Berühmt ist Werder für Obstwein und Räucherfisch. Die Bewohner gelten als fleißig, mögen ihre Vereine und bleiben ihrer Stadt treu. Sie unterscheiden zwischen Werderanern und Werderschen – und haben einen gemeinsamen Erzfeind.
Jeden Tag öffnet in Werder an der Havel die 70-jährige Christa Mai die Türläden ihres Häuschens zur Straße hin. Sie verkauft, aus der guten Stube, Räucherfisch und Obstwein nach Familienrezept („das Beste, was aus einer Pflaume werden kann“). Ihr Sohn Tobias (42) ist Fischer, einen Enkel gibt es inzwischen auch schon. Seit 1730 lebt die Familie im Torhaus an der Brücke zur Insel: „Wuchs die Familie, wurde angebaut. Abgerissen nie – das bringt Unglück.“ Über 1730 hinaus haben sie dann nicht mehr weitergeforscht. Aber manche behaupten: Die Mais haben schon in Werder gefischt, als bei der Völkerwanderung die alten Slawen an der Havel hängen blieben.
Werder, das ist Wasser. Jetzt im Winter glänzend grau, vor schwarzen Weiden und unter bleigrauem Himmel, still und unbewegt. Nur die Blesshühner schreien.
Die Boote des Segelvereins sind schon im Winterschlaf unter Planen. Wilfried Heydebreck (55, Bauingenieur) hat mit sieben Jahren zum ersten Mal die Segel gesetzt, inzwischen ist er Vorsitzender der „Einheit Werder“. Im Seglerverein fragen sie aber eigentlich immer nach „Zilla“ – das ist der Name seines Bootes. Heydebreck: „Werder, das sind die Vereine, die machen das gesellschaftliche Leben aus. Darin hat die Stadt auch viel investiert.“ Seine Leute bauen gerade in Eigenleistung, mit Unterstützung der Stadt, ein Jugendzentrum.
Zu Werder gehören die kleinen Fischerhäuschen, die stolz ihren neuen Fassadenputz zeigen – die historische Altstadt auf der Fischerinsel ist, von wenigen Gebäuden abgesehen, komplett saniert.
Und die Menschen? „Es gibt Werderaner, die leben hier. Und Werdersche – das sind die, die in Werder geboren sind und die Stadt höchst selten verlassen“, erklärt Stadtführerin und Wirtin Heidemarie Garbe: „Wenn die den Kirchturm nicht mehr sehen, heulen sie los.“ Sie stammt aus einer alten Familie – und ist doch nur Werderanerin, in Glindow geboren, weil ihre Mutter sich in einen Ortsfremden verliebte. Ein bisschen nimmt sie ihr das übel: „Ausgerechnet Glindow, das Dorf der Erzfeinde!“ Mit dem man sich früher beim Dorftanz gerne Saalschlachten lieferte.
Wilfried Heydebreck: „Werderaner sind ein sehr fleißiges Volk.“ Und sesshaft: 90 Prozent seiner Klassenkameraden sind in der Gegend geblieben …
BMO