Pannen bei der Berlinwahl

Bezirk verteidigt Schätzung der Wahlstimmen

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Vielerorts in Berlin müssen die Stimmen neu ausgezählt werden, wie hier in Pankow.

Vielerorts in Berlin müssen die Stimmen neu ausgezählt werden, wie hier in Pankow.

Foto: Christophe Gateau / dpa

In Charlottenburg-Wilmersdorf wurde das Ergebnis in 22 Wahllokalen nur geschätzt. Spätestens morgen sollen die Ergebnisse vorliegen.

Berlin. Im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf sollen bis spätestens Freitag die Wahlergebnisse aller Stimmbezirke überprüft werden. Das teilte das Bezirksamt am Donnerstag mit. „Wenn dies für alle Wahlen, also auch für die Abgeordnetenhauswahl sowie die Bundestagswahl, erfolgt ist, wird das bezirkliche Endergebnis am 8. Oktober vom bezirklichen Wahlausschuss festgestellt“, sagte Bezirksamtssprecherin Carolin Brühl.

In Charlottenburg-Wilmersdorf hatte es wie auch andernorts in Berlin am Sonntag Ungereimtheiten gegeben. So wurde etwa am Donnerstag bekannt, dass die Ergebnisse zur Wahl der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) aus 22 Wahllokalen exakt übereinstimmen, da sie nicht ausgezählt sondern lediglich geschätzt wurden. Das räumte Bezirkswahlleiter Felix Lauckner gegenüber dem „RBB“ ein. Grund sei demnach, dass einzelne Wahlvorstände in der Wahlnacht keine abschließenden Ergebnisse gemeldet hätten.

Schätzung laut Bezirksamt Teil eines vorgesehenen Verfahrens

Man verstehe die Aufregung um die „Schätzung“, die bei Wahlen allerdings nicht unüblich und Teil eines vorgesehenen Verfahrens sei, so Brühl weiter. „Nach der Auszählung schicken die Wahlvorstände ihre Ergebnisse telefonisch oder per Fax sukzessive an die Datenerfassung des Bezirks.“ Bei allen Wahlen könne es dabei zu Problemen oder „einem Ausbleiben der sogenannten Schnellmeldung kommen“. Dann würde man zunächst versuchen, die Wahlvorstände zu kontaktieren.

Scheitere dies, würde man anhand der vorliegenden Wahlunterlagen das Ergebnis ermitteln. „Sollte diese Prüfung nicht zum Ziel führen, ist es erforderlich, eine Schätzung auf Basis des bis dahin Ermittelten abzugeben, damit die Landeswahlleitung ein vorläufiges Ergebnis feststellen kann“, sagt Brühl. Das tatsächliche Ergebnis werde im Nachgang auf Grundlage der Unterlagen nachgefasst.

Nach Schätzung: 22 Mal 360 gültige und 40 ungültige Stimmen

Zu den 22 betroffenen Wahllokalen gehören unter anderem eines in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, in der Schaubühne am Lehniner Platz, in mehreren Schulen, im Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten, in der Investitionsbank Berlin und der Deutschen Rentenversicherung sowie mehrere Briefwahlbezirke, die in der Messe ausgezählt wurden. Sie weisen allesamt exakt 400 abgegebenen Stimmen auf, von denen 360 als gültig und 40 als ungültig gewertet wurden.

Von den gültigen Stimmen entfielen in allen Fällen 98 auf die Grünen, 88 auf die SPD, 87 auf die CDU, 39 auf die FDP, 30 auf die Linke und 18 auf die AfD. Alle übrigen Bewerber wurden von niemandem gewählt. Einzig die Zahl der Wahlberechtigten schwankt zwischen 0 in den Briefwahllokalen und 1508.

FDP-Fraktion schließt „personelle Konsequenzen im Bezirksamt nicht aus“

Harsche Kritik kommt von der FDP-Fraktion in der BVV. „Das Bezirksamt war ganz offensichtlich nicht in der Lage, die Demokratie in unserem Bezirk zu organisieren“, sagte Fraktionschef Felix Recke. Dies müsse „intensiv aufgearbeitet“ werden, wozu die Liberalen eine Sondersitzung des Ausschusses für Bürgerdienste in der kommenden Woche beantragt hätten. Der Verweis auf die Landesebene reiche nicht. „Wir schließen derzeit auch personelle Konsequenzen im Bezirksamt nicht aus.“

Falsche oder fehlende Wahlzettel und Verzögerungen beim Nachschub könnten Wählerinnen und Wähler von der Stimmabgabe abgehalten haben, so Recke weiter. Dies weist das Bezirksamt zurück. „Nach derzeitigen Erkenntnissen gehen wir aber dennoch davon aus, dass eine Stimmabgabe, wenn auch in manchen Fällen unter zeitlicher Verzögerung, möglich gewesen ist“, sagte Sprecherin Brühl.

Bezirk erklärt Nachschubprobleme mit dem Verkehrsaufkommen

Die Fahrer, die den Nachschub an Stimmzetteln zu den einzelnen Wahllokalen bringen sollten, seien am Sonntag „erschwert durch den Verkehr“ gekommen, so Brühl weiter. Dies sei insbesondere in den Teilen des Bezirks der Fall gewesen, die nur über die Autobahn erreichbar sind – „aber nicht nur“. Auch dass man zuvor aufgrund des Marathons dezentrale Depots angelegt habe, hätte daran nichts geändert. „Insgesamt bedauern wir es dennoch sehr, dass Wahlberechtigte teilweise längeren Wartezeiten ausgesetzt waren.“