Die Refik-Veseli-Schule kooperiert mit der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem - mit großem Erfolg.
Nura und Atilla können sich noch gut an den Besuch in Yad Vashem erinnern. Atilla (16) erzählt vom Garten, in dem die Retter jüdischer Menschen namentlich aufgeführt sind. Nura (15) sagt, dass sie dort mit einer Zeitzeugin gesprochen haben. „Die Frau kam aus der Ukraine und ist während der Nazi-Zeit nach Israel ausgewandert.“ Nura ist in Berlin geboren und gläubige Muslimin, wie sie sagt. Ihre Familie ist palästinensischer Abstammung. Atilla ist türkischer Herkunft. Beide sind Schüler der zehnten Klasse der Kreuzberger Refik-Veseli-Sekundarschule. Zusammen mit einigen Mitschülern haben sie im Jahr 2015 Israel besucht.
Die Schulleiterin der Refik-Veseli-Schule, Ulrike Becker, sagt, dass ihre Schule 2014 einen Kooperationsvertrag mit Yad Vashem abgeschlossen hat. „Unsere Schüler können deshalb kostenlos alle Angebote und Workshops der Gedenkstätte nutzen.“ Initiiert habe diese Zusammenarbeit mit Yad Vashem das Jüdische Museum Berlin. „Die sind auf uns zugekommen, weil sie etwas gegen den Antisemitismus tun wollten, der unter Schülern muslimischer Herkunft oft verbreitet ist“, sagt Becker.
Mit den Reisen nach Israel startete die Kreuzberger Sekundarschule im Jahr 2010. „Seitdem fahren wir alle zwei Jahre dorthin, immer mit Schülern, die unsere Geschichtswerkstatt besuchen“, sagt Ulrike Becker. Finanziert werden diese Reisen vor allem durch die Stiftung Erinnerung, Verantwortung, Zukunft (EVZ), die die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus für kommende Generationen wachhalten will. Es sei zwar jedes Mal ein großer Aufwand, die finanziellen Mittel zu beantragen, zumal man vorher nie genau wisse, ob es auch klappt, sagt Schulleiterin Becker. Es gebe aber fünf sehr engagierte Kollegen, die das immer wieder machen würden.
Anerkennung und Akzeptanz über kulturelle Unterschiede hinweg
Auch die Idee für den Namen der Schule – Refik Veseli war ein albanischer Moslem, der während der Zeit des Nationalsozialismus die jüdische Familie Mandil versteckt und gerettet hatte – wurde 2012 bei einem Besuch in Yad Vashem geboren. „Unsere Schüler haben dort in einem Workshop von Refik Veseli erfahren“, sagt die Schulleiterin. Seine Geschichte habe sie sehr beeindruckt.
„Refik Veseli verkörpert das, was das Ziel unserer Schule ist: zu zeigen, wie Anerkennung und Akzeptanz über kulturelle Unterschiede hinweg gelebt werden können, schon als Jugendlicher“, sagt Becker und nennt erste Erfolge. Die Reisen nach Israel und die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Holocaust hätten wesentlich dazu beigetragen, dass das soziale Klima an ihrer Schule sich verändert habe. „Bei der letzten Schulinspektion haben wir die Bestnote A für unser soziales Klima bekommen.“ Ein riesiger Fortschritt, wenn man bedenke, dass die Schule noch vor wenigen Jahren einen denkbar schlechten Ruf gehabt habe, weil es viele Probleme unter den Schülern verschiedener Herkunft gab.
Mehr Bewerber als Plätze an der Berliner Sekundarschule
Mittlerweile wollen mehr Siebtklässer an der Veseli-Schule lernen, als Plätze vorhanden sind. Auf 69 Plätze haben sich 81 Schüler beworben. „Wir mussten das Losverfahren anwenden“, sagt die Schulleiterin. Inzwischen gebe es auch wieder eine ganz gute Schülermischung. 20 Prozent der jetzigen Siebtklässler seien deutscher Herkunft. Von diesem Sommer an wird die Refik-Veseli-Schule eine gymnasiale Oberstufe anbieten. „Wir richten die Oberstufe zusammen mit der Friedrichshainer Emanuel-Lasker-Sekundarschule ein“, sagt Becker. Sie erwartet einen noch größeren Zulauf.
Nura, Atilla und die anderen Schüler, die 2015 mit in Israel waren, bestätigen, dass inzwischen ein angenehmes Klima an ihrer Schule herrscht. „Es gibt zwar mal kleinere Reibereien, aber das ist doch normal“, sagt Atilla. Jakoub (15) und Youssef (14) – ebenfalls palästinensischer Abstammung – berichten, dass sie sich auch mit den jüngeren Schülern gut verstehen. Und Nura sagt: „Vielleicht sind wir ja diejenigen, die mit dafür sorgen können, dass es Frieden gibt zwischen Israel und Palästina.“ Nura will Schulsozialpädagogin werden und später nach Israel, in das Land ihrer Väter, zurückgehen, um dort zu arbeiten. Der Schule hätte sie viel zu verdanken, sagt sie. Die anderen stimmen ihr zu.