Breitscheidplatz

Darum stehen immer noch Stahlkörbe und "Truckblocker"

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Uta Keseling
Fahrzeugsperren sichern den Breitscheidplatz und die Gedächtniskirche.

Fahrzeugsperren sichern den Breitscheidplatz und die Gedächtniskirche.

Foto: Maurizio Gambarini

Die massiven Absperrungen am Breitscheidplatz verunsichern Touristen. Hoteliers fordern Veränderungen.

Poller, Absperrungen, Rampen, Sandsäcke: Gewöhnt habe er sich noch nicht an den Anblick, den der Breitscheidplatz seit Ostern wieder bietet, sagt Michael Frenzel, General Manager des Hotel Palace Berlin. Sein Haus liegt direkt am Platz. „Man fühlt sich schon wieder so eingekesselt.“

Seit Ostern bestimmt „Sicherheit“ wieder das Bild rund um die Gedächtniskirche. Genauer: dieselben Poller und Sperren, die schon den vergangenen Weihnachtsmarkt schützen sollten – und die schon damals für reichlich Irritation sorgten. Brusthohe Stahlkörbe dicht an dicht entlang der Budapester Straße und am Kurfürstendamm. Massive „Truckblocker“ mit schwarz-gelben Pollern an allen Zufahrten. Dazwischen irren Touristen hin und her. Schulklassen nutzen die Poller als Klettergelegenheit, eine Gruppe Chinesen macht Selfies, ein älteres Ehepaar zieht seine Rollkoffer über die Rampen und sucht Schilder mit Informationen dazu, was auf dem Breitscheidplatz eigentlich los ist. „Ist etwas passiert?“, fragen sie schließlich zwei Streifenpolizisten.

Die Sperren sollen Lastwagen daran hindern, auf den Platz zu fahren. So wie am 19. Dezember 2016, als zwölf Menschen beim bisher schwersten islamistischen Anschlag in Deutschland starben. Viele Besucher, besonders aus dem Ausland, sagt Hotelier Frenzel, fühlten sich durch die Sicherheitsmaßnahmen zwar geschützt. „Aber viele schließen daraus auch, dass es eine neue, aktuelle Bedrohungslage für den Platz gibt.“ Statt ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln, bewirke die „Festung“ am Breitscheidplatz das genaue Gegenteil. „Immer wieder wird unser Personal im Hotel danach gefragt“, sagt Frenzel.

„Überfahrschutz“ soll mindestens bis 2020 bleiben

Auch, wenn dann erklärt werde, dass es sich bei den Maßnahmen nur um ein Pilotprojekt handele, bleibe Misstrauen. „Schließlich fällt gerade Touristen schnell auf, dass kein anderer wichtiger Ort in Berlin auf diese auffällige Weise gesichert ist wie hier.“

Die größten Anlieger des Platzes fordern nun von den Verantwortlichen eine Modifizierung der Sperrmaßnahmen. „Es ist unseren Gästen kaum zu vermitteln, warum der Breitscheidplatz derart massiv aufgerüstet wurde, während andere Plätze mit wesentlich höheren Besucherzahlen gar nicht oder nur mit einer Basisversion gesichert werden“, heißt es in dem Schreiben im Namen der Hotels 25hours, Waldorf Astoria, Motel One Upper West, Palace und der Shoppingmall Bikini Berlin, das der Berliner Morgenpost vorliegt.

Natürlich sei ihm die Sicherheit am Platz wichtig, betont Michael Frenzel. Doch seit bekannt ist, dass die Absperrungen mindestens bis Anfang 2020 bleiben sollen, „sagen uns Veranstalter ab, die ihren Gästen eine auf diese Weise abgesperrte Zone nicht zumuten wollen“.

Anlieger ärgern sich über Kommunikation der Behörden

Verärgert sind Anlieger auch über die Kommunikation der Behörden. Nachdem das „Sicherheitsbollwerk“ beim Weihnachtsmarkt 2018 erhebliche logistische und wirtschaftlich relevante Probleme für die Anlieger mit sich brachte, sei ein großer Runder Tisch mit allen Beteiligten einberufen worden – unter anderem auch mit der AG City, die rund 500 Gewerbetreibende der City West vertritt. Dennoch sei die AG City erst sehr spät vom erneuten Aufbau der Sperrungen informiert worden. Dass diese das ganze Jahr über bleiben sollen, „haben wir wieder nur aus der Presse erfahren“, sagt Frenzel.

Verantwortlich für die Sicherheitssperren ist die Senatsinnenverwaltung. Im November letzten Jahres hatte sie das 2,5 Millionen Euro teure „Pilotprojekt zum Schutz von Straßen und Plätzen“ am Breitscheidplatz vorgestellt. Nach dem Attentat solle untersucht werden, „wie öffentliche Räume wirksam geschützt werden können“, hatte Innensenator Andreas Geisel (SPD) damals gesagt. Die Sperren pries er in einer Erklärung als „einzigartigen Zufahrtsschutz mit zertifizierten, temporären Sperrmitteln“. Und fügte hinzu: „Wir müssen kontinuierlich lernen und Erfahrungen machen.“

„Gut gemeinte, aber schlecht gemachte Maßnahmen“

Beteiligt an dem Projekt ist neben Innenverwaltung, Polizei und Feuerwehr auch der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. Dort heißt es, man könne zwar „die Unzufriedenheit der Hotels grundsätzlich verstehen“, so Wirtschaftsstadtrat Arne Herz (CDU). Aber die Sicherungsmaßnahmen lägen in Verantwortung der Senatsinnenverwaltung. „Die Besorgnis der Gewerbetreibenden ist berechtigt“, sagt auch Felix Recke, Vorsitzender der FDP-Fraktion in der BVV. Berlin lebe von seinem hart errungenen Freiheitsgefühl – „das darf man nicht durch gut gemeinte, aber schlecht gemachte Maßnahmen preisgeben.“

Welches Bild Berlin und sein Anti-Terror-Bollwerk nach außen abgeben, wird sich spätestens im Herbst zeigen, wenn auch am Breitscheidplatz an den 30. Jahrestag des Mauerfalls erinnert wird. Die „Route der Revolution“ führt dann direkt vorbei an den „temporären“ Sperren aus Stahl und Beton.