Stadtnatur-Serie

Wie man als Stadtkind auf dem Bauernhof klarkommt

Gefjon hilft beim Füttern der Schweine - Streicheleinheiten inklusive

Gefjon hilft beim Füttern der Schweine - Streicheleinheiten inklusive

Foto: David Heerde

Wie hart ist das Leben auf dem Bauernhof? Unsere Autorin wagt einen Selbstversuch mitten in der Stadt.

Berlin. Ich wohne schon mein ganzes Leben lang in Berlin. Ich brauche einfach die Menschenmenge, den dichten Verkehr und mein Lieblings-Nagelstudio um mich herum. Als typisches Stadtkind kommen in meinem Leben Besuche auf dem Land so gut wie gar nicht vor. Bauernhöfe, riesengroße Weiden und andere ländliche Merkmale kenne ich nur aus Bilderbuchzeiten als Kind.

Wie es auf einem richtigen Bauernhof aussieht, war noch bis vor Kurzem eine bloße Vorstellung in meinem Kopf. Umso neugieriger war ich bei meinem Besuch auf dem Kinderbauernhof Pinke-Panke in Pankow. Also: Wozu aufs Land gehen, wenn man doch einen Bauernhof in der Stadt hat? Einen ganzen Tag lang durfte ich dort mit anpacken und mithelfen. Doch für mich als manikürtes Stadtmädchen sah das damals in den Bilderbüchern doch etwas leichter aus.

Der typische Bauernhof-Duft nach Stroh und Heu

Es ist 6 Uhr morgens und mein Wecker klingelt. Ich realisiere ihn zunächst gar nicht. Erst nach dem gefühlt einhundertsten Klingeln komme ich zu mir. Ich bin es nicht gewohnt, so früh aufzustehen, denn im Vergleich zu meinen üblichen Redaktionszeiten ist für mich 6 Uhr morgens in jedem Fall gewöhnungsbedürftig.

Mit einer ordentlichen Portion Kaffee intus fahre ich um 7 Uhr aus Steglitz los. Der kleine Bauernhof liegt mitten in Berlin, im grünen Pankow an der Grenze zu Reinickendorf. Um rechtzeitig 8 Uhr morgens zu meiner Schicht anzutreten, nehme ich einen Zug früher, denn die S-Bahnlinie 2 ist bekannterweise nicht gerade die verlässlichste. Knapp eine Stunde dauert die Fahrt.

Begrüßung mit einem „Määähhh!“

Der Bauernhof ist in knapp fünf Gehminuten vom S-Bahnhof Wollankstraße zu erreichen. Ich laufe durch einen kleinen Park – und schon überkommt mich der typische Bauernhof-Duft nach Stroh, Dung und Heu. Ich folge der Fährte und erreiche mein Ziel. Pünktlich.

Ich öffne das Tor zum Hof und werde mit einem lauten „Määähhh!“ begrüßt. Ein Mann in grüner Latzhose und Gummistiefeln schiebt seine Schubkarre vor sich her. Einige Jugendliche frühstücken ausgelassen in der Hofküche, lachen und reden miteinander. Eine familiäre Stimmung liegt über dem Hof. Ich setze mich auf eine kleine Holzbank und warte auf die Leiterin des Bauernhofes, Annett Rose. Die Zeit vertreibe ich mir mit Smalltalk mit Julian vor den Hasenställen.

Der 15- Jährige ist seit ein paar Monaten als Schülerpraktikant auf dem Bauernhof tätig und hilft, wo er nur kann. Er geht bei der Tierpflege zur Hand und repariert Gegenstände. Gerade sind die Hasenställe dran. Das Gehege muss sauber gemacht werden. Für Julian sind die Bauernhoftiere mehr als nur Tiere. Er weißt sehr viel über die Abläufe auf dem Hof. Er erzählt mir auch, wer momentan noch alles in den Ställen wohnt. „Enten, Gänse, Esel, Kaninchen, Schweine und Hühner leben derzeit in den Gehegen“, sagt Julian stolz. Und dachten Sie auch so wie ich, dass Schweine alles fressen? Julian belehrt mich eines Besseren: „Unsere Schweine bekommen Wasser, vermischt mit Gemüse.“

Kinderbauernhof ist für jede Spende dankbar

Annett Rose, Gründerin und Leiterin des Bauernhofs, ist eingetroffen. Ich setze mich mit ihr zusammen und frage sie, wie sich solch ein Bauernhof rentiert. Sie selbst ist Sozialpädagogin, Träger ist der Verein Spielraum Pankow e. V. „Wir sind auf die Hilfe von Bürgern angewiesen. Für jede Spende sind wir überaus dankbar“, sagt Rose. „Doch ohne die Zuschüsse der Stadt Berlin und den Spenden der Bürger würde es uns schon lange nicht mehr geben.“

Rund 40.000 Euro im Jahr kostet die Versorgung der Tiere insgesamt. Eine große Summe für einen kleinen Bauernhof. Annett Roses Bauernhof empfängt täglich viele Besucher – vor allem Kindergärten nehmen das kostengünstige Angebot an. Für 2,50 Euro kann man hier einen ganzen Tag verbringen. Doch ein Problem belastet die Chefin noch mehr als die Kosten. „Wir haben eine zu große Nachfrage für so wenig Platz. Sehr oft müssen wir den Gruppen absagen, da wir sonst einfach überlastet wären“, so Rose.

