Schmargendorf. ...meint Uwe Szelag, Ex-Baustadtrat von Wilmersdorf und seit 2016 Bürgerdeputierter der Grünen im bezirklichen Bauausschuss. Ein Leserbrief:
Als Bürgerdeputierter und früherer Baustadtrat (1989–1992, Anm. d. Red.) habe ich großes Verständnis für den Wunsch von Anwohnern, zusammenhängendes Grün zu erhalten. Man muss jedoch auch sehen, dass kostengünstiges Wohnen in der Innenstadt zunehmend unmöglich wird, weil Spekulation, überzogene Modernisierung und hochpreisiger Wohnneubau auf überteuert gekauften Grundstücken die Mieten nach oben treiben. Dem muss man entgegen wirken, unter anderem dadurch, dass Bestandsgrundstücke von alteingesessenen Unternehmen aktiviert werden.
Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen solchen Bestandshalter (Becker & Kries), der auf eigenem und damit kostengünstigem Grund in vertretbarem Maß nachverdichten will. Und der – nach anfangs massiven Forderungen vor vier Jahren, abgewehrt durch die konsequente Haltung des Bezirks – nun ein in Größe und Preis durchaus akzeptableres Bauvorhaben präsentiert, von dem nicht nur das Unternehmen, sondern eben auch der Bezirk und die Mietsuchenden profitieren können.
Der akute Streitpunkt, die Bebauung der sogenannten Cornelsenwiese, muss dabei meines Erachtens unter Beachtung von zwei, leider entgegengesetzten Aspekten beurteilt werden.
Einerseits: Der Erhalt wohnungsnahen Grüns ist tatsächlich in der Innenstadt ein hohes, schützenswertes Gut, das durch den Bürgerantrag und BVV-Beschluss noch einmal deutlich unterstrichen wurde. Die protestierenden Anwohner setzen sich also durchaus für sich und den Bezirk in richtiger Weise ein, um dem Trend, Grünflächen zu bebauen, Einhalt zu gebieten!
Andererseits: Man muss sehen, dass hier nicht ein preistreibender Spekulant baut, dass rund 32% der Wohnungen sozialverträgliche Mieten (€ 6,50 nach Angaben des Bauherrn) haben werden und dass die Fläche dem Bauherrn bereits gehört und – nicht zu vergessen – dass in einem Rechtsstreit auch noch das Risiko besteht, dass die schützende Baulasteintragung als obsolet eingestuft wird. Damit könnte künftig eine viel massivere Baumasse entstehen als die jetzt geplante, offene und einen nennenswerten Anteil der Grünfläche erhaltende Bebauung.
Bei dynamischer Betrachtung sehe ich also die Gefahr, dass bei fortbestehender Ablehnung des Vorhabens durch Bezirk und Bürger „Becker & Kries“ die restlichen, möglichen Bauten dennoch errichtet und – um die dann auf eine kleinere Zahl von Wohnungen entfallenden Gesamtkosten aufzufangen – mit einer deutlich höheren Miete als die jetzt geplanten 12 € vermietet. Dies wäre meines Erachtens ein Pyrrhussieg.

Es hätte letztlich eine in der Innenstadt häufig zu beobachtende Folge, dass durch die dann höheren Mieten im Wohnumfeld letztlich auch (Vergleichsmieten, Mietspiegel) die Mieten der jetzt protestierenden Anwohner über kurz oder lang steigen würden. Damit werden dann auch die umliegenden Grundstücke für Spekulanten attraktiv und letztlich würden die Anwohner den Erhalt der kompletten Cornelsenwiese gegen mittelfristig deutlich steigende Mieten im Kiez oder sogar Verdrängung eintauschen.
Ich persönlich komme deshalb zu dem Ergebnis, dass die Bebauung der Wiese – wie im letzten Entwurf geplant – mit Schmerzen noch vertretbar wäre, aber mit dem Zugewinn der 32 sozialverträglichen Mietwohnungen und bei Wohnungszuwachs insgesamt auch noch eine Stabilisierung des Mietniveaus erreicht werden kann.
Es gibt keine Ideallösung, wie immer in der Politik. Aber wenn – etwas weniger – Grün mit einer im allgemeinen Interesse liegenden Lösung für Bestands- und künftige Neumieter einhergeht, wäre dies vielleicht ein schmerzhafter, aber noch akzeptabler Kompromiss.
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