Organisierte Kriminalität

Hells Angels: Razzien in Berlin und Brandenburg

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Bei den Razzien gegen die Rockergruppierung Hells Angels wurde auch in Berlin-Weißensee  ein Gelände durchsucht.

Bei den Razzien gegen die Rockergruppierung Hells Angels wurde auch in Berlin-Weißensee ein Gelände durchsucht.

Die Polizei hat sieben Hells-Angels-Mitglieder verhaftet. Ermöglicht wurden die Razzien durch die Auswertung von "Encrochat"-Daten.

Berlin/Potsdam. Polizisten sind am Donnerstagmorgen in Berlin und Brandenburg gegen Mitglieder der Rockergruppierung Hells Angels vorgegangen. Sieben Beschuldigte wurden verhaftet, wie die Behörden mitteilten. Zuerst hatte die "B.Z." darüber berichtet. 230 Beamte sind laut Berliner Staatsanwaltschaft im Einsatz.

In Brandenburg durchsuchten Ermittler des Landeskriminalamts und der Polizeidirektion West sechs Wohnungen in Potsdam sowie in Werder, Stahnsdorf und Saarmund im Kreis Potsdam-Mittelmark. Dabei kamen auch Spezialeinheiten, die Bereitschaftspolizei und Diensthunde samt Hundeführer zum Einsatz. Insgesamt waren 130 Kräfte beteiligt.

Dabei wurden drei Personen im Alter von 38, 41 und 44 Jahren verhaftet, die alle den Hells Angels angehören sollen. Die Ermittlungen richten sich noch gegen einen vierten Mann, der nicht Mitglied des Clubs ist und der nicht verhaftet wurde.

Razzien gegen Hells Angels: Drogen und Bargeld sichergestellt

Die Ermittler stellten laut Polizei geringe Drogenmengen, Mobiltelefone, Datenträger, 30.000 Euro Bargeld, eine Machete sowie einen als Taschenlampe getarnten Elektroschocker fest.

Zu den vier Verhaftungen in Berlin gibt es noch keine näheren Angaben. In der Hauptstadt hätten die Ermittler unter anderem eine Werkstatt in Weißensee durchsucht, hieß es.

Die Berliner Staatsanwaltschaft schrieb bei Twitter, es gebe 18 Durchsuchungsbeschlüsse und vier Haftbefehle, darunter wegen Handels mit Rauschgift, Waffen und Kriegswaffen.

Razzien bei Hells Angels: Ermittler sichern Datenträger, Handys und Vermögenswerte

Die Razzien gehen auf die Auswertung sogenannter Encrochat-Daten zurück. Der besonders verschlüsselte Messenger-Dienst wird vor allem von Kriminellen genutzt. Der Polizei in den Niederlanden und Frankreich war es im vergangenen Jahr gelungen, mehr als 20 Millionen geheimer Nachrichten abzuschöpfen. 60.000 Teilnehmer hätten den Chatdienst genutzt, weil es hieß, die Technik sei schwer zu knacken.

Den aktuellen Durchsuchungen seien mehrmonatige Ermittlungen vorausgegangen, so der Potsdamer Polizeisprecher. Ziel der Durchsuchungen seien Beweismittel wie Datenträger, Handys und Vermögenswerte, so der Potsdamer Polizeisprecher.

"Encrochat ist eine absolute Goldgrube"

Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Berlin, teilte zu den Durchsuchungen mit: "Encrochat ist eine absolute Goldgrube für die Sicherheitsbehörden, weil Kriminelle hier über Jahre vollkommen offen über Straftaten kommuniziert haben."

Dass sich unter den Nutzern auch Mitglieder der Hells Angels wiederfinden, könne niemanden überraschen, so der Sprecher weiter. Die Gruppierung sei eine "gefährliche Konstante in der organisierten Kriminalität", die auch vor Waffengewalt nicht zurückschrecke.

Der Berliner SPD-Innenexperte Tom Schreiber schrieb bei Twitter: "Es ist erfreulich, dass aus den Encrochats weitere Personen aus der OK identifiziert werden können & Haftbefehle vollstreckt werden. Die Rockerkriminalität muss weiterhin im Blickpunkt bleiben."

In Brandenburg 60 Ermittlungsverfahren wegen Encrochat

In Brandenburg werden Ermittlungen gegen 60 Tatverdächtige auf Grundlage der Encrochat-Daten geführt, wie das Polizeipräsidium in Potsdam im Juli mitteilte. Diese stehen demnach in der Regel im Zusammenhang mit Drogendelikten.

So konnten 160 Kilogramm Marihuana, rund 6,3 Kilogram Amphetamin, fast 13 Kilogramm Crystal Meth, ein Kilogramm Kokain sowie andere Drogen sichergestellt werden. Außerdem wurden bei Durchsuchungen in der Vergangenheit Waffen, Munition und Vermögenswerte im Wert von rund 1,7 Millionen Euro sichergestellt. 24 Personen sitzen in Haft.

Die Berliner Strafverfolgungsbehörden bearbeiteten mit Stand Juli insgesamt 550 Verfahren und stellte in diesem Zusammenhang fast 100 Kilogramm verschiedener Betäubungsmittel sicher.

Berliner Justiz bekommt mehr Personal für Encrochat-Verfahren

Das Berliner Landgericht wollte Anfang Juli die Anklage gegen einen mutmaßlichen Drogendealer auf Grundlage der Encrochat-Daten nicht zulassen. Nach einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft kassierte das Berliner Kammergericht den Beschluss Ende August und entschied, dass die Daten verwertet werden dürfen.

Beim Berliner Landgericht rechnet man daher mit 400 zusätzlichen Anklagen. Die Berliner Justizverwaltung kündigte zuletzt an, dass dass dieser Arbeitsbelastung mit drei bis fünf neuen Strafkammern begegnet werden soll.

Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) kündigte nach der Razzia weitere umfangreiche Strafverfolgungen im Zusammenhang mit den entschlüsselten Encrochat-Daten an. Zu erwarten sei noch eine „hohe Zahl“ von Encrochat-Verfahren, teilte seine Behörde mit. "Mit einer neuen Abteilung bei der Staatsanwaltschaft zu Encrochat-Verfahren und zusätzlichen Kammern am Landgericht reagieren wir nun auf die vielen Verfahren, die uns in den kommenden Jahren erreichen werden.“ Er betonte: „Die Berliner Staatsanwaltschaft erhöht den Verfolgungsdruck und zeigt: Straftaten lohnen nicht.“

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( psi/bee )