Berlin. Sie wollten unauffällig sein: Vier Männer in der orangefarbenen Arbeitskleidung der Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) warteten am Freitagmorgen am Kurfürstendamm auf ihre Opfer. Es war 10 Uhr, als die Räuber einen Geldtransporter in aller Öffentlichkeit direkt an der Ecke Bleibtreustraße vor einer Volksbank-Filiale überfielen.
Videos im Internet zeigen, wie kaltblütig die Täter vorgingen. Auf einem ist zu sehen, dass die Räuber in einem silbernen Audi 6 flüchteten. Die Aufnahme ist 22 Sekunden lang und aus erhöhter Position von einem Haus gegenüber aufgenommen. Zu sehen sind mehrere Täter, die etwas in den Kofferraum des Autos verladen. Ein anderes Video zeigt die Tat aus der entgegengesetzten Perspektive. Es wurde aus einer Arztpraxis heraus gefilmt. Zu sehen sind die vier Räuber, die an einer Seitentür des Geldtransportes stehen und Inhalte aus dem Laderaum hektisch in einen weißen Sack packen. Ein Wachmann liegt bereits verletzt am Boden. Zu hören ist eine Alarmanlage und eine Frau, die gerade die Polizei anruft: „Hier ist ein Überfall“.
Geldtransporter-Überfall am Kudamm: Ausgebrannter Fluchtwagen an Supermarkt gefunden
Laut Polizei überraschten die Räuber den Transporter, als dieser gerade vor der Bank-Filiale hielt. Die 37 und 60 Jahre alten Geldboten, die die Geldkassetten per Sackkarre in die Bank bringen wollten, wurden mit Reizgas besprüht und dann entwaffnet. Mit den Kassetten sollten die Geldautomaten aufgefüllt werden.
Eine Zeugin berichtete, dass sie aus dem Auto den Überfall beobachtet habe. Es seien vier Täter gewesen. Ein Mann habe zwei Pistolen auf sie und ihre Mitfahrer gerichtet. Zwei Komplizen hätten „Säcke mit Geld transportiert“ und in einen Wagen gepackt. Ein Mann habe am Steuer des silbernen Fluchtwagens gesessen. Dessen Kofferraum habe sich nicht ganz schließen lassen. Ein weiterer Mann habe auf dem Boden gelegen, möglicherweise ein Wachmann. „Es war ein großer Schock, ich hatte totale Angst“, sagte die junge Frau.
Laut einem Polizeisprecher bedrohten die Räuber die Wachleute mit Waffen, sprühten mit Reizgas und flüchteten dann mit einem silberfarbenen Audi vermutlich über die Stadtautobahn. Später wurde an der Bessemerstraße auf einem Supermarktparkplatz südlich der Stadtautobahn in Tempelhof-Schöneberg ein Auto gleichen Typs angezündet. Die Polizei prüfe nun, ob es sich um den Fluchtwagen handelt. Alle Anzeichen lassen darauf schließen, dass es so war. Der Wagen wurde noch am frühen Nachmittag abtransportiert.
„Das Vorgehen spricht dafür, dass das relativ organisiert war. Die Täter sind rücksichtlos vorgegangen, um an die Beute zu gelangen. Es wurde Gewalt angewendet“, sagte ein Polizeisprecher.
Das ausgebrannte Fahrzeug werde nun untersucht. Außerdem würden Spuren vom Tatort gesichert, es gebe zudem viele Zeugenaussagen. „Natürlich werden auch Zusammenhänge zu vorangegangenen Taten geprüft“, so der Sprecher. Ob Indizien in Richtung organisierte Kriminalität oder Clan-Kriminalität deuten würden, könne derzeit noch nicht gesagt werden.
Geldtransporter am Kudamm überfallen: Über die Höhe der Beute ist bislang nichts bekannt
Über die Höhe der Beute sei auch noch nichts bekannt. Die beiden verletzten Wachleute im Alter von 37 und 60 Jahren wurden in ein Krankenhaus gebracht. Mittlerweile haben sie es wieder verlassen. Die beiden seien ambulant behandelt worden, teilte die Polizei am Freitagabend mit.
Das Landeskriminalamt (LKA) hat die Ermittlungen übernommen. Der Tatort wurde weiträumig abgesperrt. Die Kriminalpolizei befragte Zeugen.
Geldtransporter-Überfälle in Berlin: Diese Taten sorgten für Aufsehen
In Berlin ist es in den vergangenen Monaten und Jahren immer wieder zu Überfällen auf Geldtransporter oder Geldboten gekommen:
- Am 17. Dezember 2020 wurden zwei Geldboten im Treptower Park Center überfallen. Drei Täter mit Schusswaffen passten die Geldboten vor einem Fahrstuhl im Treptower Park Center ab. Die Täter erbeuteten unter Einsatz von Reizgas einen Geldkoffer und konnten zunächst in einem Fahrzeug über die Beermannstraße in Richtung Neukölln fliehen.
- Am 15. Dezember 2020 hatten drei unbekannte Täter gegen 9.30 Uhr den Mitarbeiter eines Geld- und Werttransportunternehmens mit Schusswaffen bedroht, als dieser das Ikea-Möbelhaus am Sachsendamm durch einen Hintereingang verlassen hatte. Anschließend war das Trio in einem weißen Audi A8 mit einem Geldkoffer mit Bargeld geflüchtet. Im Januar hatte es eine Festnahme gegeben.
- Am 16. Juni 2020 überfielen Räuber einen Geldboten an der Detmolder Straße in Wilmersdorf. Sie bedrohten den Mann mit einer Schusswaffe und entrissen ihm den Geldkoffer mit einer halben Million Euro.
- Am 31. Juli 2020 haben vier Räuber einen Geldboten in einer Postbank-Filiale im Karstadt-Kaufhaus am Hermannplatz in Neukölln überfallen. Dabei versprühten sie Reizgas und versuchten, dem Mitarbeiter einen Geldkoffer zu entreißen. Ohne Erfolg, sie flüchteten in einem Auto ohne Beute. Durch das Reizgas wurden mehrere Personen verletzt und etwa 150 Polizisten durchsuchten das Kaufhaus. Während des Polizeieinsatzes fuhren die U-Bahnen der Linien 7 und 8 ohne Halt an der Station Hermannplatz durch.
- Am 4. August 2020 folgte ein Überfall auf die selbe Bankfiliale in Wilmersdorf wie im Juni. Die Täter rammten mit einem Wagen ein Fenstergitter und gelangten in das Gebäude. Ein Wachmann tauchte auf, mehrere Schüsse wurden abgefeuert, der Mann wurde getroffen. Die Täter zündeten das Auto an und liefen zur nahe gelegenen Autobahn 100, wo ein Fluchtfahrzeug wartete. Am nächsten Tag sperrte die Polizei für umfangreiche Fahndungsmaßnahmen mit speziellen Spürhunden die Stadtautobahn. Gefasst wurden die Täter bisher nicht.
Die Polizei hatte nach mehreren Überfällen auf unterschiedliche Vorgehensweisen der Täter hingewiesen, aber betont, ein Zusammenhang werde selbstverständlich geprüft.
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