Berlin. Bei Anruf auf Bestellung Drogen frei Haus: Was in Berlin mit Pizza, Burger asiatischem oder indischem Essen möglich ist, funktioniert fast beinahe genauso einfach bei Rauschgift. Seit Dienstag ist der Markt allerdings um einen Anbieter ärmer, nachdem die Polizei am Morgen im Auftrag der Berliner Staatsanwaltschaft mehrere Objekte durchsuchte und vier Personen festnahm.
Gegen die drei 20, 23 und 31 Jahre alten Männer sowie gegen eine eine 32-jährige Frau wurden Haftbefehle vollstreckt. Laut Polizei wurde daneben eine weitere Person festgenommen. Sie stehen laut Staatsanwaltschaft im dringenden Tatverdacht, einen Lieferservice für Drogen – besser bekannt als „Koks-Taxis“ – betrieben zu haben.
Weitere Meldungen von der Polizei Berlin:
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Neben den mutmaßlichen Köpfen der Gruppe würde auch gegen sieben Gehilfen und 17 Kurierfahrerinnen und Kurierfahrer ermittelt, wie es von der Staatsanwaltschaft heißt. „Gegen die Gruppierung besteht der Verdacht des bandenmäßigen illegalen Handels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.“ Außerdem rückte die Polizei am Dienstagmorgen zu Razzien an 26 Orte in Berlin und an zwei im niedersächsischen Hildesheim aus.
Bande soll seit Mai 2022 aktiv gewesen sein
Die Tätigkeit begann laut Staatsanwaltschaft spätestens am 25. Mai letzten Jahres. Von da an bis zum 10. Januar soll die Koks-Taxi-Bande mindestens an 205 Tagen Rauschgift an Kunden ausgeliefert haben. „Da mehrere Lieferungen an diesen Tagen erfolgt sind, liegt die Zahl der Einzellieferungen wohl noch höher.“
Insgesamt 320 Beamte der Berliner Polizei waren dazu am Dienstagmorgen im Einsatz und durchsuchten neben den Anschriften auch sogenannte „Bunkerwohnungen“, in denen die Drogen gelagert worden seien. Dabei seien neben mehreren Kilogramm Kokain auch Bargeld, digitale Speichermedien und drei Fahrzeuge beschlagnahmt worden – darunter ein hochwertiger Mercedes. Die sichergestellten Datenträger und Mobiltelefone würden nun ausgewertet. Hinweise auf Verbindungen ins Clan-Milieu liegen laut eines Polizeisprechers nicht vor.
Bereits in der Nacht zuvor ging Zivilbeamten in Kreuzberg ein Koks-Taxi ins Netz. Nach kurzer Verfolgungsfahrt konnte der Smart auf der Urbanstraße von zwei Polizeiwagen eingekeilt werden. Der Fahrer wurde festgenommen, Drogen und Geld sichergestellt.
In Berlin an Drogen zu gelangen, ist mittlerweile einfacher denn je. Etwa auf Messangerdiensten wie WhatsApp und stärker Telegram finden sich mehrere Gruppen, in denen Händler ihr Angebot fast einer Speisekarte gleich vorstellen und um die Gunst des potenziellen Käufers konkurrieren.
Drogenbestellung ist dank Internet einfacher denn je
Wenn der eine das Gramm Kokain für 100 Euro anbietet, kommt es nicht selten vor, das der nächste nur 80 haben möchte. Mengenrabatte werden ab einem bestimmten Bestellumfang immer angeboten. Vor allem zum Wochenende versuchen sich die Händler, immer weiter gegenseitig zu unterbieten.
Auch der Bestellvorgang ist denkbar einfach und von dem bei einem Essenslieferanten kaum zu unterscheiden. Statt Gericht gibt man neben der Lieferadresse Droge und Menge an, die man dann meist nur wenig später an der Haustür im Tausch gegen Bargeld entgegennehmen kann.
„Wir erleben heute eine sehr mobile Dealer-Szene, die es uns immer schwerer macht, gefährliche Substanzen von der Straße zu holen und Täter beweissicher festzunehmen“, sagt Stephan Weh, Berliner Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Der Handel über Koks-Taxis ist in wenigen Augenblicken erledigt, weshalb uns nur ein Bruchteil dieser überhaupt ins Netz geht und entsprechende Maßnahmen sehr viel Personal binden.“
Im Netz werden neben Kokain auch andere Drogen wie Heroin angeboten
Manche dieser Gruppen sind öffentlich, in andere gelangt man nur auf Einladung eines Mitglieds. Angeboten wird vor allem Cannabis und Kokain. Auf der „Speisekarte“ einiger Händler findet sich aber auch Heroin, Ketamin, Tilidin, Viagra, LSD und mitunter sogar Falschgeld. Bei der Abteilung für Rauschgift- und Arzneimittelkriminalität beim Berliner Landeskriminalamt (LKA) geht man von einer dreistelligen Zahl solcher Gruppen mit drei- bis fünfstelligen Mitgliederzahlen aus.
Man versuche alles, diese Aktivitäten zurückzudrängen, sagte Olaf Schremm, Leiter der Drogenfahndung, der Morgenpost im vergangenen Frühjahr. Zum Teil leite man dazu Scheingeschäfte ein, um zumindest die Lieferanten aus dem Verkehr zu ziehen. Die seien allerdings nur das letzte Glied der Kette. Die Administratoren würden mitunter im Ausland sitzen.
Seit Jahren erlebt Berlin eine regelrechte Kokainschwemme. Zum Feiern gehört es für junge Menschen mittlerweile dazu. Andere wiederum nutzen die aufputschende und euphorisierende Wirkung, um besser im Alltags- und Arbeitsleben zurechtzukommen. Der Konsum der Berliner hat offensichtlich im Zuge der Corona-Pandemie deutlich zugenommen. Die Konzentration der Droge im Berliner Abwasser hat sich zwischen 2020 und 2021 verdoppelt.
Kokain macht schwer psychisch abhängig
Kokain macht stark psychisch abhängig. Der fortgesetzte Kokainkonsum kann zu schweren psychischen und physischen Schäden führen – etwa Psychosen oder Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems führen. Die Deutsche Herzstiftung warnt, dass auch junge und gesunde Menschen selbst bei einmaligem Konsum einen Herzinfarkt erleiden können.