Berliner helfen

Diplomatischer Chor Berlin singt für die Ukraine

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Petra Götze
Chorleiterin Barbara Leifer mit dem Diplomatic Choir Berlin bei einer Probe in der Brasilianischen Botschaft.

Chorleiterin Barbara Leifer mit dem Diplomatic Choir Berlin bei einer Probe in der Brasilianischen Botschaft.

Foto: Maurizio Gambarini / FUNKE Foto Services

Diplomatic Choir Berlin singt mit ukrainischen Flüchtlingen - Konzerte in der Gedächtniskirche und im Berliner Dom

Nellis Augen strahlen, wenn sie über den Chor spricht. „Ich bin so glücklich hier zu singen, das ist wie ein neues Leben für mich!“, sagt sie auf englisch. Die 19-Jährige ist kurz vor Kriegsbeginn aus Mykolaiv im Süden der Ukraine mit ihrem Freund nach Deutschland geflohen. Inzwischen sind auch ihre Schwestern, Nichten und Großeltern nach Berlin gekommen, sie leben gemeinsam in einer Sozial-Wohnung in Neukölln.

Konzert am 22. Juni 2022 in der Berliner Gedächtniskirche

Den Diplomatic Choir of Berlin hat Nelli, die in der Ukraine Gesang studiert hat, auf Facebook entdeckt. Nun gehören sie und sieben weitere Ukrainerinnen zu den 45 Chormitgliedern, die einmal in der Woche proben – zur Zeit für ein Benefiz-Konzert am 22. Juni in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und ein weiteres im Berliner Dom am 6. Juli 2022.

Gegründet wurde der Diplomatic Choir of Berlin von Barbara Leifer, Absolventin der renommierten New Yorker Julliard School für Musik, die 2012 mit ihrem Mann, einem Schweizer Diplomaten nach Berlin kam. „Musik kennt keine Grenzen und verbindet alle“, sagt die gebürtige Amerikanerin. 2013 hat sie den Chor gegründet, dem Mitglieder des Diplomatischen Corps, Mitarbeiter der Vertretungen und des Außenministeriums und auch Berliner angehören. „Wir sind kein closed shop“, betont die Chorleiterin, „im Gegenteil, die Berliner Chormitglieder sind besonders wichtig, wenn die Diplomaten wegen ihrer vielen Termine nicht kommen können“.

Chorproben in den Botschaften von Brasilien und Australien

Die Botschaften von Brasilien, Australien und Angola stellen Räume für die Chorproben zur Verfügung, ebenso wie das Außenministerium. „Alle denken immer, Diplomaten haben Geld, aber wir tragen uns selbst und sind auf Sponsoren angewiesen“, sagt Barbara Leifer. Seit seiner Gründung gibt der Chor neben regulären Engagements auch Benefizkonzerte für Opfer von Naturkatastrophen oder die Flüchtlingshilfe, wie auch jetzt für die Opfer des Kriegs in der Ukraine. „Aber vor allem wollen wir dadurch den ukrainischen Sängerinnen die Möglichkeit geben aufzutreten und sich im Musikleben bekannt zu machen“, sagt die Chorleiterin.

Dafür ist Natalja aus Kiew von Herzen dankbar. „Dass ich wieder singen kann, das hat mir den Boden unter den Füßen wiedergegeben“, sagt sie. Die 38-jährige hat in der Ukraine als Sängerin, Violinistin und Gesangslehrerin gearbeitet und ist mit ihrer achtjährigen Tochter vor den Russen nach Berlin geflohen, ihr Mann und ihr Vater sind in der Heimat geblieben. „Mein Leben bestand plötzlich nur noch aus Angst und Sorgen. Im Chor zu singen hat mir geholfen, wieder ich selbst zu sein“, sagt sie. Nach der Ankunft in Berlin hat sie mit ihrer Tochter in einer Datscha von Freunden in Brandenburg Unterschlupf gefunden, inzwischen wohnen sie in Heiligensee. „Meine Tochter geht zur Schule, obwohl sie noch kein deutsch spricht. Ich bin so dankbar für all die Hilfe, die wir bekommen haben“, sagt die Ukrainerin.

Chorleiterin verspricht musikalische Überraschungen

Bei dem Konzert werden auch ukrainische Volkslieder gesungen, aber auch neue Kompositionen mit kleiner Orchesterbegleitung. „Das wird ein ganz besonderer Abend mit vielen Überraschungen“, verspricht Chorleiterin Barbar Leifer. Nelli verrät, was sie singen wird: „Two Steams of Montenegro“, ein bekanntes ukrainisches Volkslied. Auch das Quartett „Mir ist so wunderbar“ von Beethoven steht auf dem Programm. „Es ist aus Fidelio. Die erste Oper, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Berlin aufgeführt wurde“, erzählt die Chorleiterin. „Ich hoffe so sehr, dass der Krieg in meinem Land bald vorbei ist“, sagt die 19-jährige Nelli.

Konzert im Berliner Dom am 6. Juli 2022

Der Diplomatische Chor Berlin lädt zu zwei Konzerten mit und für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine ein: das erste Benefiz-Konzert findet am 22. Juni 2022 um 20 Uhr in der Kaiser-Wilhelm Gedächtnis Kirche statt. Der Eintritt ist frei, Spenden sind willkommen, ebenso wie weitere Sponsoren. Das zweite Ukraine-Konzert des Diplomatic Choir Berlin e.V. findet am 6. Juli 2022 im Berliner Dom statt, ebenfalls um 20 Uhr. Die Karten dafür kosten 18 Euro, ermäßigt 10 Euro. Tickets und weitere Informationen unter www.diplomaticchoirberlin.com oder per E-Mail an Das Konzert in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche wird von der Berliner Morgenpost unterstützt