Eine Fahrt mit Tram und Fähre, dann ist man im Urlaub. Ein Besuch auf dem Campingplatz „Kuhle Wampe“ in Köpenick.
Berlin. Der legendäre Zeltplatz „Kuhle Wampe“. Liegt der eigentlich noch in Berlin? Bevor ich meinen Kurzurlaub dahin antrete, werfe ich einen Blick auf die Karte. Und tatsächlich, gerade so. Aber wirklich jwd – janz weit draußen, am Rand von Köpenick.
Meine Reise in Berlins grünen Südosten beginnt passenderweise am S-Bahnhof Grünau. Dort steige ich in die Tram 68 in Richtung Alt-Schmöckwitz. Sie kommt vom Zentrum Köpenicks mit der Altstadt, dem Schloss und dem Rathaus. Ab hier geht es fast ausschließlich durch den Wald. Hin und wieder offenbart sich auf der linken Seite der Lange See, wie die Dahme hier heißt.
Mit der Fähre zum Zeltplatz
Es ist ein heißer Nachmittag. Die volle Tram leert sich schlagartig am Strandbad Grünau. Für mich geht es weiter nach Schmöckwitz. Ich steige an der Haltestelle Zum Seeblick aus und laufe knapp 300 Meter hinunter ans Wasser. Alle 30 Minuten führt hier eine Fähre der Linie 21 zur Krampenburg – der gegenüberliegenden Halbinsel, die zum Stadtteil Müggelheim gehört.
Mit mir besteigt nur eine Handvoll Fahrgäste das Boot. Die kurze, aber malerisch schöne Fahrt führt erst über das offene Wasser, dann am südlichen Ende der Halbinsel vorbei, wo Datschen am Ufer stehen. Nach knapp acht Minuten legt die Fähre in einer kleinen Bucht an.
„Kuhle Wampe“ bedeutet „leerer Bauch“
Dort beginnt auch direkt das Zeltplatzgelände. Zum Eingang sind es knapp 30 Meter. Am kleinen Gartentor fällt ein Schild auf. „Kuhle Wampe – ein Mythos“ wird der Schriftsteller Bertold Brecht darauf zitiert. „Kuhle Wampe oder: Wem gehört die Welt?“ lautet der Titel eines Films von 1932. Brecht schrieb das Drehbuch. Der legendäre Arbeiterzeltplatz, dem darin ein Denkmal gesetzt wurde, lag allerdings woanders – wenige Kilometer nördlich von hier am Südufer des Müggelsees. Er bestand ab 1913 und wurde 1935 von den Nationalsozialisten aufgelöst. Der Name meinte wohl so viel wie „leerer Bauch“ – eine Kuhle, die die Arbeiter damals oft vor Hunger in ihren Wampen hatten.
Er wurde 1972 von der FDJ wieder aufgegriffen, die auf dem heutigen Gelände einen Jugendzeltplatz betrieb. 1991 wurde der Platz vom Zeltsportverein Seddiner Zeltler übernommen. Der Name blieb. „Wir konnten uns damit gut identifizieren“, wie mir Norman Heinz aus dem Vereinsvorstand später erklärt.
Eine andere Welt beginnt hinter dem Eingangstor
Hinter dem Eingangstor beginnt eine andere Welt. Erkunden kann ich sie aber erst später. Denn mein erster Weg führt mich zunächst zum Platzwart und dann zur Badestelle an der Großen Krampe am östlichen Ende des Platzes. Während zwei Kinder im Wasser toben, baue ich mein Zelt neben einem anderen auf.
Es ist zwar nach wenigen Minuten bezugsfertig, aber irgendwie hatte ich es größer in Erinnerung. Und tatsächlich: Beim ersten Probeliegen fällt die Konstruktion wieder in sich zusammen. „Platz is’ in der kleensten Hütte, wa?“, amüsiert sich ein Camper, der das Schauspiel aus der Entfernung beobachtet hat.
Früher hatten Fischer hier ihr Quartier
Als meine Behausung wieder steht, sehe ich mich auf dem Platz um. Ich gehe am südlichen Ufer entlang. Links liegen Hausboote, rechts knapp 25 Bungalows. Die ältesten sind mehr als 100 Jahre alt. Früher haben Fischer hier Quartier bezogen. Heute sind die Veranden der Holzhütten hübsch mit Blumen verziert. Vor dem großen Gebäude in der Mitte des Geländes, in dem die Sanitäranlagen sowie die Sport- und Gemeinschaftsräume untergebracht sind, ist gerade ein Tischtennisturnier im Gange.
