Mathematik spielend verstehen – ein Berliner Verein hat Lernspiele entwickelt, um Kindern Basiswissen zu vermitteln.

Mathematik – das Wort allein reicht schon, um bei vielen Menschen für ein verzweifeltes Aufstöhnen zu sorgen. Doch insbesondere bei Kindern wird das zu einem zunehmenden Problem: Viele beherrschen bereits das Basiswissen nicht, was erhebliche Auswirkungen auf alle Lebensbereiche haben kann.

Um dem entgegenzuwirken, wendet sich der Berliner Verein Bildung und Gesellschaft e.V. mit einem Hilfsangebot an Kinder der 2. Klassenstufe und vermittelt ihnen auf eine spielerische Art und Weise mathematisches Basiswissen.

„Viele Kinder sind vor allem coronabedingt immer mehr abgehängt worden, sodass ihnen die einfachen Grundlagen der Mathematik fehlen“, erklärt Dorothea Peichl, eine engagierte Pädagogin, die den gemeinnützigen Verein Bildung und Gesellschaft im Oktober 2021 mitgegründet hat. Vor Beginn der Corona-Pandemie bot sie gemeinsam mit Johannes Hinkelammert, der nicht nur wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin (FU), sondern auch stellvertretender Vorsitzender des Vereins ist, eine mathematische Früherziehung in der Kita an. Doch durch die Pandemie habe sich einiges geändert, so Peichl, deswegen hätten sie sich nun bewusst auf die zweiten Klassen fokussiert.

Wer das Basiswissen nicht beherrscht, wird abgehängt

„Wer in dem Alter noch nicht das Basiswissen der Mathematik wie das Mengenverständnis beherrscht, wird früher oder später abgehängt“, erklärt die Pädagogin.

Und das kann laut Hinkelammert dramatische Auswirkungen haben: „Mathematik strahlt stark in die Gesellschaft und ist in vielen verschiedenen Bereichen sehr bedeutend“. Deswegen sei es umso wichtiger, dass die Grundlagen beherrscht werden. In seinem Rechenpaten-Projekt in Zusammenarbeit mit Studenten und Studentinnen der FU und 1000 Kindern seien die Probleme fast immer auf die Grundlagen der Arithmetik zurückzuführen.

Das Konzept, das die Pädagogen daraus entwickelt haben, soll den Kindern kontinuierlich dabei helfen, diese grundlegenden Defizite wieder auszugleichen und sie vor dem „Mathe-Abgrund retten“, sagt der der Lerntherapeut.

Seit April dieses Jahres kommen die Mathepaten des Vereines, zu denen neben Peichl und Hinkelammert momentan vier weitere Ehrenamtliche zählen, einmal wöchentlich in die 2. Klassen der Kolumbus-Grundschule und der Grundschule am Schäfersee in Reinickendorf. „Wir beschäftigen uns dann jeweils eine Schulstunde lang mit einem Kind, das Förderbedarf hat“, erklärt Hinkelammert. Dadurch soll individuell auf die Bedürfnisse des Kindes eingegangen werden. „Es braucht einfach viel Zeit und Geduld. Man muss dem Kind die Möglichkeit zum fragen, denken und verstehen geben“, so der Mathematiklehrer.

Trotzdem, betont er, sei das Hilfsangebot klar von einer herkömmlichen Nachhilfe zu unterschieden, denn es gehe nicht darum, kleine Defizite in speziellen Bereichen zu beheben, sondern um die Förderung des allgemeinen mathematischen Denkens und Verständnisses.

Lernspiele verbinden Mathematik, Spaß und Bewegung

Und noch etwas unterscheidet das Angebot von anderen Förderprogrammen und dem klassischen Schulunterricht: Auf die Kinder warten keine klassischen Mathematikaufgaben, sondern sie lernen durch die konkrete Anschauung in Form von Bewegungs- und Lernspielen. „Egal, wie unterschiedlich die Lernvoraussetzungen der Kinder sind, haben sie eines gemeinsam: Sie sind neugierig, wissbegierig und spielen und bewegen sich gerne.“, sagt Peichl.

Die Förderbox, mit denen die Mathepaten sich an die Schülerinnen und Schüler wenden, beinhaltet zehn verschiedene Spiele, die aus bunten, ansprechenden Materialien bestehen und unterschiedlich aufgebaut sind. So gibt es neben den Klassikern „10 gewinnt!“ und Domino auch innovative Spiele wie „Gefangene befreien“ und „Rattenwerfen“, die Hinkelammert selbst entwickelt hat.

„Es ist wichtig, zum Beispiel das Würfelbild und die geschriebene Zahl zu koppeln und durch verschiedenste Sinnesorgane wie das Fühlen oder eine Bewegung zu lernen“, meint Bärbel, eine der Mathepatinnen. Manchmal seien die Kinder zu Beginn noch schüchtern, aber es würde nie lange dauern, bis sie Spaß an den Spielen finden. Und das sei eines der wichtigsten Ziele ihres Projektes, erzählt sie.

Auch die Schulen und die Lehrkräfte würden das Angebot inzwischen sehr schätzen. Es gebe weitere Anfragen von anderen Schulen und Eltern, die die Hilfe für die Kinder gern in Anspruch nehmen würden. Das sei bis dato aber noch nicht umsetzbar gewesen: „Es scheitert leider immer wieder an der Suche nach Ehrenamtlichen. Menschen zu finden, die so etwas regelmäßig unentgeltlich machen, ist eine große Herausforderung“, so die Vereinsvorsitzende. Dabei kann jeder und jede Interessierte Mathepate werden und selbst für ein Jahr die Schülerinnen und Schüler unterstützen.

Weitere Rechenpaten gesucht

Weitere ehrenamtliche Rechenpaten zu finden sei entscheidend für die erfolgreiche Weiterentwicklung des Projektes, betont Hinkelammert, fordert aber auch von der Politik mehr Unterstützung: „Wir bemühen uns so sehr, aber man kann einfach nicht erwarten, dass so etwas von allen Beteiligten nur auf ehrenamtlicher Basis geschieht. Es braucht mehr Förderung und mehr Geld von der Politik“, meint der Mathematiklehrer. Er wünsche sich geregelte Verträge und Konzepte, damit „richtig Schwung in das Projekt kommt“ und sie noch mehr Kinder vor dem Mathe-Abgrund retten können.

Der nächste Schnuppertermin für interessierte Ehrenamtliche, bei dem Hinkelammert und Peichl die Lernspiele und ihr Projekt erklären, findet am 16. Januar 2023 von 16 bis 18 Uhr im Kulturraum, Markstraße 5, 13409 Berlin-Reinickendorf statt. Infos unter www.bildungundgesellschaftberlin.de