Berlin. Die Weltkriegsbombe in Friedrichshain ist erfolgreich entschärft. Spezialisten vom Landeskriminalamt (LKA) entfernten mit einer Hochdruckwasserstrahlschneidemaschine beide Zünder und sprengten sie vor Ort. "Die Weltkriegsbombe ist entschärft & wird abtransportiert. Die Sperrungen in Friedrichshain wurden aufgehoben", twitterte die Polizei Berlin um 0.20 Uhr. Der durchgehende Zugverkehr auf den S-Bahn-Linien S3, S41, S42, S5, S7, S8 und S9 wurde wieder aufgenommen.
"Der Sperrkreis ist aufgehoben. Sie können in Ihre Wohnungen zurückkehren", informierte das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg Anwohner. Rund 12.000 Anwohner hatten ihre Wohnungen verlassen müssen. Hilfsbedürftige Anwohner wurden von Hilfsorganisationen begleitet. Auch die Feuerwehr Berlin war mit 37 Kräften im Einsatz, darunter mehrere Einsatzkräfte von der Freiwilligen Feuerwehr.
Bombenentschärfung in Friedrichshain: Blindgänger wog 500 Kilogramm
In Teilen von Friedrichshain war am Donnerstagabend gar nichts mehr gegangen. Der um das Ostkreuz kam zum Erliegen, der Lärm der Baumaschinen am Spreeufer verstummte und auf vielen Straßen fuhr kein Auto mehr. Die Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg zwang rund 12.000 Menschen zwischen Bahndamm und der Spree, ihre Wohnungen zu verlassen. Gefunden wurde der 500 Kilogramm schwere Blindgänger am Mittag auf einer Baustelle.
Am späten Abend waren nur noch Spezialisten vom Landeskriminalamt im Sperrkreis. Sie begannen mit der Entschärfung der Bombe. Sie rechneten mit einer Dauer von mindestens drei Stunden Die Feuerwehr Berlin stand mit Rettungswagen, Notarzteinsatzfahrzeugen und Löschfahrzeugen bereit. Für Lagebesprechungen war ein Einsatzleiterwagen vor Ort.
Mit dem Beginn der Entschärfung wurde der Verkehr der S-Bahnlinien S3, S5, S7, S75 und S9 zwischen Rummelsburg/Nöldnerplatz/Treptower Park und Ostbahnhof unterbrochen, das Gleiche galt für die Linien S41, S42, S8 und S85 zwischen Frankfurter Allee und Treptower Park. Im Regionalverkehr waren der FEX sowie die Verbindungen RE1, RE2, RE7, RB12, RB14, RB24, RB25 und RB26 unterbrochen. Auch die Buslinien 194, 347, M43 waren von der Sperrung betroffen.
Weltkriegsbombe gefunden: Bauarbeiter entdeckten den Sprengsatz
Um 11.45 Uhr waren Bauarbeiter an der Ecke Persius- und Bödikerstraße auf den Sprengsatz gestoßen. Kriminaltechniker der Polizei rückten an und begutachteten den Fund. Am Nachmittag stand schließlich fest, dass die Bombe schnellstmöglich vor Ort entschärft werden musste. „Sie hat zwei Zündköpfe, die mechanisch mit einem Wasserstrahlschneidgerät entfernt werden sollen“, sagte Polizeisprecherin Anja Dierschke der Berliner Morgenpost. Die mit Hochdruckwasserstrahlschneidemaschine korrekte Bezeichnung des Geräts lieferte die Polizei später auf Twitter nach.
Weltkriegsbombe am Ostkreuz: Evakuierung dauerte stundenlang
Die Evakuierung zog sich hin. Über Stunden klingelten Polizisten an jeder Wohnung und fuhren mit Lautsprecherwagen durch die Straßen, um die Anwohnerinnen und Anwohner aufzufordern, ihre Wohnungen zu verlassen.
Die Polizei war mit 250 Kräften im Einsatz. Die informierten die Anwohnenden auch, dass sie möglicherweise die Nacht nicht daheim verbringen würden können. „Wer keine Möglichkeit hat, bei Freunden oder Verwandten unterzukommen, dem steht die Mercedes-Benz-Arena zur Verfügung“, so Polizeisprecherin Dierschke während der Evakuierung. Dort seien auch Kräfte des Deutschen Roten Kreuzes vor Ort.
