Die Reinickendorfer Residenzstraße ist noch vom Einzelhandel geprägt. Viele Geschäfte hier wurden in der Zeit des Wirtschaftswunders eröffnet und wehren sich heute gemeinsam erfolgreich gegen die Übermacht der großen Ketten.
Das Schuhhaus Ebel ist eine Institution. Seit 1919 verkauft das Familienunternehmen Schuhe auf der „Resi“, wie die Anwohner ihre Einkaufsstraße liebevoll nennen. Mittlerweile führt Detlef Ebel, Urenkel des Gründers, die Geschäfte. Der kleine Laden am U-Bahnhof Franz-Neumann-Platz hat Schuhe für Groß und Klein. Darunter auch Extravagantes wie silberfarbene Overknee-Stiefel mit zehn Zentimeter hohen Absätzen oder Highheels in Reptilien-Optik. Dafür kommen Kunden auch aus Rudow oder Großbeeren. Ebels schwimmen nicht nur mit den Trends der Saison. Das zahlt sich aus. Viele Kunden sind Stammkunden, manche seit mehr als 20 Jahren.
Doch wie alle Einzelhändler müssen auch Ebels gegen den Konkurrenzdruck der großen Ketten kämpfen, die sich seit den Neunzigerjahren auch auf der Residenzstraße ausbreiten. Dafür organisiert die Gemeinschaft der Einzelhändler und Dienstleister, die IG Residenzstraße, einmal im Jahr das berlinweit bekannte Residenzstraßenfest. Mehr als 60 Mitgliedsbetriebe zählt die Gemeinschaft, deren selbstbewusstes Motto „Wir sind der Kiez“ lautet.
Die Straße hat über 13.000 Quadratmeter Verkaufsfläche und mehr als 100 Geschäfte. Viele Läden wurden in der Zeit des Wirtschaftswunders eröffnet; jeder hat seine eigene kleine Geschichte. K. Elsner, Spezialist für Staubsauger, Herde und Kaffeeautomaten, zum Beispiel existiert seit 55 Jahren. Auch Juwelier und Goldschmied Broszio hat vor 55 Jahren seine ersten Trauringe verkauft. Hans-Joachim Böhme bietet in seinem Geschäft für Briefmarken und Münzen seit mehr als 50 Jahren alles, was das Sammlerherz begehrt – von der Schweizer Holzbriefmarke über Deutschlandmarken aus dem Jahr 1872 bis hin zu 3-D-Marken aus Bhutan.
Der Philatelist, der auch Berlins mitgliederstärksten Briefmarkensammlerverein, die Britzer Philatelisten, führt, gehört einer schwindenden Zunft an. Die Alten hören auf und Junge wachsen nicht nach. Ein Schicksal, dass Reinickendorfs Einkaufsmeile hoffentlich erspart bleiben wird.
BMO