Eine Ausstellung im Bröhan-Museum in Charlottenburg widmet sich dem vielfältigen, dunklen Werk von George Grosz
Als der Reichstag in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1933 in Berlin brannte, saß George Grosz in einem kleinen Hotel in New York und dankte, wie er später schrieb, „heimlich meinem Gott, dass er mich so vorsorglich beschützt und geführt hatte.“ Er habe wegen Hitler seine Heimat verlassen, sagte er 1942 im US-amerikanischen Rundfunk. Deutschland sei zu klein gewesen für zwei Maler.
Was ihn aber nicht davon abhielt, seinen „Konkurrenten“ mehrmals zu porträtieren. Kurz nach dem Münchner Putsch 1923 karikierte er Hitler als Siegfried, muskelbepackt, mit Bärenfell und Schwert, Hakenkreuz-tätowiert und Fischgräten statt Pupillen im Auge. Für den führenden Grosz-Experten Ralph Jentsch ist das Blatt visionär: „Hier blickt Sie der Massenmörder Hitler schon an.“

1934 malte er ihn mit weit offenem Mund, blutunterlaufenen Augen und geballter Faust. Explosionen, Feuer und Rauchschwaden schießen aus dem Bauch in den Vordergrund des Aquarells „The Menace“ („Die Bedrohung“). Zehn Jahre später dann der blanke Horror. Hitler hockt als apokalyptisches Monster im Ölgemälde „Cain or Hitler in Hell“ auf seinen Opfern: Unzählige Skelette kriechen an seinen Hosenbeinen hoch, während er sich die Stirn tupft, um das Kainsmal zu verdecken. Dahingestreckt liegt der tote Abel, die Menschlichkeit verkörpernd. Hitlers Blick aber wandert zur unteren rechten Bildecke: dort steht für den Bildbetrachter umgedreht, für Hitler aber richtig lesbar: „GROSZ“ – als wollte er Hitler mitteilen: Auch wenn du meine Bilder aus den Museen verbannt und zerstört hast, ich kann malen und bezeugen, was für ein Ungeheuer du bist. Als das Bild entstand, hat Hitler noch gelebt.
Politische Wucht von George Grosz deutlich machen
Bröhan-Direktor Tobias Hoffmann und Kuratorin Inga Remmers haben zusammen mit Ralph Jentsch als Gastkurator die chronologisch gereihte Werkschau „George Grosz in Berlin“ zusammengestellt. Sie wollen die politische Wucht von Grosz deutlich machen. Gleichzeitig zeigen sie einen Schatz an sonst ungezeigten Bildern aus Berliner Beständen, der darauf wartet, in einem längst überfälligen Grosz-Museum ausgestellt zu werden. Seit Jahren setzt sich Ralph Jentsch, der auch den Nachlass verwaltet, dafür ein.

Denn Grosz, in Amerika hoch geehrt, gilt als bedeutendster Berliner Künstler der Weimarer Republik. Er wurde 1893 in Berlin geboren und lebte die ersten Jahre in der Jägerstraße in Mitte. In Berlin hat er die Kunstakademie besucht, eine Dada-Messe organisiert, von Rosa Luxemburg persönlich die KPD-Mitgliedschaft erhalten, die er später nach einer Russlandreise wieder abgab. Hier sind seine Söhne geboren und hier starb er 1959, kurz nach seiner Rückkehr aus Amerika. Am Friedhof in der Heerstraße liegt er zusammen mit seiner Frau Eva begraben.
Namensänderung als Protest gegen anglophobe Stimmung
Vieles aus seinem Werk greift weit in die Kunst des 20. Jahrhunderts hinein. Schon sein Name ist ein Statement für den Künstler als Gesamtkunstwerk. Geboren als Georg Ehrenfried Groß, nannte er sich aus Protest gegen die anglophobe Stimmung in Deutschland George Grosz. Er liebte Rollenspiele, Performance und Provokation. Als 20-Jähriger platzte er in eine pazifistische Autorenrunde und gab sich als holländischer Kaufmann aus. Er gab vor, Invaliden zu engagieren, um mit eigens produzierten Kriegsdevotionalien Geld zu machen. Schlagartig wurde er in der linken Verleger-Szene bekannt und seine ersten Mappen wurden gedruckt: Großstadtleben, soziale Ungerechtigkeit, Gewalt und politische Satire sind die prägenden Motive der Zwanzigerjahre. Er engagierte sich wie Käthe Kollwitz in der Arbeiterhilfe und schuf Plakate für die Kommunistische Partei.

Das machte ihn auch für das politische Theater interessant. Die Ausstellung zeigt Puppen und Zeichnungen, die er für ein parodistisches Puppenspiel von Walter Mehring entworfen hat, das parallel zu Max Reinhardts „Orestie“ aufgeführt wurde. Orest ist ein lüsterner Offizier, der vor der Steuerbehörde nach Holland flieht: Dahinter verbirgt sich der abgedankte Kaiser; Apollo ist der über allem schwebende US-Präsident. In einen Skandal mündete Erwin Picators „Schwejk“-Inszenierung, für die Grosz Szenenbilder lieferte, die auf die Bühne projiziert wurden. Ein Bild zeigt Christus am Kreuz mit Gasmaske und Soldatenstiefeln: „Maul halten und weiter dienen“ stand darunter. Der Gerichtsprozess wegen Gotteslästerung zählte zu den aufsehenerregendsten der Weimarer Republik und endete mit einem Schuldspruch.
Schillernd und facettenreich
Aber Grosz war ein zu schillernder, facettenreicher Künstler, um nur politisch zu sein. Die Ausstellung zeigt auch seine amerikanischen Landschaften, seine perspektivisch aufregenden Fotografien von der Überfahrt nach Amerika und späte Collagen. Heiter war seine Kunst nie. Mit einer Ausnahme: Ein Brief an den dreijährigen Sohn, liebevoll gezeichnete Geburtstagsglückwünsche und zugleich eine Einstimmung auf die bevorstehende Amerikareise. Er wünscht dem Sohn, so groß, froh und stark zu werden wie ein Cowboy, der seinen Hut schwingt.
Information
Bröhan-Museum, Schloßstr. 1a, Charlottenburg. Tel.: 326 906 00. Di.–So. 10–18 Uhr.
Bis 6. Januar 2019, Eintritt 8, ermäßigt 5 Euro.