Zudem helfe die Feuerwehr Menschen, die ihre Wohnungen nicht selbstständig verlassen können. Die meisten Betroffenen schienen es eher gelassen zu nehmen und sich schnell darauf einzustellen. Viele verließen die Häuser direkt mit Schlafsäcken und Isomatten unter dem Arm.
Zahlreiche Straßensperrungen in Friedrichshain
Die Straßen in der Umgebung wurden bereits kurz nach dem Fund der Bombe gesperrt. Auf der Stralauer Allee, der Elsenbrücke und Elsenstraße, der Straße Alt-Stralau und dem Markgrafendamm gab es kein Durchkommen.
Die S-Bahn fuhr bis zum Beginn der Entschärfung – wenn auch mit Einschränkungen. So hielten die Züge nicht am Bahnhof Ostkreuz, der von der Bundespolizei schon am Mittag gesperrt worden war. Am Abend war der Ostbahnhof ein Geisterbahnhof. Die Treppen zu den Gleisen waren mit Flatterband abgesperrt. Da auch ein Teil der Spree innerhalb des Sperrkreises lag, wurde auch der Schiffsverkehr eingestellt. Außerdem mussten Geschäfte, Bars und Cafés im Sperrkreis schließen.
Nach dem Fund der Bombe war zunächst unklar, was mit ihr nach der Entschärfung geschehen soll. „Sie wird auf den Sprengplatz im Grunewald verbracht“, verkündete Polizeisprecherin Dierschke die Entscheidung am Nachmittag. Zwar sind weite Teile des acht Hektar großen Geländes nach dem Brand nach wie vor unzugänglich, ein Teil gilt jedoch mittlerweile wieder als sicher.
Immer wieder werden Überreste aus dem Zweiten Weltkrieg in Berlin gefunden
Am Abend des 4. August hatten sich in einer Baracke auf dem Sprengplatz heftige Explosionen ereignet. Zunächst war vor allem dort gelagerte illegale Pyrotechnik detoniert, später auch größere Granaten und sogar eine 250-Kilo-Weltkriegsbombe. Tagelang brannte es auf dem Sprengplatz und im umliegenden Grunewald. Polizei und Feuerwehr sperrten den Brandherd in einem Radius von 1000 Metern ab, die Stadtautobahn Avus und die parallel verlaufende Bahnlinie in Richtung Potsdam blieben über Tage gesperrt
Auch fast 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs werden weiterhin Überreste im Boden der Hauptstadt gefunden. Rund 900 Mal im Jahr muss der Kampfmittelräumdienst der Polizei ausrücken, um Überbleibsel des Luftkriegs oder des Endkampfs um Berlin einzusammeln. Sie wurden bislang zum Sprengplatz gebracht und dort zwei Mal im Jahr mit Sprengungen unschädlich gemacht. Als der Brand dort vor zwei Wochen ausbrach, lagerten dort 30 Tonnen Sprengstoff.
Nach Schätzungen noch bis zu 4600 unentdeckte Bomben in Berlin
Große Weltkriegsbomben mit einem Gewicht von 250 bis 500 Kilogramm werden deutlich seltener gefunden – im Schnitt acht Mal pro Jahr. Meist werden sie wie auch am Donnerstag bei Bauarbeiten entdeckt. Wie viel davon noch im Boden liegt, kann nur geschätzt werden. Klar ist, dass der Kampfmittelräumdienst wohl noch Jahrzehnte damit zu tun haben wird.
Denn zwischen 1942 und 1945 warfen vor allem amerikanische und britische Flugzeuge 1,4 Tonnen Sprengmasse über Berlin ab. Davon explodierten 20 Prozent nach Schätzungen nicht – weil Zünder fehlerhaft waren oder während des Fluges von Großbritannien einfroren. Zwar wurde ein Großteil der Blindgänger noch während und in den Jahren nach dem Krieg unschädlich gemacht. Dennoch gehen Experten in Hochrechnungen davon aus, dass noch 4000 bis 4600 große Sprengsätzen unentdeckt im Boden der Hauptstadt liegen.
Wenn sie gefunden werden, steht das Leben zumeist für mehrere Stunden plötzlich still – besonders, wenn sie in Wohngebieten entdeckt werden. So mussten im Dezember 15.000 Menschen in Gesundbrunnen ihre Wohnungen verwenden, nachdem ein Blindgänger neben dem Jüdischen Krankenhaus entdeckt wurde. Auch die Klinik wurde evakuiert, was Polizei und Rettungskräfte vor immense Herausforderungen stellte. Besonders Menschen, die sich weigern zu gehen, verzögern solche Einsätze oft immens.
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