Das Ausmisten der Ställe dauert vier Stunden

Am Eselstall treffe ich Lea. Auch die 18-Jährige packt hier an. Sie möchte irgendwann Jura studieren. Doch erst einmal entschied sie sich für ein Freiwilliges Ökologisches Jahr und arbeitet seit Januar fünf Tage die Woche auf dem Hof. Besonders gern hat sie die Esel Bruja und Momo. Jedes Tier bekommt auf dem Hof einen Namen. „Das ist auch gut so“, sagte die angehende Studentin. Lea kann sich alle Namen der Tiere merken – mir wird das an einem Tag nicht gelingen.

Die Esel- und Ziegengehege werden morgens und abends gesäubert. Hühner-, Kaninchen- und Schweineställe müssen nur morgens sauber gemacht werden. Auch ich packe an. Mit Schubkarre und Schaufel ausgerüstet, gehe ich mit den fleißigen Helfern von Stall zu Stall. Rund vier Stunden nimmt das Ausmisten in Anspruch. Ein echter Knochenjob, wie mir schon beim ersten Gehege klar wird. Das Futter für die Tiere ist mit viel Liebe zubereitet. Gurken, Tomaten, Pudding – was da hinter den alten Holzplatten des Schuppens gestapelt liegt, sieht fast aus wie ein kleiner Supermarkt. Aber es ist alles natürlich für die Tiere.

Altes Obst und Gemüse schenkt ihnen der Supermarkt

Doch die Vorräte im Futterhaus müssen täglich neu aufgefüllt werden, denn die Tiere werden zwei Mal am Tag gefüttert. Da geht dann doch einiges weg. Lieferanten, die Gemüse und Obst bringen, gibt es nicht. Täglich machen sich die Mitarbeiter des Hofes mit einem Bollerwagen zu einem nächstgelegenen Supermarkt auf den Weg. Das alte Obst und Gemüse, das dort nicht mehr verkauft werden kann, spendet die Filiale den Tieren.

Auch ich mache mich mit auf den Weg zum Supermarkt. Es ist knapp 14 Uhr, es ist heiß, etwa 30 Grad. Circa zehn Gehminuten ist der Laden entfernt. Plötzlich fliegt ein Paar Handschuhe in meine Hände. „Magst du mitmachen?“, fragte mich Lea. Ich nicke, weiß aber nicht, was auf mich zukommt.

Verfüttert wird gespendetes Gemüse und Obst

Ich stülpe mir die Handschuhe über die Hände und steige mit auf die Lieferantentreppe des Supermarktes. Da sind sie: die vielen Kisten voller Obst und Gemüse, das keiner mehr kaufen will. Ich nehme eine Kiste und will sie in den Bollerwagen stellen. „Halt“, ruft Lea. „Wir müssen die Kisten sortieren“, sagte sie. „Die Tiere sollen nur das richtige Gemüse und Obst bekommen.“ In diesem Moment weiß ich dann auch, wozu die Handschuhe gut sind. Jetzt wird es matschig und klebrig. Verschwitzt komme ich mit den Mädchen wieder auf dem Bauernhof an. Es ist bereits 16 Uhr. Meine Beine zittern vom vielen Laufen, meine Haut riecht nach Heu. Doch meine Schicht ist noch nicht zu Ende, denn nun geht es ans Auffüllen der Kisten im Futterhaus.

Nach getaner Arbeit gibt es noch eine Belohnung. Mit einer selbst gemachten Pizza im Gepäck geht es dann für mich wieder in die Redaktion. Am nächsten Morgen kann ich wieder zwei Stunden länger schlafen. Was zwei Stunden ausmachen, ist unglaublich. Doch der Muskelkater vom vielen Bewegen sitzt sehr tief und macht sich auch am Schreibtisch in der Redaktion immer wieder bemerkbar.

Mein Fazit: Einen Tag auf dem Kinderbauernhof Pinke-Panke kann ich empfehlen. Es gibt viele Tiere zu bestaunen, auch einige, die man sonst selten zu Gesicht bekommt. Wer sieht denn schon einen Esel im echten Leben? Für mich selber habe ich gelernt, wie schwer es doch ist, einen Bauernhof zu bewirtschaften. Viel Schweiß, Geld und Liebe wird da hineingesteckt. Alles zum Wohl der Tiere – und natürlich der großen und kleinen Menschen, die sich an ihnen erfreuen.

Pankow: Kinderbauernhof Pinke-Panke: Am Bürgerpark 15–18, 13156 Berlin, Anfahrt über S-Bahn Wollankstraße. Geöffnet: bis 31. Oktober Di. bis Fr., 12–18.30 Uhr, Wochenenden u. Ferien 10–18.30 Uhr, Mo. geschlossen. Im Winter schließt der Kinderbauernhof eine Stunde früher.

Kreuzberg: Kinderbauernhof auf dem Görlitzer: Wiener Straße 59b, 10999 Berlin. Geöffnet im Sommer: Mo., Di., Do., Fr., 10–19 Uhr, Sbd./ So. 11–18 Uhr. Mi. geschlossen.

Tempelhof: Kinderbauernhof in der Ufa-Fa­brik: Viktoriastraße 10–18, 12105 Berlin. Geöffnet Mo.–Fr., 10–18 Uhr, Sbd./So. 12–15 Uhr, montags Ruhetag für die Tiere.

Steglitz-Zehlendorf: Die Domäne Dahlem: Königin-Luise-Straße 49, 14195 Berlin, ist ein großes landwirtschaftliches Freilichtmuseum und ein Informationsort für große und kleine Besucher. In den Ferien gibt es immer mittwochs (15 Uhr) und freitags (11 Uhr) Tierrundgänge für Kinder, wahlweise mit Traktorfahrt. Anmelden (begrenzte Teilnehmerzahl), vor Beginn bitte an der Museumskasse Tickets kaufen, Kosten: drei Euro (Tierrundgang) + 1,50 Euro (Traktorfahrt).

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