Berlin. Es ist eine herbe Niederlage für den Senat und das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf: Ihre Pläne, einen öffentlichen Park neben dem S-Bahnhof Westkreuz zu errichten, sind gescheitert. Am Mittwoch entschied das Landgericht Berlin, dass ihr Vorkaufsrecht rechtswidrig ist. „Das Vorkaufsrecht gilt nicht“, fasste die Richterin die Entscheidung kurz und knapp zusammen. Damit bleibt das Grundstück im Eigentum des privaten Erwerbers. Eine genaue Begründung des Gerichtes steht noch aus.
Bezirk hat zu spät sein Vorkaufsrecht eingereicht
Zur Einordnung: Um das Gelände herrscht ein langer Streit. Es ist mit mehr als 60.000 Quadratmetern die letzte große freie Fläche in der City West. Doch in den vergangenen Jahren verwaiste es zunehmend. Bezirk und Senat wollen auf dem Gelände einen Park errichten, der zu einem öffentlichen Ort der Erholung werden soll.
Doch die Deutsche Bahn, der das Gelände zuletzt gehörte, hatte die dafür gedachten Brachflächen 2018 an den Berliner Immobilienunternehmer Uwe Glien verkauft. Dem Vernehmen nach soll Glien das Areal zu einem Preis von sechs bis 6,5 Millionen Euro erworben haben. Der Bezirk übte 2019 sein Vorkaufsrecht aus – am selben Tag, als der Bebauungsplan ausgelegt wurde. Die Bahn und der Investor klagten dagegen. Das Vorkaufsrecht sei zu spät eingereicht worden.
Uneinigkeit, wann Vorkaufsrecht eingereicht werden muss
„Die Frage ist, ob das Vorkaufsrecht rechtzeitig ausgeübt worden ist“, erklärte die Richterin bereits bei Prozessauftakt. Grundsätzlich gelte, dass das Vorkaufrecht nicht nachträglich eingereicht werden könne.
Rechtsanwalt Jörg Beckmann, der das Land Berlin und den Bezirk vertritt, argumentierte, der Bezirk habe rechtzeitig von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht. Es gebe unterschiedliche Auslegungen der Norm, er vertrete jedoch die Auffassung, dass das Vorkaufsrecht mit der Auslegung des Bebauungsplanes entstehe und somit dann noch eingereicht werden könne.
Der Bebauungsplan ist ein verbindlicher Bauleitplan, in dem die Art und Weise geregelt wird, in der eine Bebauung von Grundstücken möglich ist und die daraus resultierende Nutzung der von einer Bebauung frei zu haltenden Flächen. „Das haben wir zeitlich eingehalten“, so Beckmann. Zudem habe der Bezirk schon damals beim Aufstellungsbeschluss im Jahr 2017 deutlich gemacht, wofür das Grundstück genutzt werden solle.
Anwalt lehnt Parknutzung ab
„Das Vorkaufsrecht hätte vorher eingereicht werden müssen“, erwiderte hingegen Rechtsanwalt Mathias Hellriegel, der beim Prozess Investor Uwe Glien vertritt. „Genau daran fehlt es hier“, fügte er hinzu. Glien selber war bei dem Prozess nicht anwesend. Zwischen dem Aufstellungsbeschluss im Jahr 2017 und dem Kaufvertrag ist mehr als ein Jahr vergangen, in dem der Bezirk das Grundstück hätte kaufen können, argumentierte der Anwalt. Doch das ist nicht passiert.
„Das Landgericht hat jetzt bestätigt, was wir immer gesagt haben“, so Hellriegel. Natürlich stehe dem Land Berlin und dem Bezirk eine Berufung zu. Er würde es jedoch als sinnvoll erachten, die Streitigkeiten jetzt beizulegen. Eine Parknutzung, wie das Land und der Bezirk sie gern hätten, komme für seinen Mandaten jedoch in keinem Fall infrage. „Man wird jetzt schauen müssen, wie man mit dem Grundstück weiter verfährt“, sagte Hellriegel. Der Investor äußert sich zwar nicht öffentlich, es wird aber vermutet, dass er hier Wohnungen plant.
Stadtrat weist Wohnbebauung ab
Fabian Schmitz-Grethlein (SPD), Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung, äußerte sich enttäuscht über das Gerichtsurteil. „Wir schauen uns die Gründe in jedem Fall jetzt genau an und entscheiden dann, ob wir in Berufung gehen“, kündigte er an. Das Interesse des Bezirkes habe er klar artikuliert. „Wir wollen die Fläche so grün wie möglich entwickeln“, so Schmitz-Grethlein. Das sei seiner Meinung nach dringend notwendig. „Doch da wurde uns jetzt erst mal ein Stoppschild gesetzt.“
Wohnbebauung, wie der Investor sie plant, sehe er auf dem Grundstück in jedem Fall nicht. „Dafür bräuchte er Baurecht, was der Bezirk aktiv schaffen müsste“, so der Stadtrat. Das werde jedoch nicht passieren. „Ich sehe da in den nächsten zehn Jahren keine Bebauung“, sagte er. Der Bezirk brauche zwar dringend Wohnungsbau, jedoch nicht an dieser ohnehin schon dicht versiegelten Gegend.
Die Frage ist jetzt, was mit der Fläche passiert. Das Dreiecksverhältnis zwischen Bezirk, Deutsche Bahn und Investor mache die Angelegenheit zudem komplizierter. Doch von der Gegenseite habe er wenig Einigungsbereitschaft wahrgenommen, so Schmitz-Grethlein. Was jedoch möglich sein könnte, wäre eine bahnbezogene Bebauung wie etwa eine Waschanlage.