Wilmersdorf. Zum Statement des Grünen-Bürgerdeputierten Uwe Szelag erreicht uns auch ein Leserbrief der Initiative für den Erhalt des Stadtgrüns.

Der Leserbrief des Herrn Szelag trifft bei uns auf pures Entsetzen. Sollte die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen seiner Meinung folgen, hieße das nicht nur, dass selbst die Grünen jetzt das Grün im Bezirk vergessen, obwohl sie bisher über Jahre der letzten Wiese in Schmargendorf die Treue hielten.

Als die Kleingartenkolonie Oeynhausen zur Bebauung freigegeben wurde, argumentierte der damalige von Rot-Grün gestützte Stadtrat ganz ähnlich. Klagen könne man verlieren, Schadenersatz in Millionenhöhe drohe. Ernst genommen hat das außer diesen beiden Fraktionen kaum jemand. So gewann am Schluss nicht das Grün der Stadt, nicht der in einem Bürgerbegehren (!) manifestierte Wille der Bevölkerung, sondern ein Investor.

Natürlich, Berlin braucht Wohnungen, bezahlbare dazu! Berlin wächst nicht aus sich heraus, sondern weil über Jahre Menschen in die Stadt gelockt wurden. Berliner lieben ihre Grünflächen und wissen, dass es in Charlottenburg-Wilmersdorf die zweitschlechteste (!) Grünversorgung pro Einwohner gibt. Was nützt es der Stadt zu wachsen, aber dafür ihr Grün zu verlieren? Das städtische Grün gehört zum Tafelsilber dieser Stadt!

Ob Herr Szelag auch im letzten Sommer diese Meinung geäußert hätte? Berlin und Brandenburg waren in diesem Jahr die heißesten Bundesländer. Es gab fast doppelt so viele medizinisch relevante Wärme-und Hitzetage wie in normalen Jahren (55 statt normal 30). Während der Ortsteil Schmargendorf bereits heute rund um die Schlangenbader Straße im Sommer eine Hitze-Insel war, lebte es sich im grünen Ortsteil Grunewald noch ganz angenehm. Der Klimawandel, der, nicht nur nach Ansicht der Grünen, Berlin bereits fest in seinem Griff hat, erfordert mehr, nicht weniger Grün- und damit Freiflächen zur Kühlung der Stadt!

Der Deutsche Städtetag sagt: „Klimagerechte Freiflächenentwicklung auf regionaler, gesamtstädtischer und Quartiersebene geht über den Schutz vorhandener klimarelevanter Freiräume hinaus und strebt eine quantitative und qualitative Verbesserung der Resilienz ( Widerstandsfähigkeit ) einer Stadt(region) gegenüber den Folgen des Klimawandels an.“ Zugegeben, diese Aussage traf der Deutsche Städtetag weit nach Herrn Szelags Zeit als Baustadtrat. Bereits weit vor Erreichen der Frist hatten wir 2016 für das Bürgerbegehren mehr als die erforderliche Zahl an Unterschriften. Das Bürgerbegehren für den Erhalt der Grünflächen wurde dann im Sommer 2016 mit schwarz-grüner Mehrheit gegen die Stimmen der SPD in der BVV übernommen, ist also gültig!

Wenn jetzt, keine drei Jahre später, vielleicht mit Hilfe der Grünen eine Mehrheit für die Bebauung der Cornelsenwiese gefunden sein sollte, stimmt diese BVV gegen ihre eigenen Beschlüsse. In Zeiten, in denen dieses Land und diese Stadt mehr als je zuvor verlässliche Politik braucht, um Vertrauen in die Politik wiederherzustellen, wäre das für große Teile der betroffenen Bevölkerung ein weiterer Beweis, wie viel Verlass auf Politiker und deren Aussagen und Beschlüsse ist.

Die AfD hat sich im Frühjahr ihrer Stimme zur Cornelsenwiese enthalten. Es ist natürlich das Recht eines jeden, keine Meinung zu haben. Umso wichtiger ist es, dass alle übrigen Parteien jetzt nicht nur an das Grün im Bezirk denken, sondern auch daran, wie viel ihre Aussagen wert sein sollen. Wer im Frühjahr "hü" sagt, sollte sich nicht wundern, wenn er im Herbst eine Missernte einfährt, weil er plötzlich "hott" gesagt hat!

Schon vor hundert Jahren war man allerdings fortschrittlicher: "Grünflächen, die für die große Masse der Stadtbevölkerung nur mit den größten Opfern an Zeit und Geld zu erreichen sind, haben nur statistischen Wert“ (Martin Wagner, (1885 – 1957), Berliner Stadtbaurat)

Es geht hier zunächst um Kinder, Behinderte und alte Menschen, denen nicht zuzumuten ist, bei einem Bedürfnis nach Grün fortan in den Grunewald fahren zu müssen. Es wird sich zeigen, ob die Politik im Bezirk den Investoren näher steht als der Bevölkerung, deren Angestellter doch jeder Politiker letztendlich ist. Der Schaden wäre nicht nur ökologischer, sondern auch politischer Natur!

Christine Wußmann-Nergiz und Heinz Murken, die von den Initiatoren des Bürgerbegehrens gewählten Vertrauensleute

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