Traditionsbetrieb hört auf

Zeit für Uhrenwerkstatt in Charlottenburg läuft ab

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Norman Börner
Lioba Bischoff steht in der Werkstatt des Geschäfts in der Pestalozzistraße.

Lioba Bischoff steht in der Werkstatt des Geschäfts in der Pestalozzistraße.

Foto: Maurizio Gambarini / FUNKE Foto Services

43 Jahre verkaufte und reparierte „Uhren Bischoff“ Uhren oder verlieh sie an Serien wie Babylon Berlin. Zum Jahresende ist Schluss.

Berlin.  Wer durch die Tür des Geschäfts mit dem schwarz-weißen Reklameschild aus den Achtzigerjahren tritt, der hört die Sekunden verrinnen. Historische Uhren in allen Größen und Formen ticken um die Wette. Helle Flecken zwischen den Ausstellungsstücken zeigen, dass manche Lücken erst vor kurzem entstanden.

Die 67-Jährige Frau hinter dem Tresen trägt einen beigefarbenen Rollkragenpullover. Sie bietet allen Gästen ein Glas Wasser an und fragt, ob es sie störe, wenn sie rauche. Dann lässt sie sich auf einen Stuhl in der benachbarten Werkstatt fallen, atmet durch und zündet sich eine Zigarette an. „Die brauche ich jetzt.“

Großer Ansturm nach Bekanntwerden der Schließung

Seit bekannt geworden ist, dass Uhren Bischoff, eine Fachwerkstatt für alte und antike Uhren in Charlottenburg, Ende des Jahres schließen wird, ist der Ansturm groß. Viele Menschen bringen panisch kostbare Erbstücke vorbei, die nicht mehr funktionieren. Aber auch Kunden, die irgendwann mal ihre Uhr abgegeben und nie wieder abgeholt haben, seien aufgeschreckt worden. „Es gibt Uhren, die sind seit den Achtzigerjahren bei uns“, sagt die Ex-Frau des 2019 verstorbenen Uhrmachermeisters Friedrich Bischoff.

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All jene, könne sie beruhigen. „Wir sind verpflichtet, die Uhren aufzubewahren.“ Auch Reparaturaufträge nimmt das Geschäft weiter an. Mit dem großen Ausverkauf wolle man erst im April beginnen. Wobei Lioba Bischoff immer noch hoffe, dass sich jemand findet, der das gesamte Inventar zusammen einmal nimmt. Denn alleine im Lager gibt es noch unzählige Uhren, die über die Jahre als Ersatzteilspender hergehalten haben.

Suche nach Nachfolger bleibt erfolglos

Am 1. Januar 1980 eröffnete Friedrich Bischoff in der Droysenstraße sein Geschäft für mechanische Uhren. Acht Jahre später zog er an den Standort in der Pestalozzistraße um. Seine spätere Frau war von Anfang an dabei. Die beiden kannten sich seit Kindertagen aus ihrer gemeinsamen Heimat im Sauerland. „Mein Reich war immer in der Holzwerkstatt“, sagt die gelernte Restauratorin. Aber seit dem Tod ihres Partners, sei sie an allen Ecken des 130 Quadratmeter großen Geschäftes gefordert. Jetzt soll Ende des Jahres Schluss sein.

„Ich hätte mir so sehr gewünscht, dass jemand das Geschäft übernimmt.“ Schließlich habe sich der Laden einen Namen gemacht. Filme und Serien wurden hier gedreht. Die Fernsehserie „Babylon Berlin“ und der Kinofilm „Spencer“ über Lady Diana wurden mit historischen Uhren ausgestattet. Aber die Suche nach einem Nachfolger blieb erfolglos. Viele Uhrmacher würden in die Industrie gehen. Kein Ort, um die Seele des Handwerks zu lernen. „Ich stelle mir die maschinelle Serienfertigung als unheimlich frustrierend vor.“

Mitarbeiter alle älter als 60 Jahre

Aber auch an der Belegschaft seien die Krisen der vergangenen Jahre nicht spurlos vorbei gegangen. Den Mietvertrag, der Ende 2023 ausläuft, hätten sie sowieso nicht verlängert. „Wir sind alle im Rentenalter.“ Frau Mattow, Herr Schwabe, Herr Litta und Herr Larsberg zählt sie auf. Alle zwischen 60 und 70 Jahre alt. Es ist diese Form von förmlicher Anrede mit Geschlecht und Nachname, die trotzdem sehr herzlich klingt. Tochter Laura Bischoff führt das Geschäft seit dem Tod des Vaters offiziell. „Wir sind eine Familie“, so Lioba.

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Zuhause habe sie nur eine einzige tickende Wanduhr. „Ohne das Geräusch könnte ich nicht mehr schlafen.“ Aus dem Inventar des Geschäfts wolle sie kaum etwas mitnehmen. „Materielle Dinge sind mir nicht so wichtig. Der Konsum macht den Planeten kaputt.“ Das erinnert sie an einen Kunden, der seine Quarzuhr nach der Reparatur wieder zurückbrachte. Sie würde 40 Millisekunden daneben liegen. „Ohne Kommentar!“

Eine mechanische Uhr würde vielleicht nicht auf die Sekunde genau gehen, aber sie könne in den meisten Fällen repariert werden. „Alle 15 Jahre ein Tropfen Öl reicht.“ Die Zeit laufe sowieso weiter. Egal, ob eine Uhr steht, läuft, genau ist oder falsch geht. Ob sie viel Geld kostet oder einen großen ideellen Wert hat. Es hänge immer davon ab, was man mit dieser Zeit anstellt. Daher falle es ihr zwar noch schwer, ihren Frieden mit der Entscheidung zu machen. „Aber ich freue mich auch darauf, meinen Ruhestand zu genießen.“

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