Cengiz Demirci ist Parkmanager im Görlitzer Park. Er ist Ansprechpartner sowohl für Anlieger, als auch für Dealer. Eine Zwischenbilanz.

Cengiz Demirci (44) ist Sozialpsychologe und soll den Kreuzbergern ihren Görlitzer Park zurückgeben. Er hat jetzt seinen ersten Sommer in seinem Bauwagen-Büro hinter sich, ist Ansprechpartner für Parkbesucher, für die Initiativen und Dealer. An Ideen und Begeisterung mangelt es Demirci nicht. Dealern versucht er klare Regeln zu setzen und droht ihnen auch mit der Polizei. Aber immer wieder stellt Demirci fest: Viele der Probleme gehen weit über den Park hinaus. Und es geht um mehr als Drogen.

Sie haben jetzt einen Sommer als Parkmanager im Görli hinter sich. Was haben Sie erreicht?

Cengiz Demirci: Ich bin ein ungeduldiger Mensch. Wenn ich hier nach zwei Jahren Bilanz ziehe, will ich etwas geschafft haben. Aber als Parkmanager kann ich nur tätig werden, wenn der Parkrat mich beauftragt. Das läuft noch etwas schleppend. Und wir kämpfen hier ja mit viel größeren Problemen. Wenn hier Flüchtlinge Drogen verkaufen, dann müssen wir uns doch fragen, warum sie das machen. Die kommen hier an, ihr Asylantrag wird abgelehnt – in erster, zweiter, dritter Instanz. Und dann passiert nichts. Sie sind illegal hier, dürfen nicht arbeiten. Wenn wir sie nicht nach Hause schicken können, dann müssen wir ihnen Alternativen bieten. Wenn wir denen eine Arbeitserlaubnis für sechs Monate geben würden, dann wären sofort 80 Prozent der Dealer weg.

Sie sagen, es ist schwierig, den Parkrat zum Handeln zu bewegen. Gleichzeitig fordern Sie politische Veränderungen mit globaler Reichweite?

Das ist doch auch ein lokales Problem. Die sind nun mal hier, im Görli. Man sagt doch: Der Kapitalismus braucht Leute, die risikobereit sind. Diese Leute haben ihr Leben riskiert, um hier herzukommen. Warum nutzen wir ihr Potenzial nicht?

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    Was haben Sie denn nun im Görli erreicht?

    Wir werden einen Hundeauslauf haben und – wenn der Parkrat das abnickt – Tischtennisplatten, ein Basketballfeld und einen Fitnessbereich. Ich habe mich in den ersten vier Monaten mit 80 Initiativen getroffen, viele ins Boot geholt. In einem Lagerraum, der nur teilweise genutzt wird, möchte ich Werkstätten und eine Sozialküche mit afrikanischem Essen ansiedeln. Aber das ist noch in Vorbereitung. Zusammen mit den Parkläufern haben wir uns mit den Dealern hingesetzt, und Abmachungen getroffen. Im Sommer hatten wir eine Zeit lang ein gutes Verhältnis. Sie haben sich an die Regeln gehalten. Das Problem ist: Die sind nur so zwei Monate im Park, dann kommen neue Dealer, und wir fangen von vorne an.

    Wie sehen die Regeln aus?

    Zum Beispiel, dass sie sich an engen Durchgängen nicht auf beiden Seiten aufstellen und ein Spalier bilden. Keine Kinder und Jugendlichen anquatschen. Besonders wichtig: keine Frauen anmachen. Und die Ansprache soll generell nicht so aggressiv sein. Wir haben ihnen auch gedroht: Wenn ihr euch nicht an die Regeln haltet, werden wir permanent die Polizei rufen. Das hat gewirkt. Mein Ziel ist es aber, die Politik dazu zu bringen, Auswege für die Dealer zu schaffen.

    Wie soll das gehen?

    Indem wir ihnen Weiterbildungen anbieten. In der Zeit sollen sie auch Geld bekommen. Sonst werden sie wieder auf die Straße gehen. Sie sollen eine Ausbildung bekommen, Deutsch lernen, damit sie schneller integriert werden. Ob sie dann bleiben können, das können wir nicht hier im Görli entscheiden. Aber auch wenn sie zurückgehen müssen: Elektriker oder IT-Leute brauchen sie auch in Afrika.

    Es ist bestimmt gut, den Leuten eine Chance zu geben. Aber wenn alle zwei Monate neue Dealer nachrücken, klingt das nach Sisyphusarbeit.

    Der Görlitzer Park ist nur ein Abbild der Fehler, die über Jahrzehnte in der Asyl- und Drogenpolitik gemacht werden. Ich werde das hier nicht alles lösen können. Aber ich kann darauf hinweisen, die Politiker zum Handeln bewegen. Wir müssen uns doch auch fragen, was zuerst da war: Angebot oder Nachfrage? Die verkaufen ja keine iPhones hier. Das ist Gras, und keiner hat Werbung dafür gemacht, dass es im Görli das beste Gras gibt. Wenn Berlin sich ein Image als geilste Partystadt der Welt aufgebaut hat, in der man 24 Stunden am Stück Party machen kann, dann zieht das Partyleute an. Und Partyleute sind immer drogenaffin. Wenn man es so sieht, stillen die Dealer nur eine Nachfrage, die wir geschaffen haben. Wir tun so, als wären die Afrikaner hier das Hauptpro­blem. Aber wenn wir ehrlich sind, dann haben doch die Kunden, wir Europäer, wir Berliner ein Drogenproblem.

    Das Ziel der neuen Strategie hier im Park ist es, den Anwohnern den Görli zurückzugeben. Ist das gelungen?

    Ja. Es gibt auch Kritiker, aber hier kommen am Tag mindestens drei Leute vorbei und bedanken sich, sagen, dass sie sich besser im Park fühlen. Und darum geht es, um ein besseres Gefühl. Und die Kriminalitätsstatistiken sind ja auch runtergegangen.

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      Verstehen Sie die Leute, die immer noch Angst haben, durch den Park zu laufen?

      Natürlich. Das verstehen aber auch die Afrikaner. Wenn ich sie frage: Würdest du deine Frau in einen Park schicken, in der ihr auf zehn Metern 30 Mal Drogen angeboten werden? Nein. Wir müssen alle empathischer werden. Auch wir Deutschen. Wir müssen uns fragen: Was würden wir tun, an ihrer Stelle? Wenn du Hunger hast, wirst du einen Weg finden, um Essen zu holen. Und es machen ja nicht nur die Dealer Probleme. Hundebesitzer lassen hier ihre Hunde frei laufen. Dass sie damit Kinder gefährden, das kommt ihnen nicht in den Kopf. Die denken nur: Meinem Hund soll es gut gehen. Wir müssen einen Kulturwandel in den Görlitzer Park bringen. Die Leute hier im Kiez müssen sagen: Das ist mein Park, was kann ich machen, damit sich hier alle wohl fühlen? Aber so ein Kulturwandel braucht viel Zeit.

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