Serie "Rund um Berlin"

Kleinmachnow – Heimat unter alten Eichen

| Lesedauer: 7 Minuten
Katrin Schoelkopf

Kaum ein Ort in Brandenburg hat nach der Wende so einen Zuzug erlebt wie Kleinmachnow. Gerade aus Berlin kommen viele junge Familien. Doch der Bauboom stößt auch auf Kritik.

Verträumt lag Kleinmachnow da, an diesem klaren Novembertag vor 19 Jahren. Die hohen, alten Eichen, die Häuser mit ihren Gärten, der Teltowkanal. Anne von Törne und ihr Lebensgefährte standen auf dem Aussichtsturm an der Zehlendorfer Benschallee und sahen stumm auf den Ort. Die Grenze war gerade erst geöffnet worden, die Mauer stand noch. Es war der Moment, als Anne von Törne beschloss: „Hier wollen wir leben, hier ist es richtig schön.“

Slawischer Ortsname

Ein bisschen Zeit musste aber noch vergehen, bevor die kleine Familie tatsächlich von Friedenau nach Kleinmachnow ziehen konnte. Immer wieder sind sie sonntags hingefahren, haben Zettel aufgehängt, auf denen stand, dass sie ein Haus suchen. Und sie lernten Kleinmachnow immer besser kennen. Sie schlenderten an alten Villen rund um die Klausener Straße vorbei, dann durch die Sommerfeld-Siedlung aus den 30er-Jahren mit ihren standardisierten Einfamilienhäusern, deren Giebel oft mit Fachwerk geschmückt sind. Und sie entdeckten den idyllischen Machnower See, an dessen Nordufer sich auf dem 62 Meter hohen Seeberg die Hakeburg, ein burgähnliches Gutshaus von 1908, erhebt.

Der Name Machnow geht auf die Slawen zurück, die bis zum 12. Jahrhundert im Teltow siedelten. „Machnov“ bezeichnete einen Ort, der in einer moosreichen Gegend angelegt wurde. Die sumpfige Senke wurde durch die Bäke gebildet.

Noch heute ist Kleinmachnow sehr wasserreich. Es gibt zahlreiche Kleingewässer wie den Meiereipfuhl im Bannwald, den Duellpfuhl an der Ginsterheide sowie den Pferdepfuhl und den Pfuhl am Jägerstieg. Die meisten Spuren hat in der Gemeinde die Familie von Hake hinterlassen, in deren Besitz das Gut Kleinmachnow über mehrere Jahrhunderte war. Am Lauf der Bäke, südlich des Machnower Sees, finden sich noch zahlreiche Bauwerke, die mit der Geschichte der Familie verbunden sind. Dort steht zum Beispiel das Medusentor zum ehemaligen Gutshof, die historische Bäkemühle, an deren Außenwand eine Tafel daran erinnert, dass Ernst Ludewig von Hake sie 1695 errichten ließ.

Ihre Hakeburg musste die Familie 1937 aus Geldnöten an die Reichspost verkaufen. Später, in der DDR, wurde sie SED-Parteischule. Nach der Wende wurde sie an die Telekom rückübertragen, und es gab mehrere Versuche, die Hakeburg als Veranstaltungsort, Hotel und Restaurant zu nutzen. Zurzeit steht sie jedoch leer.

Vor allem die Natur und die Ruhe haben Anne von Törne in Kleinmachnow begeistert. „Es war jedoch nicht leicht, ein Haus für uns zu finden“, sagt die 45-Jährige. Denn sie waren nicht die Einzigen, denen Kleinmachnow gefiel. Schon bald nach der Wiedervereinigung entwickelte sich das Städtchen zu einem beliebten Wohnort vor den Toren Berlins. Jedes Jahr wuchs die Gemeinde etwa um 700 Menschen an. Viele Alteigentümer machten ihre Rückgabeansprüche geltend und bekamen ihre Häuser wieder.

