Später Winternachmittag und es ist nicht nur dunkel, es ist vollkommen schwarz. Blackout. Keine Beleuchtung in den Häusern oder auf den Straßen. Nur die Scheinwerfer vereinzelter Autos erhellen für einen Moment die Umgebung, in dieser Stadt wie in der nächsten und der übernächsten. Bedrückend ist das. Und tägliche Situation in der Südwestukraine: Strom – und somit Licht und Wärme – ist nur stundenweise verfügbar seit dem russischen Angriffskrieg, der vor genau einem Jahr begann.
Die beiden weißen Sprinter sind auf dem Rückweg, sie fahren langsam durch diese Orte Richtung Grenze. Seit März 2022 sind sie stationiert im rumänischen Siret, das zehn Autominuten entfernt von einem der wichtigsten Übergänge zur Ukraine liegt.
Am Rande dieser Kleinstadt hat Dr. Christian Ebmeyer (44), Agrarwissenschaftler und hier seit einigen Jahren Besitzer eines landwirtschaftlichen Betriebes, dessen Lagerhalle geräumt und sie der Westfälischen Genossenschaft des Johanniterordens zur Verfügung gestellt. Unter dem Namen „Mission Siret“ konnte somit ein Hilfsprojekt anlaufen, das bis heute Sach- und Geldspenden im Wert von zwei Millionen Euro in die Ukraine lieferte.
Hilfslieferungen starteten im März 2022
Dabei war Christian Ebmeyers ursprüngliche Idee ein lokales Projekt, denn in den ersten Kriegswochen strömten täglich bis zu 12.000 Geflohene nach Siret. Die 7.000 Einwohner der Stadt waren schnell überfordert, die Kapazitäten der Hilfsmaßnahmen am Limit. Sinnvoller erschien es deshalb, die Binnenflüchtlinge gezielt in der Ukraine zu unterstützen. Der Plan nahm zügig Gestalt an, und auch auf deutscher Seite bildete sich ein Organisationsteam.
Am 20. März 2022 kam der erste von vielen noch folgenden Transportern aus dem westfälischen Enger, wo die Brüder des Landwirtes einen Sammelpunkt für die Hilfsgüter eingerichtet hatten. Seitdem stehen in seiner 700 qm großen Halle statt Maschinen und Dünger nun Kartons mit Kleidung und Medikamenten neben Rollstühlen und medizinischen Geräten sowie Paletten mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln, die regelmäßig aufgestockt werden durch Einkäufe in Großmärkten vor Ort.
Abgestimmt auf die Bedürfnisse der Zielorte des nächsten Tages werden allabendlich zwei oder drei Sprinter mit diesen Hilfsgütern beladen. Was wo gebraucht wird, weiß die 28-jährige Rumänin Ana-Maria Maidaniuc, die nicht nur die Kontakte zu den Ukrainern hält, sondern auch als unersetzliche Dolmetscherin die Fahrten begleitet. Sofern die Lage – aus Sicherheitskreisen kommt die tägliche Einschätzung – es zulässt, werden derzeit 17 sehr unterschiedliche Stellen in der Region Czernowitz angefahren.
Versorgt werden Kinderheime und Krankenhäuser
Es sind Kinderheime und Krankenhäuser, Stationen der Erstversorgung für Binnenflüchtlinge und Umschlagplätze, von denen aus die Kämpfer an der Front versorgt werden. Mit Reis, Nudeln, Konserven und Wasser sowieso, aber auch mal mit einem einfachen, in Deutschland hergestellten Holzofen, mit dem geheizt und gekocht wird: ermöglicht durch eine Spende von 150 Euro. Von 500 Euro können übrigens 40 Familien eine Woche lang mit Grundnahrungsmitteln verpflegt werden. Auch an diesem Tag haben die Sprinter, die bis zu 180 Kilometer in das Landesinnere hineinfahren und so in den vergangenen Monaten 86.000 Kilometer mit ihren Ladungen zurückgelegt haben, wieder geliefert. Für die jeweils zwei oder drei Freiwilligen in den Autos sind das oftmals emotionale Momente. Sie werden ungeduldig erwartet, und das Entladen ist – eine Kette bildend – eine schnelle Sache. Danach aber steht fast immer, vorausgesetzt es gibt gerade Strom, ein liebevoll zubereitetes Essen bereit für die Helfer und Helferinnen in den orangefarbenen Johanniter-Jacken. Beschämende Großzügigkeit von Menschen, die seit zwölf Monaten in einer furchtbaren Ausnahmesituation leben.
Ein Land im Krieg. Seine Frontlinie verläuft sehr viel weiter östlich, doch auch hier, in der nördlichen Bukowina, ist er allgegenwärtig. Auf den riesigen Tafeln am Straßenrand etwa. Sie zeigen die Porträts von Menschen in Uniform, versehen mit Namen und Alter. 23 oder auch 25 Jahre alt sind sie, die Gefallenen der Stadt, denen auf diese Weise die letzte Ehre erwiesen wird.
„Holy Daniel“ öffnet sein Haus für Helfer
Der Tag endet in der Gartenküche von Daniel und Crina Merla. Er, von den Volunteers respektvoll „Holy Daniel“ genannt, ist der orthodoxe Priester von Siret. Das von ihm und seiner Familie bewohnte Haus hat der liberale, weltoffene Geistliche, der hin und wieder auch ganz entspannt mit dem Johanniter-Team kocht, so umgestaltet, dass in der oberen Etage Platz geschaffen wurde für jeweils acht bis zehn Freiwillige. Über 210 waren es bereits seit Kriegsbeginn, die hier ehrenamtlich mindestens eine Woche arbeiten. Viele von ihnen bleiben länger oder kommen mehrmals. Ihre Unterstützung wird – neben Geldspenden und den zur Zeit dringend benötigten warmen Strümpfen, Schals, Mützen, Handschuhen, Unterwäsche, Medikamenten und Kerzen – weiterhin gebraucht, um wenigstens einen Teil der vom Krieg betroffenen Menschen in der Ukraine mit dem Notwendigsten zu versorgen.
Mitmachen bei der „Mission Siret“
Der Johanniterorden ist eine christliche Hilfsorganisation. Wer die „Mission Siret“ im rumänisch-ukrainischen Grenzgebiet als Freiwilliger unterstützen möchte, kann sich melden unter johanniter.siret@gmail.com
Die missionsiret kann man auch auf Instagram verfolgen oder auf www.missionsiret.de
Spendenkonto: Westfälische Genossenschaft des Johanniterordens
IBAN: DE5249444 0043 0320 0060 02
BIC: COBADEFFXXX
Verwendungszweck: Siret