Floristik, Gemüseanbau, Handel: Im Gärtnerhof Charlottenburg steht für mehr als 50 Menschen mit Behinderung das Arbeiten mit der Natur im Mittelpunkt. Ein Besuch.

05:45 Mit dem Duft von frisch gebackenen Schrippen und dem Rauschen des Berufsverkehrs auf der nahen Stadtautobahn beginnt der Arbeitstag auf dem Gärtnerhof Charlottenburg. In der Küche der Betriebsstätte des Mosaik-Unternehmensverbundes bereitet die erste Mitarbeiterin am frühen Morgen das Frühstück vor. In etwas mehr als einer Stunde ist Arbeitsbeginn für die Beschäftigten. Mehr als 50 Menschen mit geistigen oder psychischen Behinderungen arbeiten im Hofladen, in den Werkstätten und in den verschiedenen Gewächshäusern.

06:55 Zwei Kleinbusse stehen auf dem Parkplatz bereit. Nach und nach treffen die 13 Mitarbeiter der Garten- und Landschaftsbaugruppen auf dem Gärtnerhof am Fürstenbrunner Weg ein. Warm angezogen, trotzen sie dem nass-kalten Novemberwetter. Sie laden ihr Arbeitsmaterial wie Schaufeln und Harken in die Fahrzeuge. Gemeinsam mit zwei Gruppenleitern fahren sie dann zu ihren Auftraggebern. „Die Gärten, die gepflegt werden, liegen verteilt auf ganz Berlin“, sagt ein Mitarbeiter. Bei Schnee und Eis übernehme man auch den Winterdienst, beispielsweise für Hauseigentümer und Hausverwaltungen in der Stadt.

08:00 Begleitet vom Regen schleppen zwei Gärtner einen mit Plastikfolie umwickelten Strohring zu einem Gewächshaus. „Den dekorieren wir mit Tannenzweigen zu einem großen Adventskranz“, sagen sie. „Eine Firma hat ihn für ihr Empfangsfoyer bestellt. Das Stück muss heute Abend fertig dekoriert sein.“ Mit fast zwei Metern Durchmesser soll der große Kranz dann unter der Decke hängen.

09:20 Frühstückspause. Die Beschäftigten der Gärtnerei essen ihre Brote oder holen sich frisch belegte Schrippen. „Ich habe heute früh auf dem Hof Bänke und Tische weggeräumt“, sagt Sameth. „Mein Freund Roman hat Kürbisse ausgehöhlt.“ Wenige Minuten später erinnert die Abteilungsleiterin der Gärtnerei, Angelica Schure, an das Pausenende. Einige der Beschäftigten könnten die Uhr nicht lesen, sagt sie. Schlimm sei es während des Bahnstreiks gewesen. „Die geistig behinderten Menschen sind mit den Veränderungen nicht klar gekommen“, sagt sie. „Da hilft dann auch wochenlanges Wegetraining nichts.“

10:15 In einem der Gewächshäuser ist der 48-jährige Volker dabei, Unkraut zu entfernen. Vorsichtig bewegt er sich mit einer Unkrauthacke zwischen den Pflanzreihen mit Koriander, Kohlrabi, Feldsalat, Petersilie und Brokkoli und beseitigt das unerwünschte Grünzeug. „Die Produkte verkaufen wir im Hofladen und an einen Bio-Großhändler“, erklärt er. „Der Berliner Zoo kauft auch Kräuter. Die werden als Nahrungsergänzungsmittel unter das Heu für die Huftiere gemischt“, ergänzt die Chefin der Gärtnerei. In der Natur würden beispielsweise Kühe Kräuter auf den Wiesen finden.

11:30 Angelica Schure und Volker legen vorsichtig eine feine Gaze über die Beete mit dem Brokkoli. „Wir setzen keine Schädlingsbekämpfungsmittel ein“, sagt die Chefin. „Die Netze halten lästige Raupen ab.“

11:40 In der Küche des Gärtnerhofes wurde das Mittagessen angeliefert. Nahe dem Alexanderplatz werden in der Betriebsstätte Mitte in der Großküche von den Beschäftigten täglich ungefähr 1000 Essen zubereitet. In speziellen Warmhalte-Behältern wird das Essen dann an andere Mosaik-Betriebe geliefert. Auch zum Gärtnerhof. Dort wird das Essen dann warm gehalten und in der Mittagspause ausgegeben.

12:10 Noch kurz vor der Mittagspause tragen zwei Beschäftigte grüne Plastikkörbe mit Salat und Kräutern zum Hofladen. Von ihren Kapuzen tropft der Regen, die Zisterne, in der das Regenwasser für die Bewässerung der Gewächshäuser gesammelt wird, läuft über. Beide sind froh, dass sie ins Trockene kommen.

12:45Durch das Haus zieht der Duft von warmem Essen. Die Kantine ist jetzt voll besetzt. Unter den Tischen bilden sich dunkle Pfützen aus Matsch und Regenwasser. Martina Meyer, die Gruppenleiterin der Hauswirtschaft, gibt an die Mitarbeiter Putengeschnetzeltes mit Spätzle aus. „Es sind durchschnittlich 30 bis 50 Portionen am Tag“, sagt sie. „Das Essen bekommen wir aus der Zentralküche geliefert. Den morgendlichen Brötchenservice machen wir aber selber.“

14:00 Die Mittagspause ist seit einer Stunde vorbei, der Regen hat aufgehört. Stefan und Alexander stapeln Kaminholz für den Winter zum Verkauf. „Das Kaminholz verkaufen wir an Selbstabholer“, sagen sie. „Wir liefern das Holz aber auch zu den Kunden nach Hause.“

14:30 Klaus formt seinen Zeigefinger und den Daumen zu einem Kreis, die restlichen drei Finger seiner Hand zeigen ausgestreckt nach oben. „Gut“ bedeutet das in der Gebärdenspache. Der 60-Jährige ist gehörlos. Gerade hat er einen Adventskranz fertig gesteckt und zeigt seine Arbeit. Ihm gegenüber steht Carmen und arbeitet ebenfalls an Adventskränzen und Tannengestecken. Nach Weihnachten beginnen dann die Arbeiten im Gewächshaus für die Jungpflanzenanzucht. Erde wird gesiebt und die Aussaat für das Gemüse vorbereitet.

15:00 Regina Semmelrogge kommt eigens aus Heiligensee nach Charlottenburg in den Hofladen. Wenige Tage vor dem ersten Advent holt sie einen bestellten Kranz ab und kauft Gemüse ein. „Früher habe ich in der Gärtnerei in Heiligensee eingekauft“, sagt sie. „Seit dem Umzug nach Charlottenburg komme ich hier in den Hofladen.“

15:50 In der Floristikwerkstatt des Hofladens vollendet Melanie die Gestecke. „Nachher wasche ich Salat und Kräuter und mache sie verkaufsfertig“, sagt sie. „Dann bringe ich die Sachen in den Laden.“

16:00 Reha-Pädagogin Hendrikje Hertel und Dirk Häusser, Fachbereichsleiter der Garten- und Landschaftspflege, sprechen Praktikumsanfragen von Lehrern und Schulämtern ab. Auch Dienstpläne und Krankmeldungen sind ein Thema.

17:10 Gegen 16 Uhr hat der Hofladen geschlossen. Bis der Laden und die Werkstatt aufgeräumt sind, dauert es ein wenig. Am nächsten Morgen um neun Uhr wird wieder geöffnet.