Gerichtsurteil

Kreuzberg: Umgestaltung der Bergmannstraße ist rechtens

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Entspannter Bergmannkiez: Auf der Bergmannstraße gibt es einen Zweirichtungsradweg.

Entspannter Bergmannkiez: Auf der Bergmannstraße gibt es einen Zweirichtungsradweg.

Foto: Patrick Goldstein

Das Berliner Verwaltungsgericht wies die Klagen zweier Anwohner über die Umgestaltungs-Maßnahmen im Bergmannkiez ab. Die Begründungen.

Berlin. Die Umgestaltung der Bergmannstraße in Kreuzberg zur „Begegnungszone“ ist rechtmäßig und mit ihr auch die ihr inhaltlich zugrundeliegende verkehrsrechtliche Anordnung des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg.

Ebenso verhält es sich mit der Geschwindigkeitsbegrenzung Tempo 10 für Fahrräder auf einem Abschnitt von 250 Metern in der Bergmannstraße als Einzelmaßnahme dieser Anordnung. Das entschied die 11. Kammer des Berliner Verwaltungsgerichts unter dem Vorsitz von Richterin Heike Grigoleit am Dienstag in zwei getrennten Verfahren. Beide hatten das bezirkliche Verkehrsberuhigungskonzept im Bergmannkiez zum Inhalt.

Einbahnstraße in der Bergmannstraße und Tempo 10 für Fahrräder

Mit dem Urteil wurden konkret die Klagen zweier Anwohner gegen verkehrsberuhigende Maßnahmen im Viertel abgewiesen, ihre Berufungsanträge abgelehnt. Die verkehrsrechtliche Anordnung zu diesen Maßnahmen stammt aus dem Juli 2021. Das Bezirksamt hatte damals beispielsweise die Führung der Bergmannstraße in Richtung Zossener Straße als Einbahnstraße angeordnet.

Ebenso wie die Einrichtung eines Zweirichtungsradwegs zwischen Nostitzstraße und Zossener Straße und die Einrichtung von Tempo 10 für alle Verkehrsteilnehmer, einschließlich von Fahrradfahrern, im oben erwähnten Abschnitt der Bergmannstraße in der Nähe der neu errichteten Fußgängerüberwege. In allen anderen Bereichen der Straße gilt hingegen Tempo 20.

Kläger: Keine Gefahrenzone mehr in der Bergmannstraße

Gegen letztere Teilmaßnahme lief die Klage des Anwohners Christoph Hermann, der sich im Plenarsaal des Verwaltungsgerichts selbst vertrat. Er halte Tempo 10 in diesem Bereich für rechtswidrig, weil keine Gefährdungslage gegeben sei, die die Verkehrsbeschränkungen rechtfertige, sagte er. Der Mann nutzt den Radweg selbst regelmäßig auf seinem Arbeitsweg. Obgleich die Anordnung ihn nur wenige Sekunden an Zeit koste, fühle er sich in seiner Handlungsfreiheit deutlich eingeschränkt, argumentierte er.

Allerdings war Hermann mit dieser Begründung bereits 2022 in einem Eileintrag vor dem Verwaltungsgericht gescheitert. Das Gericht begründete dies damals wie heute mit dem Verweis auf eine sehr wohl bestehende Gefährdung von Verkehrsteilnehmern. So hätten sich in den Nebenstraßen der Bergmannstraße von 2018 bis 2020 insgesamt 14 Fahrradunfälle mit zwölf Leicht- und zwei Schwerverletzten ereignet. Zudem herrsche dort eine besonders hohe Dichte von Fußgängern, Rad- und Autofahrern.

