Kein Tag ohne Drogenrazzien im Görlitzer Park, kein Tag ohne Bereitschaftspolizisten, Suchhunde und Scheinwerfer. Berlins Politiker sind rat-, Berlins Polizisten machtlos. Der Berliner Morgenpost liegen jetzt Zahlen vor, die belegen, dass das Rauschgift, das in der Kreuzberger Grünanlage, einem Hauptumschlagplatz für sogenannte weiche Drogen, gedealt wird, größtenteils in Berlin angepflanzt wird. Die Dealer stammen dagegen zumeist aus Afrika.
Aus den Statistiken des Landeskriminalamtes (LKA) geht hervor, dass 20 Prozent der im Jahr 2013 insgesamt 333 ermittelten Dealer aus Gambia stammen, 15 Prozent aus Guinea-Bissau. 12,5 Prozent wurden in Guinea geboren, 11,75 Prozent stammen aus Mali. 7,7 Prozent der angetroffenen Drogenhändler konnte keine Staatsangehörigkeit zugeordnet werden, lediglich vier Prozent sind Deutsche.
Nach Angaben eines szenekundigen Beamten halten gerade die aus Afrika stammenden Dealer fest zusammen und machen gegenüber der Polizei keine Angaben zu ihren Hintermännern und den Verkehrswegen der Drogen. Zwar ist dem LKA bekannt, dass aus Albanien, Spanien, Portugal und den Niederlanden Marihuana vornehmlich auf dem Straßenweg mit Lkw und Pkw gebracht wird, der Großteil werde allerdings in deutschen Indoor-Plantagen gezüchtet.
Dies habe zwei einfache Gründe. Zum einen wird das Risiko einer Entdeckung auf den langen Strecken minimiert. Zum anderen bieten diese Anlagen optimale Bedingungen für die Pflanzenaufzucht. Spezielles Licht, Wasser und Beleuchtung steigern die Qualität der Pflanzen. Deswegen hat sich auch die als THC-Gehalt genannte Wirkstoffintensität verstärkt.
84 Plantagen ausgehoben
Die Polizei unterscheidet zwischen drei Stufen von Anlagen: sogenannte Profiplantagen, in denen mehr als 1000 Pflanzen wachsen, Großplantagen mit 100 bis 1000 Pflanzen sowie Kleinplantagen mit 20 bis 100 Pflanzen. Im vergangenem Jahr konnten die Hauptstadtermittler zwei Profi-, 23 Groß- und 59 Kleinplantagen derartiger Drogengewächshäuser lokalisieren und schließen.
Die Mengen der beschlagnahmten Drogen sind trotz aller Bemühungen überschaubar. So wurden 2013 in Berlin 125 Kilogramm Cannabis-Harz in Plattenform, 296,5 Kilogramm Marihuana – auch Gras genannt – und 11.288 Hanfpflanzen beschlagnahmt. Hinzu kommen 30 Kilogramm Heroin und 15 Kilogramm Kokain.
Für ein Gramm Heroin muss der Konsument je nach Reinheitsgehalt zwischen 20 bis 70 Euro an die Händler zahlen, für Kokain pro Gramm 35 bis 100 Euro. Ein Gramm Haschisch liegt bei fünf bis 20 Euro, Marihuana zwischen fünf und 25 Euro.
Schwieriger Kampf gegen Kokain-Dealer
Der Kampf gegen die Händler von Kokain gestaltet sich einem Beamten nach schwieriger als der gegen die Haschisch-Dealer. „Kokain wird zumeist in Wohnungen verkauft, die Dealer werden auf Empfehlung hin angerufen und liefern den Stoff teilweise direkt nach Hause“, so ein Drogenfahnder.
Die Cannabis-Produkte würden dagegen in der Öffentlichkeit wie Parkanlagen und in U-Bahnen verkauft, wodurch ein Zugriff auf diese organisierten Strukturen leichter sei. Dafür hätten die Beamten mit einem anderen Problem zu kämpfen, nämlich mit dem schwindenden Respekt vor der Staatsmacht. „Früher sind die Dealer wenigstens weggelaufen, wenn sie uns mit der Bereitschaftspolizei haben anrücken sehen. Heute bleiben sie frech stehen und beschimpfen uns als Rassisten, die sie nur wegen ihrer Hautfarbe verfolgen würden.“
Das habe gerade jetzt in der Diskussion um die Drogenproblematik am Görlitzer Park auch Angehörige der linken Szene auf den Plan gerufen. Einige dieser Personen hatten in dieser Woche einen Polizeieinsatz gestört und auch einen Pressefotografen körperlich angegriffen, als er Fotos von der Polizeiaktion gemacht hatte. Die Polizei nahm einen Täter fest, er wurde nach einer erkennungsdienstlichen Behandlung entlassen.
Kaum Haftbefehle
Als Reaktion auf das tägliche Geschehen unter den Augen der Öffentlichkeit hatte Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) in der vergangenen Woche eine Taskforce angekündigt, um der Situation endlich Herr zu werden. Seitdem führen Bereitschaftspolizisten beinahe täglich groß angelegte Razzien mit speziell geschulten Hunden durch, die auch die sogenannten Bunkerverstecke der Dealer finden sollen.
Doch der Frust bei den Beamten der emsig arbeitenden Polizeieinheiten ist allerdings groß, denn nur in den allerwenigsten Fällen werden Haftbefehle gegen die festgenommen Drogenhändler erlassen. Das erklärt sich laut dem Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, Martin Steltner, durch das Untersuchungshaftgesetz. „Die meisten Dealer haben nur sehr geringe Mengen Drogen bei sich, die für einen Haftbefehl nicht ausreichen.“