Die Bewohner der Otto-Suhr-Siedlung in Kreuzberg protestieren gegen die geplante Modernisierung ihrer Wohnhäuser. Sie befürchten, dass ihre Mieten nach den Umbauarbeiten erheblich steigen werden. Eine 120 Bewohner starke Initiative setzt dabei auch auf politische Unterstützung aus dem Bezirk. Sie hat einen offenen Brief verfasst und will ihn zur Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg am 8. Februar übergeben.
Gefordert wird in dem Schreiben unter anderem ein unabhängiges Gutachten, das einschätzt, was die energetische Modernisierung der Siedlung bringt, sowie ein Beratungsangebot für die Mieter. Man wolle außerdem die Fraktionen um Gespräche bitten, sagt Mieterin Christine Hahn.
Viele Rentner und sozial schwache Familien leben in der Otto-Suhr-Siedlung. Sie entstand in den 50er-und beginnenden 60er-Jahren im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus und gehört mittlerweile zu einem Milieuschutzgebiet. Die Mieten in den Häusern an Alexandrinenstraße, Oranienstraße, Ritterstraße, Kommandantenstraße und Stallschreiberstraße sind derzeit noch vergleichsweise günstig. Ein großer Teil der Bauten gehört seit 2015 der Deutsche Wohnen AG. Die begründet die geplante Sanierung mit dem Verschleiß der Bausubstanz. Er sei an vielen Stellen zu merken, der hohe Energieverbrauch der Gebäude sei zudem nicht mehr zeitgemäß, sagt Deutsche-Wohnen-Sprecher Marko Rosteck.
40 Millionen Euro investiert die Deutsche Wohnen
Das Unternehmen lässt die Fenster austauschen. Fassaden, Geschoss- und Kellerdecken sollen eine Wärmedämmung bekommen. Balkone, Dächer und Aufzüge werden instand gesetzt. Etwa 40 Millionen Euro investiert die Deutsche Wohnen. Rund 1700 Wohnungen sind betroffen. „Der erste Bauabschnitt läuft bereits“, so Sprecher Rosteck. Die gesamte Sanierung solle bis 2019 abgeschlossen sein. Eine Mieterberatung sei während der Bauzeit eingerichtet. Die vom ersten Bauabschnitt betroffenen Bewohner seien informiert worden. Die Mieter aber kritisieren, dass fällige Sanierungen in den Wohnungen, etwa in Küchen oder Bädern, nicht ausgeführt würden.
Mieter Michael Klage stehen die Arbeiten noch bevor. Doch sie beschäftigen ihn seit Monaten. Die Fenster sollen im August oder September dieses Jahres ausgetauscht werden, die Fassadendämmung ist für 2018 vorgesehen. Neue Fenster seien dringend nötig, so Klage. Aber die Wärmedämmung der Fassaden sei nicht erforderlich. Sie treibe nur die Modernisierungskosten in die Höhe.
Klage wohnt seit 47 Jahren in der Siedlung. Arbeiten an Fassaden und Dächern seien erst vor acht Jahren ausgeführt worden, sagt er. Die Mietsteigerung durch die jetzt geplanten Baumaßnahmen hänge auch von der Dauer des Mietvertrages und der Größe der Wohnung ab. Er müsste monatlich etwa 150 Euro mehr an Kaltmiete für die 65 Quadratmeter große Wohnung zahlen als bisher, sagt der 68-Jährige. Viele alte Bewohner der Siedlung könnten sich die steigende Miete nicht leisten und befürchten ausziehen zu müssen. Auch um sie kümmert sich die Mitte 2016 gegründete Mieterinitiative. „Wir tun das auch für die, die zu alt sind oder sich selbst nicht helfen können“, sagt Michael Klage mit Blick auf den Protes.
„Wir wissen, dass die Ankündigung einer Sanierung einen Teil der Mieter verunsichert“, so der Deutsche-Wohnen-Sprecher. „Ein Teil der Arbeiten ist umlagefähig.“ Die Abrechnung erfolge nach Abschluss der Sanierung und sei von den tatsächlichen Kosten abhängig. Bei Begehungen der Wohnungen „besprechen wir mit jedem Mieter dessen individuelle Situation und klären alle Fragen, die ihn bewegen.“ Der erste Bauabschnitt habe gezeigt, dass dies in der Regel ausreiche, um Sorgen und Ängste auszuräumen.
Christine Hahn wohnt seit 26 Jahren in der Siedlung. Die Miete für ihre 46 Quadratmeter große Wohnung würde durch die Modernisierung um etwa 90 Euro steigen, sagt die 57-Jährige. In ihrer Wohnung seien die Fenster bereits im Frühsommer 2016 ausgetauscht worden. Die Arbeiten zur Wärmedämmung der Fassade beginnen noch dieses Jahr. Sie hofft, dass die Milieuschutzverordnung, die seit 2016 gilt, die alteingesessenen Bewohner vor Verdrängung schützt. Michael Klage lebt gern in der Siedlung. Deutsche, türkische und arabische Nachbarn kämen gut miteinander zurecht, erzählt er. „Es geht uns auch um eine soziale Struktur, die hier gewachsen ist.“
Bewohner durch den Protest stärker zusammengewachsen
In den vergangenen Jahren hat sich das Umfeld verändert. Eigentumswohnungen sind bereits in der Nachbarschaft gebaut worden, weitere entstehen unmittelbar neben der Otto-Suhr-Siedlung. Damit werde das Quartier aufgewertet, sagt Christine Hahn. Die Situation sei schwierig, habe aber etwas Positives, meint die Kulturmanagerin. „Die Mieter sind durch den Protest gegen die Modernisierung zusammengewachsen.“
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