Wann immer ein neuer Gewaltvorfall an einer Berliner Schule bekannt wird, sind die Rollen der Beteiligten klar verteilt. Rabiate Schüler, die auch vor Übergriffen auf Lehrer nicht zurückschrecken, und Pädagogen, die dieser Entwicklung mehr oder weniger hilflos ausgesetzt sind. Auch der jüngste Fall eines Neunjährigen, der in der vergangenen Woche gleich auf drei Lehrer der Ludwig-Cauer-Grundschule in Charlottenburg losgegangen ist, reiht sich nahtlos in die Endlosliste derartiger Vorkommnisse ein. Doch im Zusammenhang mit diesem Fall werden zunehmend Vorwürfe gegen die Lehrkräfte laut.
Inzwischen ermittelt die Polizei. Die Beamten sind dabei mit völlig widersprüchlichen Angaben der Beteiligten konfrontiert. Der schon seit seiner Einschulung verhaltensauffällige Junge habe massiv den Unterricht gestört. Ein einschreitender Lehrer sei von dem Neunjährigen geohrfeigt worden, später habe der Schüler noch zwei weitere Lehrer attackiert, so die Darstellung der Schule. Der Junge sei von dem Lehrer provoziert worden und habe sich, als er aus dem Klassenraum gezerrt wurde, schwere Verstauchungen zugezogen, gab hingegen die Mutter an und erstattete Anzeige beim Polizeiabschnitt 27.
Es ist nicht die einzige Anzeige gegen Mitglieder des Lehrerkollegiums der Schule, die die zuständige Direktion 2 gerade bearbeitet. Gegen den Direktor der Schule und eine Lehrerein wird bereits seit Monaten ermittelt. Der Lehrerin wird Körperverletzung vorgeworfen, dem Direktor Nötigung und Unterschlagung. Nach Bekanntwerden der Vorgänge um den Neunjährigen meldeten sich mehrere Eltern von Schülern der Ludwig-Cauer-Grundschule bei dieser Zeitung, um über Selbsterlebtes zu berichten.
Was Eltern berichten
Die im Frühjahr 2007 angezeigte Lehrerin (Name ist der Redaktion bekannt) soll Schülern häufiger Ohrfeigen verpasst oder sie an den Haaren gezogen haben. Kindern, die trotz mehrfacher Aufforderung nicht still auf ihren Stühlen sitzen wollten, seien diese zwecks Disziplinierung schon mal weggezogen worden. „Mein Sohn hat mir mehrfach von solchen Vorfällen berichtet. Bekannte, deren Kinder auf die gleiche Schule gehen, haben ähnliche Geschichten zu hören bekommen“, sagt eine Mutter.
Andere Eltern berichteten, besagte Lehrerin habe bereits „erstaunlich oft“ die Schule gewechselt, auch von einem Disziplinarverfahren mit Verhängung einer Geldbuße ist die Rede. Der Schulleiter habe die gegen die Lehrerin erhobenen Vorwürfe stets bestritten, auch eine außerordentliche Elternversammlung sei ohne befriedigendes Ergebnis verlaufen, berichtet der Vater einer Schülerin. Zudem halte der Direktor die Protokolle der Versammlung, die man der Polizei für ihre Ermittlungen übergeben wollte, unter Verschluss, so der Mann.
Weitere Vorwürfe gegen den Direktor: Er habe Schüler, die über Verhaltensweisen der Lehrerin berichtet hatten, einzeln „bearbeitet“, um sie zur Rücknahme ihrer Anschuldigungen zu bringen. Auch mehreren Eltern sei dringend geraten worden, im Interesse ihrer Kinder von Anzeigen und Beschwerden abzusehen.
Ein Polizeisprecher bestätigte am Freitag lediglich, dass es Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit der Ludwig-Cauer-Schule gibt. Ein Ermittler erklärte dazu, es sei „ausgesprochen schwierig“, den Wahrheitsgehalt der Beschuldigungen zu bewerten. Ein Beamter der Senatsbildungsverwaltung gab „inoffiziell“ an, er habe Zweifel an den Darstellungen der Eltern. Eine offizielle Stellungnahme gibt die Schulbehörde dazu nicht. „Zu Disziplinarverfahren geben wir grundsätzlich keine Auskunft gegenüber der Öffentlichkeit“, sagte Anne Rühle, Sprecherin der Bildungsverwaltung.