Nördlich davon beginnt der eigentliche Campingplatz. Geordnete Spießigkeit sucht man hier aber vergebens. Anders als erwartet stehen die Wohnwagen nicht in Reih und Glied, sondern relativ kreuz und quer auf dem Gelände verteilt.
Peggy Rosenau lädt mich in das Vorzelt ihres Campers direkt am Wasser ein. Auf knapp 20 Quadratmetern stehen hier ein Tisch, Stühle, eine komplette Küchenzeile und ein Kühlschrank. So komfortabel sei es jedoch nicht immer zugegangen. „Ich bin praktisch auf einem Zeltplatz aufgewachsen – hier ganz um die Ecke“, so die 50 Jahre alte Kitaleiterin. Damals aber noch mit Plumpsklo, ohne Duschen und Strom. „Als ich dann erwachsen wurde, war erst mal nichts mehr mit Camping.“ Erst die Geburt ihrer Tochter habe sie und Ehemann Ralf vor 20 Jahren wieder auf den Zeltplatz gebracht. Die „Kuhle Wampe“ würde sie heute nicht mehr missen wollen. Seit Jahren verbringe sie hier regelmäßig ihren Sommerurlaub.
Sie schätze vor allem die Ruhe und Entspannung, aber auch die relativ kurze Anfahrt aus der heimischen Wohnung in Friedrichshain. „Manchmal würden wir gern richtig herziehen, aber der Arbeitsweg wäre dann doch zu weit“, lacht Rosenau. Das Schönste sei jedoch die Gemeinschaft. Man helfe sich gegenseitig. Einer habe immer ein Boot, mit dem man rausfahren kann. Ein anderer immer das passende Werkzeug. Um aber auf diesem engen Raum miteinander zurechtzukommen, brauche es Empathie und eine gewisse Offenheit.
„Wir sind nicht exklusiv und schotten uns nicht ab“
Denn diese Gemeinschaft ist bunt gemischt. Rund 240 Mitglieder zählt der Zeltsportverein. Auf engstem Raum trifft Alt auf Jung, Ost auf West, Arzt auf Anlagenmechaniker, Langzeit- auf Neucamper. „Wir sind hier nicht exklusiv und schotten uns nicht ab, im Gegenteil“, sagt Norman Heinz aus dem Vereinsvorstand. Bloß kein Einheitsbrei, auch wenn das nicht immer konfliktfrei sei. Egal aus welchem Milieu, mit welchem Bildungsgrad oder Einkommen – alle seien willkommen, hier Erholung zu finden, so der 38-Jährige. Außerdem brächten Kurzzeitcamper aus dem Ausland immer wieder frischen Wind rein. Diese würden nur hin und wieder unterschätzen, wie abgeschieden der Platz liegt. „Wir hatten mal einen Engländer hier, der spätabends mit dem Fahrrad seine Freunde in Kreuzberg besuchen wollte“, so Heinz sichtlich amüsiert. Die Mission sei zum Scheitern verurteilt gewesen.
Eben diese Abgelegenheit schätzt Heide Kolling. Die Grafikdesignerin sitzt vor ihrem alten Wohnwagen. „Er ist etwas rumpelig, aber das gefällt uns“, so die 41 Jahre alte Neuköllnerin, die vor fünf Jahren mit ihrer Familie auf die „Kuhle Wampe“ kam. „Das Schönste hier ist die Natur – morgens direkt aus dem Bett fallen, barfuß auf die Wiese gehen und beim Frühstück zusehen, wie Eichhörnchen und Kleiber an den Bäumen rauf- und runterrennen.“ Vor allem für ihre siebenjährige Tochter sei das toll. Denn so würde sie als Stadtkind mit der Natur in Kontakt kommen.
