Berlin. Auch Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) kam vorbei und verschaffte sich einen Eindruck von dem Polizeieinsatz in Neukölln.
Erneut hat die Berliner Polizei am Donnerstagabend in Berlin-Neukölln einen Großeinsatz im Clan-Millieu durchgeführt. Der Anlass waren Gewerbekontrollen. Unter anderen wurden ein Café und eine Shisha-Bar an der Fuldastraße überprüft. Anschließend kontrollierten Polizei, Steuerfahndung und Ordnungsamt mehrere Shisha-Bars an der Karl-Marx-Straße.
„Warum kontrollieren Sie immer uns?“
Vor einem Lokal an der Fuldastraße drohte die Situation am späten Donnerstagabend zu eskalieren. Mehrere junge Männer bauen sich vor Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) auf und reden sich in Rage. „Warum kontrollieren Sie immer uns“, fragt ein Mann. „Vergessen Sie nicht, wer Sie gewählt hat“, sagt ein anderer. Der Inhaber berichtet, dass ihm die Kündigung drohe, wenn sein Laden ständig mit großem Polizeiaufgebot kontrolliert werde. Hikel, freundlich, aber verbindlich im Ton, antwortet: „Es gibt einen Grund, warum wir so viel kontrollieren. Es ist eben nicht alles in Ordnung.“
Bargeld und Spielautomaten beschlagnahmt
Seit Monaten erhöht der Bezirk seinen Druck auf die Organisierte Kriminalität. Am Donnerstagabend rollt erneut ein Großaufgebot von Polizei, Steuerfahndern und Ordnungsamt durch Neukölln. Und auch am Donnerstag werden die Polizisten wieder fündig. Ein Lokal wird wegen fehlender Erlaubnisse versiegelt. In zwei weiteren Cafés werden Bargeld und Spielautomaten beschlagnahmt. Insgesamt registriert die Polizei 25 Verstöße. Auch kleinste Vergehen werden geahndet. „Niedrigschwelliges Einschreiten“ nennt Bezirksbürgermeister Hikel das.

„Warum geht ihr nicht in deutsche Restaurants?“
Nicht alle sind damit zufrieden. Der Gast eines Lokals an der Hobrechtstraße reagiert emotional, als die Polizei den Laden betritt. „Was soll das? Warum geht Ihr nicht in deutsche Restaurants? Ihr kontrolliert nur die Ausländer“, ruft der 56-Jährige den Beamten entgegen. Im Gespräch mit der Berliner Morgenpost berichtet der Mann, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, dass er seit 47 Jahren in Deutschland lebe, gebürtig aus der Türkei komme, einen deutschen Pass habe und sich in Neukölln zunehmend unwohl fühle. „Das war früher anders“, sagt er. Regelmäßig komme er in das Café, in dem nun Dutzende Polizisten stehen, um Tee zu trinken und „Okey“, ein Brettspiel, zu spielen. „Ich kenne den Besitzer. Hier ist alles in Ordnung“, sagt der Mann.
Razzia im Neuköllner Clan-Milieu: Auch Bezirksbürgermeister Hikel schaut vorbei
Das Lokal steht vor allem auf der Liste der Steuerfahnder. Mehrere Zehntausend Euro Steuern sollen nicht beglichen worden sein. In dem Café finden die Beamten dann unter anderem ein verbotenes Messer und versiegeln in einem Hinterzimmer Glücksspielautomaten. Im Gespräch mit dem aufgebrachten Gast sagt Martin Hikel, dass es hier nicht um Ausländer gehe: „Für mich sind Sie in erster Linie Neuköllner.“ Während die Polizisten ihrer Arbeit nachgehen, diskutiert Hikel eine Viertelstunde lang mit dem Mann. Am Ende geben sich beide die Hände. „Mein Bürgermeister“, sagt der 56-Jährige.

Dregger kommt als „Praktikant“ - und mit kugelsicherer Weste
Auch der Fraktionschef der CDU, Burkard Dregger, ist am Donnerstag bei der Razzia dabei. Während Hikel von seinem Fahrer begleitet wird, kommt Dregger mit Polizeischutz, mit kugelsicherer Weste und einem Namensschild der Polizei, auf dem „Praktikant“ steht. „Der Einsatz war schon lange geplant“, sagt Dregger. Der CDU-Innenexperte hatte zuletzt beim Leserforum der Berliner Morgenpost die Polizeieinsätze in Neukölln als „Showeinsätze“ kritisiert. Am Donnerstag bedankt er sich bei den Polizisten und wünscht „Alles Gute“.
Auch Autofahrer werden kontrolliert
Parallel zu den Gewerbekontrollen überprüft die Polizei am Donnerstag auch Autofahrer an der Hermannstraße. Im Fokus: sogenannte Profilierungsfahrer und hochkarätige Wagen. Auch hier stellen die Beamten wieder viele Verstöße fest: Vier Autos haben keine Versicherung, ein Fahrer ist ohne Fahrerlaubnis unterwegs, zwei Autos werden wegen technischer Mängel sichergestellt. Insgesamt registrierten die Beamten 450 Verkehrsordnungswidrigkeiten.
Doch nicht immer läuft es so, wie die Polizei sich das wünscht: Ein hochmotorisiertes Fahrzeug mit nicht zugelassenem Fahrgestell und abgefahrenen Reifen darf die Polizei nicht sicherstellen, weil der Halter Widerspruch einlegt und ein Bereitschaftsrichter der Sicherstellung nicht zustimmt. „Das passiert, wenn die Justiz keine Ahnung hat“, sagt ein sichtlich verärgerter Polizist.
Hintergrund: Einsatzort Shisha-Bar – so kämpft der Staat gegen Kriminelle
Kampf gegen arabische Clans: Immer wieder Einsätze in Neukölln
In Neukölln finden seit Monaten regelmäßig koordinierte Großeinsätze von Bezirk und Polizei statt. „Wir beobachten, dass Kiezgrößen davon genervt sind, weil wir ihr Geschäft stören“, heißt es aus dem Bezirk. Zuletzt waren Einsatzkräfte von Polizei, Steuerfahndungsamt, Hauptzollamt und Ordnungsamt am vorvergangenen Mittwoch rund um Sonnenallee, Hermann- und Karl-Marx-Straße unterwegs. Es handelte sich um den bislang größten Einsatz dieser Art in Berlin.
Thomas Spaniel, Vorstand der Gewerkschaft der Polizei (GdP) hatte nach dem Einsatz vom Mittwoch die polizeilichen Nutzen einer solchen „Showveranstaltung“ infrage gestellt. Zugleich sagte er: „Aber gerade beim Kampf gegen arabische Clans ist es wichtig, als Rechtsstaat immer wieder Stärke zu zeigen, sie regelmäßig aus ihrer Wohlfühlatmosphäre herauszuholen und nachhaltig zu agieren. Anders als anderen Vertretern der organisierten Kriminalität geht es ihnen um die öffentliche Zurschaustellung und da schadet es auf keinen Fall, ihnen auch öffentlich Grenzen aufzuzeigen.“