Serie "Rund um Berlin"

Wandlitz – von der geheimen Siedlung zum Kurort

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Thomas Fülling

Einst wohnten hier Honecker, Mielke, Krenz und Co. Heute erholen sich in der Waldsiedlung Wandlitz Patienten von ihren schweren Erkrankungen. Der Nordosten Berlins profilierte sich zu einem wichtigen Gesundheitsstandort, punktet bei Touristen und Zuzüglern mit Wasser und Wald.

Wandlitz, der Ort war für Hans Ellers stets ein Begriff: „Da haben doch die SED-Bonzen gewohnt.“ Jetzt wartet der Charlottenburger ausgerechnet vor der Schwimmhalle, in der einst Honecker, Krenz und Co. einsam ihre Bahnen zogen. Für Ellers steht Wassergymnastik auf dem Programm, denn der 67-Jährige ist zur Rehabilitation genau in den Wald 15 Kilometer nördlich von Berlin geschickt worden, in dem sich vor 48 Jahren die DDR-Oberen nach dem Volksaufstand in Ungarn „aus Sicherheitsgründen“ einigelten. Große Teile der – in diesem Fall grünen – Mauer und alle 23 Häuser der Politbüro-Mitglieder stehen noch heute.

Die bis 1989 streng abgeschottete Waldsiedlung gehört – anders, als der Name suggeriert – damals wie heute zur Stadt Bernau. Nach dem Mauerfall wurde sie auf Beschluss des Runden Tischs in eine öffentliche Kureinrichtung umgewandelt. Heute ist die Brandenburg-Klinik mit ihren 650 Betten die größte Reha-Fachklinik des Landes Brandenburg. Rund 270 Millionen Euro hat die Münsteraner Michels-Unternehmensgruppe in die Entwicklung des Areals gesteckt.

Entstanden ist eine Kleinstadt, in der sich mehr als 800 Ärzte, Therapeuten und Krankenschwestern um die Genesung ihrer zum Teil schwer kranken Patienten mühen. Das Profil der Einrichtung hat sich dabei gründlich gewandelt. „Heute haben wir in der Waldsiedlung hoch spezialisierte Fachkliniken“, sagt Geschäftsführer Kai-Uwe Michels. So werden im Regine-Hildebrandt-Haus seit vier Jahren Wachkoma-Patienten betreut. Anfang nächsten Jahres wird eine Station mit zehn Betten zur „neurologischen Frührehabilitation mit Beatmung“ eröffnet. Die Entwicklung der Waldsiedlung steht für den Wandel der gesamten Region.

Bernau als wichtiger Gesundheitsstandort

Das Bernau von heute hat sich zu einem wichtigen Gesundheitsstandort in Brandenburg profiliert. So ist im Evangelisch-Freikirchlichen Krankenhaus eines von insgesamt nur zwei Herzzentren im Land angesiedelt, gleich nebenan hat sich die Klinik Tabor auf die Behandlung von Epilepsiekranken spezialisiert.

Im Ortsteil Lobetal werden von den Hoffnungstaler Anstalten seit 103 Jahren Menschen mit Behinderungen betreut. Seit zehn Jahren werden in der Stadt „Gesundheitstage“ veranstaltet, an denen sich viele der etwa 100 medizinischen und therapeutischen Einrichtungen vorstellen, die sich im Umfeld der Fachkliniken angesiedelt haben.

Die Zahl der Einwohner wächst und wächst

Diese Vielfalt an Gesundheitsangeboten dürfte einer der Gründe dafür sein, dass Bernau und Wandlitz zu den Gebieten im Berliner Umland mit den größten Einwohnerzuwächsen gehören. Allein in Bernau hat sich die Einwohnerzahl seit 1990 auf heute 36.500 fast verdoppelt.

Das seit der jüngsten Kommunalreform aus neun Ortsteilen bestehende Wandlitz – das Siedlungsband reicht von Schönerlinde gleich hinter der Stadtgrenze von Berlin bis nach Zerpenschleuse am Oder-Havel-Kanal – hat in den letzten zehn Jahren gut ein Fünftel an Bewohnern dazugewonnen.

Zu denen, die seither nach Wandlitz zogen, gehört auch Elisabeth Schulte-Kuhnt. „Von Anfang an war klar, dass wir nicht in der Stadt, sondern draußen im Grünen wohnen wollten“, sagt die einstige Bonnerin. Doch während andere Regierungsumzügler ihre neue Heimat zumeist in Potsdam und Kleinmachnow suchten, wurde sie in Wandlitz fündig. „Wir haben den Ort im November gesehen und fanden ihn gleich schön. Und was im November schön ist, kann den Rest des Jahres über nicht hässlich sein“, so die 47-Jährige. Ihren Entschluss habe die Familie nicht bereut: Die Umgebung von Wandlitz mit viel Wasser und viel Wald sei fantastisch, und auch die „harten Fakten“ würden stimmen. Vor allem das Angebot an Bildungseinrichtungen sei gut.

Doch Wandlitz setzt nicht allein auf Wachstum durch Zuzug. Der zweite Impulsgeber heißt „Tourismus“. Die Gemeinde will anknüpfen an die große Zeit der 30er-Jahre, als die „Heidekrautbahn“ – damals noch von Berlin-Wilhelmsruh kommend – die Berliner zu Zehntausenden an die Seen und Wälder im Norden brachte. Immerhin fünf Ortsteile von Wandlitz, so eine Studie, haben das Zeug, als „Erholungsort“ anerkannt zu werden.

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