Den Sonnenuntergang vom Steg aus verfolgen
Am Abend mache ich einen Abstecher zur Gaststätte am Eingang des Platzes. Ein Schild verspricht selbst gebackenen Kuchen und täglich frische, hausgemachte Gerichte. Ich entscheide mich für die Currywurst. Diese wird mit einer selbst gemachten Soße nach einem Geheimrezept serviert, wie mir Wirtin Heike Meyer versichert. Nach dem leckeren Essen beschließe ich, mich im klaren Wasser der Großen Krampe etwas abzukühlen. Anschließend folge ich Peggy Rosenaus Rat, verlasse den Platz und gehe zur anderen Seite der Halbinsel. Dort haben sich schon viele der Camper auf einem kleinen Steg zusammengefunden. Sie blicken gebannt gen Westen, wo die Sonne blutrot über dem Wald jenseits der Dahme versinkt.
So ist ein Kurzurlaub mit dem Hausboot auf Berlins Gewässern
Mit Einbruch der Dunkelheit wird es auf der „Kuhlen Wampe“ ruhig. Die Gaststätte ist geschlossen. Vereinzelt sitzen Leute vor ihren Wohnwagen, unterhalten sich, arbeiten am Computer, trinken Bier oder spielen Karten. Neben meinem Zelt an der Badestelle wartet ein Angler darauf, dass etwas anbeißt. Ich setze mich ans Wasser. Eine leichte Brise weht vom Müggelheimer Wald herüber. Die Luft riecht frisch und ein wenig so, als hätte es gerade geregnet. Fledermäuse haben längst den Luftraum am Ufer erobert. Ein Blick in den leuchtenden Sternenhimmel lässt mich schließlich den Alltagsstress vergessen. Nicht ohne mein Zelt ein weiteres Mal zum Einsturz zu bringen, lege ich mich schlafen.
Zurück geht es erholter, als ich gedacht hätte
Am nächsten Morgen werde ich von einem Rascheln geweckt. Die junge Familie im Nachbarzelt ist grade dabei, ihr Frühstück vorzubereiten. Ich bin ausgeschlafener als gedacht und fühle mich tatsächlich erholt. Und auch der harte Boden hat meinem Rücken weniger ausgemacht als befürchtet. Bis zur ersten Fähre ist noch etwas Zeit. Ich beschließe also, ein weiteres Mal schwimmen zu gehen. Ich verscheuche die Enten, die es sich über Nacht am Ufer gemütlich gemacht haben, und durchquere den schmalen See bis zur gegenüberliegenden Seite. Anschließend packe ich meine Siebensachen und mache mich auf zur Fähre. Etwas wehmütig lasse ich Ruhe und Natur hinter mir und trete die Fahrt zurück in die Stadt an. Zurück nach Berlin, obwohl ich es die ganze Zeit nicht verlassen habe.
So kommt man zum Zeltplatz "Kuhle Wampe"
Allein wegen des schönen Weges lohnt sich die Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln. An den S-Bahnhöfen Köpenick und Grünau fährt im 20-Minuten-Takt die Tram 68 in Richtung Alt-Schmöckwitz. Ab der Station Zum Seeblick sind es wenige Fußminuten zur Fähre 21. Diese verkehrt in den Sommermonaten dienstags bis freitags zwischen zehn und 18 Uhr und am Wochenende bis 19 Uhr. Montags gibt es keinen Fährbetrieb.Wer mit dem Auto kommt, fährt über Müggelheim und folgt ab dem Dorfanger der Ausschilderung zur Krampenburg. Vor der „Kuhlen Wampe“ ist allerdings nur be- und entladen möglich. Der letzte Parkplatz befindet sich am Waldeingang rund zweieinhalb Kilometer entfernt.
Übernachtung Die Nacht im eigenen Zelt kostet zehn Euro pro Person. Für jeden weiteren Erwachsenen werden sechs Euro fällig, Schüler zahlen 3,50 Euro. Eine Übernachtung im eigenen Wohnmobil ist derzeit nicht möglich, da alle Stellplätze von den Vereinsmitgliedern besetzt sind. Eine Neumitgliedschaft ist wegen den hohen Andrangs zur Zeit ebenfalls nicht möglich. Weitere Informationen und Preise finden sich im Internet auf zeltplatz-kuhle-wampe.de. Anmeldungen werden telefonisch unter 030 659 86 21 oder Info-campingberlin@zeltplatz-kuhle-wampe.de entgegengenommen.
Adresse Zeltplatz „Kuhle Wampe“, Straße zur Krampenburg, 12559 Berlin