Der 55-jährige Bernd W. ist ein notorischer Pädophiler. Seit Mittwoch muss er sich wieder vor Gericht verantworten.

Bernd W. wirkt auf den ersten Blick ausgesprochen harmlos: ein kleiner, fülliger Mann, der sich erschrocken hinter einem Leitzordner verbirgt, als Fotografen und ein Kamerateam des RBB im Moabiter Kriminalgericht den Verhandlungssaal betreten. Doch der 55-Jährige - davon ist die Staatsanwaltschaft überzeugt - ist alles andere als harmlos. Sie hält ihn für einen gefährlichen Mann, vor dem es andere Menschen zu schützen gilt. So stehen nicht nur eine Verurteilung, sondern auch die anschließende Unterbringung in der Sicherungsverwahrung auf dem Plan.

Zielobjekte waren für Bernd W. stets kleine Mädchen. Im aktuellen Prozess geht es um eine Achtjährige, an der er sich immer wieder sexuell vergriff und sie zwang, so steht es im Anklagesatz, sich von ihm nackt und in „unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung“ fotografieren zu lassen.

Täter erschlich sich gezielt das Vertrauen der Eltern

Jana (Name geändert) ist eines von sechs Kindern, einer Familie aus Köpenick. Janas Anwalt Markus Lehmann, er vertritt vor Gericht für das Mädchen die Nebenklage, ist fest überzeugt, dass sich Bernd W. diese Familie bewusst ausgesucht hat. Er kannte Janas Mutter schon viele Jahre. Jenny K.s Eltern und er waren mal Nachbarn. Im Frühjahr 2016 trafen sich Jenny K. und Bernd W. in einem BVG-Bus. Janas Mutter, sie ist eine sehr einfache Frau, erzählte arglos von ihren Kindern. Und Bernd W. suchte anschließend - so Jenny K. vor Gericht - zielgerichtet den Kontakt.

Für Anwalt Lehmann ist das eine typische Konstellation: „Pädophile halten sich gern an hilfsbedürftige Familien, bieten Unterstützung an, verteilen Geschenke und erschleichen sie so das Vertrauen der Eltern.“

Zuvor wegen schweren sexuellen Missbrauchs vier Jahre und drei Monate im Gefängnis

Bernd W. gelang das mit aller bitteren Konsequenz. Jana durfte sogar mehrfach bei ihm übernachten. Er stand zu dieser Zeit unter so genannter Führungsaufsicht. Zuvor hatte er wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines anderen Mädchens vier Jahre und drei Monate im Gefängnis gesessen. Im Januar 2016 wurde er entlassen. Die Führungsaufsicht untersagte es ihm bei Strafe, sich Kindern auch nur zu nähern.

Jana erzählt zu Hause nichts von dem Missbrauch durch Onkel Bernd. Die Sache flog erst auf, als ein Zeuge Bernd W. in Begleitung mit Kindern der Familie K. sah. Der Zeuge wusste von den Auflagen der Führungsaufsicht und ging zur Polizei. Beamte des Landeskriminalamtes suchten Bernd W. auf, stellten ihn zu Rede, führten mit ihm eine „Gefährdungsansprache“. Er stritt zwar alles ab, blieb aber nachdenklich zurück.

Im Dezember 2016 erzählte er dann Janas Eltern, dass er mit ihrer Tochter „etwas Schlimmes getan“ habe. Er beschrieb auch Details. Janas Vater sagte damals, dass er am liebsten sofort die Polizei holen würde, Bernd W. aber die Chance gebe, sich selber zu stellen. Es gab also keine Möglichkeit mehr davonzukommen. Einige Tage später beichtete Bernd W. seiner Bewährungshelferin den Missbrauch. Sie informierte sofort die Polizei. Dort soll Bernd W. einen Teil der Taten gestanden haben. Anderes Beweismaterial fanden die Ermittler auf der Speicherkarte seines Handys.

Bewährungshelferin beschrieb Bernd W. als stabil

Die Bewährungshelferin hatte Bernd W. zuvor in mehreren Einschätzungen als stabil beschrieben; ein Mann bei dem mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Rückfall zu erwarten sei. Ähnlich positiv war die Prognose von Sozialtherapeuten, die Bernd W. im Gefängnis Tegel betreuten. Er galt als sozial stabil und tat auch alles, diesen Eindruck zu verstärken: Nach seiner Entlassung bezog er eine Wohnung. Er begann eine Beziehung mit einer jungen Frau, stellte sich ihren Eltern vor. Sein Sohn, der in Sachsen Anhalt lebte, zog wieder in seine Nähe. Bernd W. bezog eine Erwerbsunfähigkeitsrente, bekam eine Aufstockung vom Jobcenter, sein Leben schien geregelt. Was ihn aber nicht abhielt, sich an Jana zu vergreifen.

Sogar vom Gefängnis aus hatte er noch versucht, die Achtjährige telefonisch zu erreichen. Und zum Prozessauftakt beschimpft er die Staatsanwältin, weil die Anklage angeblich falsch sei. Anwalt Lehmann hofft, dass Bernd W. am nächsten Prozesstag - es ist der 21. August - ein Geständnis ablegen werde. Das könnte der ohnehin stark traumatisierten Jana die quälende Zeugenaussage vor Gericht ersparen.

Mehr zum Thema:

Sexualstraftäter steht erneut vor Gericht - und schweigt

Experte: Kindesmissbrauch per Webcam wird immer heftiger

Taylor Swift gewinnt Grabsch-Prozess gegen Radio-DJ