Schnelles Wachstum

Alteingesessene zogen weg, dafür kamen junge Familien aus Berlin und Westdeutschland. So wie Anne von Törne mit ihrem Lebensgefährten und dem kleinen Sohn. Mitte der 90er-Jahre fanden sie endlich ihr Haus. Es war die Zeit, in der Kleinmachnow gerade boomte. Überall entstanden neue Siedlungen und Stadtvillen. Und im ganzen Ort eröffneten neue Geschäfte. Das Fuchsbau-Eck, dann der Neubaukomplex am Uhlenhorst, der Wochenmarkt auf dem Adam-Kuckhoff-Platz, dem einstigen Kontrollpunkt Düppel, und schließlich der große Wohn- und Geschäftskomplex am OdF-Platz. „Kleinmachnow wuchs zu dieser Zeit unglaublich schnell“, erinnert sich Anne von Törne. „So schnell, dass die Infrastruktur kaum hinterherkam.“ Plötzlich gab es zu viele Schüler für den Hort und zu viel Verkehr für die schmalen Straßen. Als dann noch eine Tiefgarage neben ihrem Haus gebaut werden sollte, begann Anne von Törne sich in der Bürgerinitiative „Bürger für gute Lebensqualität in Kleinmachnow e.V. zu engagieren. „Wir sind für ein maßvolles Bauen“, sagt Anne von Törne. „Damit es in Kleinmachnow auch weiterhin so schön bleibt.“

Das liegt auch Rudolf Mach (67) am Herzen. Der Rentner wohnt zwar im benachbarten Zehlendorf, ist aber seit fünf Jahren Vorsitzender des Heimatvereins in Kleinmachnow. Wenn man ihn fragt, wieso ausgerechnet er in diese Position gelangt ist, lacht er. Denn bis zur Wende kannte er den Ort nur durch seinen Feldstecher. „So habe ich manchmal rübergeschaut und mir die Wachleute angesehen.“ Gleich nach dem Mauerfall ist er dann aber in den Nachbarort gefahren und hat sich alles angeschaut. Vor allem die Industrieruinen in Dreilinden mit ihrer alten Technik haben ihn fasziniert. „Es war wie in meiner Jugend.“

Fund in alter Fabrik

Irgendwann ist er dann einmal in einen stillgelegten Betrieb eingestiegen. „Es sah aus, als hätten die Arbeiter einfach die Tür hinter sich zugemacht.“ Büromaterial lag auf den Schreibtischen, Stempelkissen auf dem Boden. Und im Keller, hinter einer Luftschutztür, fand Rudolf Mach dann auch das Archiv des Betriebes. Aus den Unterlagen ging hervor, dass auf dem Gelände im Zweiten Weltkrieg Zwangsarbeiter Teile für Flugzeugmotoren herstellen mussten. „800 Frauen müssen da zwischen 1944 und 1945 in den Kellergewölben gelebt und gearbeitet haben“, sagt Rudolf Mach.

Sein Fund beeindruckte auch die Kleinmachnower. Kurz darauf wird Rudolf Mach dann Vorsitzender des Heimatvereins. Sein neues Projekt spielt in der Gegenwart. Der Heimatverein will dafür sorgen, dass die Straßenschilder einen erklärenden Zusatz bekommen. „Das von Maxie Wander zum Beispiel“, sagt Rudolf Mach, „gegen das Vergessen.“

Hannelore Saupe (68) braucht keine Schilder, die ihr in Kleinmachnow irgendetwas erklären. Sie hat praktisch ihr ganzes Leben in der Gemeinde verbracht. Schon ihre Großeltern lebten in Kleinmachnow, sie selbst ist dort zur Schule gegangen, hat ihren Beruf gelernt und ihre beiden Söhne großgezogen. Es habe sich viel verändert in den vergangenen Jahren. „Zuerst war ich skeptisch wegen all der Neubauten“, sagt sie, „aber jetzt gefällt es mir gut.“ Anne von Törne lebt zwar erst 15 Jahre in Kleinmachnow. Aber sie fühlt sich ganz zu Hause. „Ich bin Kleinmachnowerin.“

>>> Mit dieser Folge endet unsere Serie "Rund um Berlin".

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