Welt zu Gast in Berlin. Zum insgesamt 25. Mal tanzte, lachte und sang sich der traditionelle Festumzug des Karnevals der Kulturen am Pfingstwochenende durch die Straßen Kreuzbergs. Diesmal ging es von der Gneisenaustraße aus am Südstern und der Hasenheide vorbei bis hin zum Hermannplatz in Neukölln.
Exotische Klänge, schrille Kostüme und freizügige Showeinlagen zum Beispiel aus Brasilien, Indien, Peru, Bolivien oder Angola sorgten bei strahlendem Sonnenschein für ausgelassene Party-Stimmung. Bis zum Abend blieb es weitgehend friedlich und ohne besondere Zwischenfälle.
550.000 Menschen, so der Veranstalter, jubelten am Rand der Route den bunt geschmückten Umzugswagen und den oft auffällig geschminkten Tanz- und Musikgruppen verschiedenster kultureller Hintergründe zu, applaudierten bei besonderen Kunststücken oder gruselten sich bei Kostümierungen, die Drachenwesen, Dämonen oder Ungeheuer darstellten. Der Veranstalter der Demonstration gegen Rassismus und Fremdenhass war im Vorfeld von einer Zuschauerzahl von einer halben Millionen ausgegangen.
Karneval der Kulturen: Zugang am Mehringdamm wird früh gesperrt
Wo auch immer die am Ende tatsächlich lag, voll war es in jedem Fall. Schon lange vor Beginn des Umzugs um 12.30 Uhr strömten die Menschenmassen aus dem U-Bahnhof Gneisenaustraße und den umliegenden Gebieten in Richtung Startpunkt. Fortbewegen konnte man sich bald nur noch im Schneckentempo, das Telefonnetz zum Anrufen der verloren gegangenen Freunde war rasch überlastet. Schon früh musste auch der Zugang vom Mehringdamm aus für weitere Besucher geschlossen werden.
„Wie lange muss ich denn warten, um reinzukommen?“, fragte ein sichtlich geschockter junger Mann einen Ordner an den Gittern der Absperrung. „Ich bin doch heute extra zeitig aufgestanden.“ Die, die drin waren, genossen indes den Hauch von Internationalität und Weltoffenheit, der nach drei Jahren Corona-Zwangspause endlich wieder durch die Kreuzberger Straßen wehte. So sie denn etwas sehen konnten, denn auch außerhalb der für den Umzug gesperrten Wege war es vor allem kuschelig eng.
Viele mussten sich auf die Zehenspitzen stellen oder Klohäuschen und Zäune erklettern, um einen guten Blick auf die leicht bekleideten Samba-Tänzerinnen zu erhaschen, die immerhin wie in jedem Jahr nur schleppend vorankamen und daher mehrere schweißtreibende Auftritte hintereinander für dasselbe Publikum an Ort und Stelle hinlegen mussten.
Karneval der Kulturen: Mangelnde Finanzierung sorgt für ungewisse Zukunft
„Glücklich ist, wer hier ne Wohnung hat und runter gucken kann“, sagte eine Frau, die der Parade mit ihrer Freundin beiwohnte, nur um sofort beim Anblick eines engmaschig mit Blumen geschmückten Wagens zu schwärmen: „Dit sieht ja geil aus, wa?“. Doch es gab auch kritische Stimmen. „Ich habe das Gefühl, früher wurde etwas mehr geboten und die Leute waren insgesamt fröhlicher“, sagte etwa Theresa Klaus, die extra ihre Schwester aus Hessen zum Event hatte anreisen lassen. „Es wirkt schon etwas kleiner.“
Trotz der leicht abgespeckten Version bot der Umzug des Karnevals der Kulturen am Sonntag aber dennoch ein hohes Maß an Vielfältigkeit für seine Zuschauerinnen und Zuschauer. Neben traditionellen Tänzen und Musikstücken in Trachten und Landeskostümen etwa aus Peru, Südkorea, der Ukraine, Ghana und Kolumbien gehörten beispielsweise auch die Hexenmasken der zumindest für Berliner weit entfernten alemannischen Fastnacht und ein Elvis-Presley-Fanclub mit zahlreichen Imitatoren des US-amerikanischen King of Rock’n’Roll zum Programm. Was wohl auch eine Art von Völkerverständigung darstellt.
Veranstaltung sieht sich als politische Demonstration
Bis in die Abendstunden hinein feierten Menschen aller Nationen und Hautfarben jedenfalls so selbstverständlich in und außerhalb der beteiligten Gruppen des Umzugs zu Samba, Salsa und Reggae, dass man sich angesichts aktueller Debatten schon fragen konnte, wann der Tag kommt, an dem ein Kreuzberger Kommunalpolitiker dem Ereignis wohl kulturelle Aneignung vorwirft.
Der Festumzug des Karnevals der Kulturen gilt als Höhepunkt der seit Freitag laufenden interkulturellen Veranstaltung, die sich selbst als politische Demonstration gegen Rassismus und Fremdenhass und als Begegnungsstätte für Vielfalt versteht. Sie ist vor allem auch für ihr kulinarisches und musikalisches Straßenfest rund um den Blücherplatz bekannt.