Berlin. Der ehemalige Kulturstaatssekretär Tim Renner schlägt vor, mit ausgedienten Panzern die Friedrichstraße für den Verkehr zu sperren.

Es waren Tage, in denen viele die Supermächte schon in einem neuen Weltkrieg sahen. Ende Oktober 1961 standen sich sowjetische und amerikanische Panzer an der Berliner Sektorengrenze Friedrichstraße gegenüber. Kurz nach dem Jahrestag des Mauerbaus hat jetzt eine Gruppe um den ehemaligen Kulturstaatssekretär Tim Renner einen Alternativentwurf vorgelegt, wie das geschichtsträchtige Gelände zukünftig aussehen soll. Vorgesehen ist darin unter anderem, wie im Oktober 1961 wieder zwei Panzer auf der Friedrichstraße zu postieren.

Das Areal um den ehemaligen Checkpoint zwischen den Ortsteilen Kreuzberg und Mitte steht vor erheblichen Veränderungen. Im Juni hatte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen den Entwurf eines Bebauungsplans (B-Plan) für das Gelände vorgelegt. Dieser sieht ein Museum des Kalten Krieges, Wohnungen und Gewerbeflächen vor. Auch ein fünfeckiger Stadtplatz soll entstehen. Hochhäuser sind dagegen nicht gewünscht.

Ein Bild, das sich ins Gedächtnis eingebrannt hat: Nach einem Zwischenfall am Berliner Grenzübergang Friedrichstraße
Ein Bild, das sich ins Gedächtnis eingebrannt hat: Nach einem Zwischenfall am Berliner Grenzübergang Friedrichstraße "Checkpoint Charlie" fuhren in den frühen Morgenstunden des 28.10.1961 auf beiden Seiten der Grenze jeweils Panzer der US- und Sowjetischen Armee auf, die sich aber nach einem Tag wieder zurückzogen. © picture-alliance / dpa | picture-alliance / dpa

Lesen Sie auch: So soll der Checkpoint Charlie umgestaltet werden

Mehr Freiraum am historischen Ort gefordert

Am wichtigen Gedenkort der deutschen Teilung soll laut Senatsverwaltung ein Bildungs- und Erinnerungsort geschaffen werden. Besucher bekommen die Gelegenheit, die heutige Stimmung und Atmosphäre des ehemaligen Grenzübergangs zu erleben. Dabei sollte der Entwurf laut Verwaltung eine „öffentlich nutzbare Freifläche als urbaner Platz“ bieten, ebenso eine Mischnutzung mit hohem Wohnanteil.

Der Bebauungsplanentwurf wurde im Rahmen des Beteiligungsverfahrens öffentlich ausgelegt. Vom 1. Juli bis 21. August hatten Bürger die Gelegenheit, eine sogenannte inhaltliche Stellungnahme abzugeben.

Kommentar: Checkpoint-Charlie-Umbau muss mehr werden als nur Mittelmaß

Tim Renner und seine Mitstreiter legten gleich einen gesamten eigenen Entwurf vor. Darin plädieren sie dafür, bei der Neugestaltung des Checkpoint Charlie mehr Freiraum zu schaffen. „Einen Ort, an dem Millionen Leute ihren Gedenkort haben, kann man nicht gleichzeitig zu einem urbanen Gebiet erklären. Also zu einem Ort, an dem die Menschen ganz normal leben und arbeiten“, sagte Renner dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). „Das machen wir ja am Gendarmenmarkt oder am Brandenburger Tor auch nicht.“ Renner und Unterstützer aus der Kulturszene, zu denen auch Star-Architekt Daniel Libeskind zählt, fordern keine normalen Wohnungen, sondern höchstens Studentenwohnungen oder Co-Living. Hauptsächlich gehe es um mehr Freifläche für die Besucher am ehemaligen Grenzübergang.

Eine Idee ist, mit zwei ausgedienten Panzern die Friedrichstraße für den Verkehr zu sperren. „Wie damals zu Zeiten des Kalten Kriegs“, so Renner. Autofrei müsse der Platz seiner Meinung nach sowieso werden. Ziel sei es nicht, den Plan von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) zu verhindern

Briten positionierten Raketen im Tiergarten

Im Detail sieht der B-Plan aus ihrem Haus vor, auf dem 1150 Quadratmeter großen Gelände östlich der Friedrichstraße, auf dem sich derzeit die Ausstellung „Blackbox Kalter Krieg“ befindet, Raum für einen Bildungs- und Erinnerungsort zu schaffen. Das Museumsgebäude soll höchstens 800 Quadratmeter auf dem Grundstück beanspruchen und kann auch unterirdische Räume haben. Auf den nördlich gelegenen 2000 Quadratmetern können Wohnhäuser mit Läden und Cafés im Erdgeschoss entstehen.

Bis zum Nachmittag des gestrigen letzten Abgabetags waren bei der Senatsverwaltung 22 Stellungnahmen eingetroffen, hieß es dort auf Anfrage. Diese würden jetzt ausgewertet. Details fließen gegebenenfalls in den bestehenden B-Plan ein. Voraussichtlich ab Oktober wird sich das Abgeordnetenhaus damit beschäftigen. Bis Februar 2020 soll der Plan beschlossen sein. Dann endet die Frist binnen der das Land Vorgaben geschaffen haben muss, an die sich Investoren bei ihren Projekten auf dem historischen Areal zukünftig halten müssen.

„Interesse einer kreativen und musealen Gestaltung des Ortes“

Eine Einhaltung dieses Termins steht jetzt auch bei der Stiftung Berliner Mauer im Vordergrund. Direktor Axel Klausmeier sagte der Berliner Morgenpost zu den Vorschlägen der Gruppe um Tim Renner: „Die Stiftung begrüßt, wenn es kreative Vorschläge zur Gestaltung des Checkpoint Charlie gibt. Auch haben wir Interesse an viel Freifläche sowie an einer kreativen und musealen Gestaltung des Ortes.“ Allerdings komme die aktuelle Anregung sehr spät, so der Stiftungsdirektor. „Es hätte die Möglichkeit gegeben, sich früher einzubringen.“ Nach der Idee einer Aufstellung von Tanks gefragt, erklärte Klausmeier, zum derzeitigen Zeitpunkt liege das Hauptaugenmerk darauf, dass der Bebauungsplan rechtzeitig beschlossen wird.

Zur Situation sich gegenüberstehender Panzer war es gekommen, als ein amerikanischer Diplomat am 22. Oktober 1961 entgegen dem Viermächtestatus am Checkpoint von einem DDR-Grenzer aufgefordert worden war, seine Papiere vorzulegen. Drei Tage später ließen die USA auf Westseite Panzer aufrollen, kurz darauf die Sowjetunion auf Ostseite. Die Briten positionierten Raketen im Tiergarten. Das bedrohliche Kräftemessen endete am 28. Oktober. Nach hitzig geführten Verhandlungen zogen sich zunächst die sowjetischen, dann die amerikanischen Tanks zurück.

Lesen Sie auch: Friedrichstraße: Pflanzen oder Podeste statt Parkplätze?