Wilmersdorf. Wie ein gallisches Dorf steht der Gebäudekomplex an der Ecke Pariser und Emser Straße am Rand des sonst so properen Ludwigkirchplatzes. Seit Jahrzehnten wurde kaum mehr etwas an den Häusern aus dem Jahr 1926 renoviert. An den tristen Fassaden zur Emser Straße hin sind noch Einschusslöcher aus dem Zweiten Weltkrieg zu sehen. Jahrelang war das Haus Spielball diverser Eigentümer. Rund vierzig Wohnungen wurden zwar vollkommen entkernt, doch sie stehen seit langer Zeit leer. Passiert ist seither nichts mehr. Ein unzumutbarer Zustand für die Mieter, die geblieben sind, und ein Ärgernis für den Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf, in dem Wohnraum händeringend gesucht wird.
Berliner Projektentwickler will das Haus sanieren und aufstocken
Die Primus Immobilien AG hat hat den Block im Herbst 2018 gekauft und ist seit dem Frühjahr nun als neuer Eigentümer eingetragen. Der mittelständische Berliner Projektentwickler will das Gebäude sanieren und hat dafür bereits alle erforderlichen Genehmigungen. Seine Pläne hat er dennoch am Mittwoch im bezirklichen Bauausschuss vorgestellt. „Es ist geplant, das bestehende Wohn- und Geschäftshaus aus dem Jahr 1926 zu modernisieren sowie um zwei Geschosse aufzustocken“, erklärte Primus-Vorstandsmitglied Sebastian Fischer. Dabei sollen die Gebäude zu reinen Wohnhäusern umgewandelt werden. Künftig würde es dort 75 Wohnungen mit einer Durchschnittsgröße von 69 Quadratmetern geben – 42 Zwei-Zimmer-Wohnungen, 27 Drei-Zimmer-Wohnungen sowie sechs Fünf-Zimmer-Wohnungen. Entstehen soll zudem eine Tiefgarage für 15 Autos. Man wolle die allgemeinen Wohnverhältnisse aufwerten, jede Wohnung bekomme einen Balkon, die Gartenanlagen werden neu gestaltet und die Optik der Häuser im Stil der 20er-Jahre wieder hergestellt, sagte Fischer. Daneben müssten in den Häusern auch die aktuellen Anforderungen der Energieeinsparverordnung umgesetzt werden. Wegen der Dachaufstockung sollen Fischer zufolge gläserne Aufzüge im Innenbereich der Anlage angebracht werden.
Investor will Bestandsmieter „mitnehmen“
Die Bestandsmieter sollen nach den Worten des Primus-Vorstands während der rund zweijährigen Umbauphase „mitgenommen“ werden. Eine Mitarbeiter des Unternehmens sei mit allen Mietparteien in Kontakt direkt in Kontakt getreten oder mit deren Vertretern wie dem Berliner Mieterverein im Gespräch. Wer in seiner Wohnung bleiben wolle, könne bleiben, „Kauf bricht nicht Miete“, versicherte Fischer. Während der Sanierungsphase werde den Mietern für die Dauer der Bauarbeiten eine Ersatzwohnung im Quartier angeboten. Die anfallenden Umzugs- oder Lagerkosten werde die Primus übernehmen, so der Bauherr. „Sollten Bestandsmieter nicht in der Lage sein, die höhere Miete für ihre Wohnung zu tragen, werden wir uns zusammensetzen und individuelle Lösungen erarbeiten“, sagte Fischer.
Bauherr bietet dem Bezirk Kita mit 15 Plätzen an
Als besonderes Schmankerl will die Primus dem Bezirk die Nutzung von drei Wohnungen mit insgesamt 193 Quadratmetern im Erdgeschoss des Seitenhofes für eine Kita mit 15 Plätze anbieten. „Wir müssen das nicht, wir wissen aber als Berliner Unternehmen um den Mangel in diesem Bereich und sehen uns da auch in einer Verantwortung“, sagte Fischer. Die Planung dafür sei unter Beachtung der Empfehlungen und in Abstimmung der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie erfolgt. Die Außenspielflächen des Seitenhofes könnten von der Kita mitgenutzt werden. Angeboten würden die Räume dem Bezirk langfristig zu einer Nettokaltmiete von 6,50 Euro pro Quadratmeter. Habe der Bezirk keinen Bedarf für eine Kita, könne er die Räume beispielsweise auch für einen Nachbarschaftstreff nutzen, so Fischer.
FDP mahnt mehr Fantasie an
SPD und Linke im Aussschuss haben dennoch Probleme mit dem Projekt. „Wir fordern den Schutz der Bestandsmieter und wollen lieber drei Wohnungen zu einer Miete von 6,50 Euro pro Quadratmeter als eine Kita, die sich wegen ihrer Größe sowieso nicht wirtschaftlich betreiben lässt“, sagte der SPD-Bezirksverordnete Wolfgang Tillinger. Auch Annetta Juckel von der Linken monierte: „Die Wirtschaftlichkeit einer solchen Kita ist in Frage zu stellen. Es reicht uns auch nicht als Zuckerle, wir wollen jetzt erst einmal konkrete Zahlen sehen.“ Juckel forderte zudem, dass der Mietzins der Bestandsmieter nach der Sanierung 30 Prozent des Nettoeinkommens nicht überschreitet dürfe. Auch die Grünen zeigen sich skeptisch: „Wir hätten gehofft, es würde nicht gleich alles mit Preistreibern wie Balkonen und Aufzügen luxussaniert und ein Teil der Wohnungen wäre im bezahlbaren Segment geblieben“, sagte der Verordnete Ansgar Gusy. Die Kita sei da nur ein kleiner Trost.
Den Bestandsmietern sieht sich auch die CDU verpflichtet, doch der Bezirksverordnete Joachim Fenske begrüßte die Bereitschaft des Investors, eine Kita einzurichten. Die sei dringend erforderlich. „Vielleicht hat ja die katholische Kita St.-Ludwig Interesse daran, die kleine Kita als Außenstelle zu betreiben“, sagte er. Auch die FDP mahnte mehr Fantasie von Seiten des Bezirks an. „Wenn es nicht klappt mit einer Kita, gibt es allemal Bedarf für eine andere dem Gemeinwohl dienende Nutzung“, sagte Fraktionschef Felix Recke.