Berlin. Thomas Bintig ist ein Mensch, der für alle immer ein offenes Ohr und ein paar nette Worte übrig hat. Ein Mensch, der immer eine gute Geschichte zu erzählen weiß. Jeden Nachmittag unterhalb der Woche sitzt Bintig an der Pforte der Universität der Künste (UdK) am Standort Einsteinufer. Er arbeitet seit vier Jahren an der Kunsthochschule und hat sich zu einer Institution der Universität entwickelt.
Mit Thomas Bintig kann man stundenlang über Gott und die Welt reden. Und es scheint als würde er auch Gott und die Welt kennen, zumindest in dem kleinen Kosmos der Universität. „Ich bin bekannt wie ein bunter Hund“, sagt Bintig und lächelt stolz. Bei ihm bleibt man gerne mal stehen, redet ein paar Minuten mit ihm und vergisst den Stress. Bintig ist Pförtner, Kummerkasten und Therapeut, alles in einem. „Bei mir in den vier Jahren haben nicht nur Studenten hier gestanden und geweint, sondern gelegentlich auch Angestellte“, erzählt er.
Zum Instagram-Account von Thomas Bintig
Am Anfang seiner Porträtreihe stand ein Zufall
Auch Alessandra Weber kann nichts vor dem Pförtner verheimlichen. Sie studiert Philosophie an der Humboldt-Universität und arbeitet nebenbei als Tutorin an der UdK. „Er weiß immer jeden Tag wie ich drauf bin“, sagt sie.
Vor elf Monaten hat Bintig auf dem sozialen Netzwerk Instagram ein Profil erstellt, auf dem er die verschiedensten Menschen der Universität porträtiert: Dozenten, Angestellte und Studenten. Zu jedem Foto schreibt Bintig noch einen kleinen Text gespickt mit Informationen über den Werdegang, die Hobbys und Vorlieben des Porträtierten. „Ich möchte damit Menschen miteinander verbinden“, erklärt Bintig.
Alles fing an mit einem Zeitungsartikel über Bintig und einen Studenten der Kunsthochschule. Als der Beitrag erschien, legte Bintig einige Exemplare an seiner Pforte aus. Wie der Zufall es wollte, wurde auf derselben Zeitungsseite ein Artikel über eine Tänzerin der UdK veröffentlicht. „Wir waren beide baff“, erinnert sich Bintig. Zur Erinnerung knipste er ein Foto von der Studentin mit dem Artikel in den Händen an seiner Pforte.
Bintig wollte seinen neuen Bekanntheitsgrad sinnvoll nutzen und dachte lange darüber nach, wie er dies umsetzen könnte. Er entwickelte ein Konzept und bat Ulrike Prechtl-Fröhlich, die Kanzlerin der Universität, sich ebenfalls von ihm porträtieren zu lassen. Frau Prechtl-Fröhlich willigte ein und Bintig veröffentlichte ein Foto von ihr mit einem kleinen Text. Seitdem folgten knapp vierzig weitere Porträts von Studenten und Mitarbeitern der Universität. Auch ein Foto vom DJ WestBam ist darunter, auf das ist Thomas Bintig besonders stolz. „Das war ein Blumenstrauß für mich ohne Blumen“, sagt er.
Auch Alessandra Weber hat Bintig schon für seinen Instagram-Account porträtiert. „Ich finde das ganz toll. Man kann dadurch auch die anderen ein bisschen kennenlernen“, sagt sie. „Es ist originell und gut gemacht.“
Wenn Thomas Bintig über die Erfolge seiner Studenten spricht, kann er seine Begeisterung nicht zurückhalten. Er gerät ins Schwärmen, fast so als wäre das ein bisschen auch sein eigener Erfolg. Seine Erzählungen folgen keiner klaren linearen Linie, immer wieder fallen ihm neue Gedanken und Geschichten ein, er zeigt Fotos auf seinem Handy, von seinen Pflanzen auf den Balkon oder der letzten Ausstellung.
Heute laufen bis zu 250 Menschen täglich an seiner Pforte vorbei
An der Pforte am Einsteinufer kann man Stunden verbringen, hier wird es nie langweilig. Thomas Bintig liebt seinen Job und ist mit vollem Herzblut dabei. Er scheint immer gut gelaunt zu sein. Doch er kann auch die leisen, sentimentalen Töne anschlagen, beispielsweise, wenn er von seiner Zeit als Soldat in Hagenow erzählt. „Ich habe gesagt, ich möchte bloß nicht an die Grenze und jemanden erschießen müssen“, sagt der 60-Jährige. 542 Tage war er dann in Hagenow stationiert. Er erinnert sich so genau an die Zahl, denn „jeder Tag war Knast“.
Heute laufen bis zu 250 Menschen täglich an seiner Pforte vorbei. 45 von ihnen hat er inzwischen auf seinem Instagram-Account verewigt. Und weitere sollen noch folgen.
Als Bintig vor vier Jahren zum ersten Mal das Gebäude der Universität am Einsteinufer betrat, fiel ihm zuerst ein Spruch auf einem Teppich im Eingangsbereich auf. „Wichtig ist, dass man niemals aufhört zu fragen“, steht dort das Zitat von Albert Einstein. „Dieser Spruch verfolgt mich heute noch“, sagt Bintig. „Das ist auch mein Motto, mit einem Zusatz: Redet miteinander, dann könnt ihr was bewegen.“