Bezirksamt: Geschwindigkeitsreduktion für alle Verkehrsteilnehmer gefordert

Doch genau diese Argumentation wollte Hermann nicht gelten lassen. Durch die neuen Maßnahmen und insbesondere die konsequente Trennung von Fahrrad- und Autoverkehr habe sich die Situation dermaßen verbessert, dass Tempo 10 schlicht nicht nötig sei und, wenn überhaupt, statistisch neu begründet werden müsse. „Ich finde die Verkehrsberuhigung der Bergmannstraße insgesamt gut, doch bei Tempo 10 ist der Bezirk über das Ziel hinausgeschossen“, sagte Hermann. „Der Bereich ist keine Gefahrenzone mehr.“

Und ergänzte, dass sich ohnehin kein einziger Fahrradfahrer an Tempo 10 halten würde. Eine Aussage, die Richterin Grigoleit sichtlich irritierte. „Wenn niemand ein Halteverbot vor einer Feuerwehrausfahrt beachtet, bedeutet das doch auch nicht, dass das Halteverbot falsch ist, sondern höchstens, dass es zu wenig Kontrollen von Polizei und Ordnungsamt gibt“, zog Grigoleit einen Vergleich.

Die anwesenden Vertreter des Bezirksamts argumentierten indes, dass sie an Knotenpunkten wie dem beschriebenen Abschnitt eine Reduzierung der Geschwindigkeit aller Verkehrsteilnehmer zur allgemeinen Gefahrenvermeidung erreichen wollten – inklusive der Fahrradfahrer. Die Anwohner des Bergmannkiezes hätten in den zahlreichen Befragungen der vergangenen Jahre nämlich angegeben, dass sie sich neben einer Reduzierung des Autoverkehrs auch keine „Rennstrecke für Fahrräder“ wünschten.

Bergmannkiez: Mehr Verkehr in Nebenstraßen?

Im anderen Verfahren des Tages hatte der Anwohner Stefan Zimmermann gegen die Errichtung der Einbahnstraße in der Bergmannstraße geklagt und in diesem Zuge auch gegen die gesamte verkehrsrechtliche Anordnung an sich. Auch er zeige sich grundsätzlich mit einer Verkehrsberuhigung der Gegend einverstanden, sagte er, doch durch die genannte Maßnahme komme es nun in der Nostitzstraße, in der er lebe, zu deutlich mehr Durchgangs- und vor allem schwerem Lieferverkehr mit höheren Geschwindigkeiten als zuvor und somit zu einem deutlichen Verlust seiner Aufenthalts- und Lebensqualität.

„Ich arbeite in meiner Wohnung mit Fenster zur Straße und die Lautstärke der Autos und Transporter auf dem Kopfsteinpflaster der Nostitzstraße schränkt mich sehr ein“, so Zimmermann. „Ich halte das Konzept des Bezirks für wenig durchdacht.“ Diesen Eindruck hätten auch viele andere Bewohner der Straße. Sein Anwalt forderte das Bezirksamt daher auf, die Einbahnstraßenregelung in der Bergmannstraße entweder wieder aufzuheben oder eine Einbahnstraßenregelung in anderer Fahrtrichtung einzurichten.

Bezirksamt will für Lärmreduktion sorgen

Die Vertreter des Bezirksamt blieben jedoch bei ihrem Standpunkt, dass die objektiven Zahlen der angeordneten Verkehrszählungen der subjektiven Wahrnehmung des Klägers Zimmermann nicht entsprechen. Vielmehr habe der Verkehr in der Nostitzstraße seit Einrichtung der Einbahnstraße abgenommen.

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Zudem kündigten sie an, durch die Einrichtung zweier so genannter „Berliner Kissen“ – spezielle Arten von Bodenschwellen – und weiteren Maßnahmen noch in diesem Jahr für eine Lärmreduktion in der Nostitzstraße sorgen zu wollen. Die Mittel dazu hätte der Senat bereits freigegeben, was Richterin Grigoleit zu Protokoll nahm.

Seit zehn Jahren Verkehrsreduktion im Bergmannkiez

Die Veränderungen in der Bergmannstraße – ein zweistelliges Millionenprojekt – sind längst noch nicht abgeschlossen. Ihre Befürworter in und außerhalb des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg dürften durch die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts nun zusätzlich neuen Schwung erhalten. Vor mehr als zehn Jahre starteten die Initiativen des Senats zur neuen Verkehrslenkung im Kiez und mit ihnen auch die zahlreichen Umbauten – von Parklets und grünen Punkten bis hin zur jetzigen verkehrsberuhigten Situation.