Großspende

Hilfe in 1800 Kartons für Flüchtlinge in Berlin

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Emina Benalia
Freiwillige helfen im Rathaus Wilmersdorf und entladen die Lkw.

Freiwillige helfen im Rathaus Wilmersdorf und entladen die Lkw.

Foto: joerg Krauthoefer

Die Firma Levi Strauss spendet Waren in Wert von rund 800.000 Euro an Berliner Flüchtlingsunterkünfte.

Am Sonnabend parkt ein nur noch zur Hälfte beladener Lkw in der Brienner Straße vor dem Seiteneingang der Notunterkunft Rathaus Wilmersdorf. Es ist bereits der vierte Laster an diesem Vormittag. Seit mehr als drei Stunden hieven Freiwillige die vollen Kartons von den Ladeflächen der Fahrzeuge. „Leicht. Leicht. Schwer. Leicht“, rufen sich die Helfer, die eine Kette bis in die Kellerräume des Gebäudes gebildet haben, beim Weiterreichen der Pappkartons zu. Von Müdigkeit oder Erschöpfung keine Spur. Stattdessen wird hier gelacht und gescherzt.

„Wir sind einfach überwältigt“, sagt Holger Michel, Sprecher der ehrenamtlichen Helfer im ehemaligen Rathaus. „Es ist wahrscheinlich die größte Sachspende, die eine Unterkunft je erhalten hat.“ Insgesamt 1800 Kisten gefüllt mit Kleidung, Schuhen, Unterwäsche und Accessoires spendete das Unternehmen Levi Strauss & Co. an Berliner Notunterkünfte. Der geschätzte Marktwert: 800.000 bis eine Million Euro.

„Es war dem Unternehmen besonders wichtig, dass die Sachspende an Geflüchtete verteilt wird“, sagt Juliane Kronen, Gründerin und Geschäftsführerin der gemeinnützigen Logistikorganisation Innatura mit Hauptsitz in Köln. „Jedes Jahr werden in Deutschland Waren im Wert von sieben Milliarden Euro entsorgt“, so die Unternehmerin weiter. Oft seien es Überschusswaren, die nicht abverkauft werden konnten, oder Artikel mit kleinen Makeln wie zum Beispiel falsche Verpackungen. „Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, neuwertige Sachspenden von den Hersteller- und Handelsfirmen anzuwerben, und sie dort zu verteilen, wo sie wo sie dringend benötigt werden“, sagt Juliane Kronen.

Besondere logistische Fähigkeiten sind gefordert

Als Levi Strauss & Co. mit der Anfrage an die Organisation herantrat, sei schnell klar gewesen, dass hier besondere logistische Fähigkeiten gefordert sind. „Wir haben uns gefragt, wer den Aufwand, die Sachen zu empfangen, zwischenzulagern, zu sortieren und an weitere Unterkünfte zu verteilen, stemmen kann“, erzählt Kronen. So fiel die Wahl auf die Notunterkunft in Wilmersdorf. Zwei Faktoren seien dabei entscheidend gewesen. Zum einen biete das ehemalige Rathaus genug Platz für die Lagerung der Ware. Zum anderen sei es das vertrauenvolle Verhältnis zwischen Holger Michel und ihr gewesen. „Ich kenne ihn schon lange und weiß, dass die Mitarbeiter der Unterkunft sehr gut organisiert sind“, begründet Kronen die Entscheidung. Die Vorgabe des Modeunternehmens, die Ware an Flüchtlingsunterkünfte zu verteilen, empfindet die Innatura-Gründerin als ein wichtiges Zeichen. Die Geldspenden seien in letzter Zeit extrem zurückgegangen. Umso wichtiger sei es, da zu helfen, wo Hilfe benötigt wird.

Zurück in die Wilmersdorfer Notunterkunft. Kurz nach Mittag tragen die Helfer die letzten Kisten in das Gebäude. Holger Michel läuft durch den langen Kellerflur und verschafft sich einen ersten Überblick. „Unsere Aufgabe besteht jetzt darin, zu schauen, was von den Sachen am dringendsten gebraucht wird“, erklärt er. Dann wird die Ware nach Größen sortiert und an Bewohner des Hauses sowie an andere Unterkünfte, die ihre Bestellungen bereits aufgegeben haben, verteilt.

Hilfe bei Behördengängen und bei der Arbeitssuche

Und auch diese Arbeit übernehmen ehrenamtliche Mitarbeiter. „Es ist schön zu sehen, dass die Bereitschaft zu helfen in Berlin weiterhin so hoch ist“, sagt Michel. Insgesamt haben sich seit der Eröffnung im August 2015 mehr als 5000 Menschen bei der Notunterkunft Rathaus Wilmersdorf ehrenamtlich engagiert. Neben organisatorischen Aufgaben arbeiten sie als Lehrer, Ärzte und Betreuer. Sie helfen den rund 1000 Bewohnern jedoch auch bei Behördengängen, bei der Arbeitssuche und in anderen Alltagssituationen. Vor allem sei aber der einfache Austausch enorm wichtig. „Natürlich merken die Bewohner, dass sich das politische Klima in Deutschland und Europa verändert“, sagt Michel. Nach dem Anschlag vom Breitscheidplatz hätten mehrere Geflüchtete von Übergriffen und Beleidigungen in U-Bahnen und auf der Straße berichtet. Die Verunsicherung unter den Bewohnern sei deutlich zu spüren. „Doch gerade jetzt ist es wichtig, sich nicht abzuschotten. Integration funktioniert nur, wenn du weißt, wohin du dich integrieren sollst“, sagt Michel.