Die Zahl der Taschendiebstähle ist in Berlin auf ein Rekordhoch gestiegen. Das teilte die Berliner Polizei am Montag mit. Demnach wird damit gerechnet, dass in diesem Jahr etwa 50.000 Taschendiebstähle angezeigt werden. Das sind 25 Prozent mehr als im vergangenen Jahr (40.399) und viermal so viel wie in den Jahren 2009 und 2010. Bei den Tätern handelt es sich in den meisten Fällen um organisierte Banden aus Südosteuropa. Die Aufklärungsquote liegt zwischen drei und fünf Prozent.
Die dramatische Entwicklung verdeutlichen diese Zahlen aus der Kriminalstatistik:
2009: 11.833
2010: 13.191
2011: 15.127
2012: 17.978
2013: 20.794
2014: 32.121
2015: 40.399
2016: ca. 50.000
„Der Anstieg ist dramatisch“, sagte der zuständige Leiter beim Landeskriminalamt, Thomas Simmroß. Berlin sei eines der beliebtesten Ziele in Europa mit mehr als zwölf Millionen Touristen jährlich. Das ziehe auch Kriminelle an. Problematisch sei zudem, dass die Justiz keine abschreckenden Urteile fälle. „In Bayern bekommt ein Ersttäter auch mal sechs Monate auf Bewährung“, beklagte Simmroß gegenüber der Berliner Morgenpost. Daher wolle man als Berliner Polizei auch das Gespräch mit der Justiz suchen. „Wir gehen auf Richter und Staatsanwälte zu und wollen sie für die Problematik sensibilisieren. Wir hoffen, dass die Justiz härtere Urteile sprechen wird“, so Kriminaldirektor Simmroß weiter. Denn auch die Diebesbanden wüssten um die milde Justiz in der Hauptstadt.
Die Polizei hatte in der vergangenen Woche eine Kampagne zum Thema Taschendiebstahl gestartet. Mit der Bundespolizei wurden auf den großen Bahnhöfen und den Weihnachtsmärkten Menschen aufgeklärt und gewarnt. Pro Tag waren 250 Polizisten, darunter zivile Kräfte und Spezialisten des LKA, in der ganzen Stadt im Einsatz.
Die jüngste Tatverdächtige war 13
Insgesamt wurden in der vergangenen Woche 47 Verdächtige festgenommen, darunter auch fünf Kinder und Jugendliche. Die jüngste Tatverdächtige war ein 13-jähriges Mädchen, das dem Kindernotdienst übergeben wurde. Die Berliner Polizei arbeitete dabei eng mit der europäischen Polizeibehörde Europol zusammen und konnte bis Montag zwölf Haftbefehle vollstrecken. Acht weitere Haftbefehle sollen noch vollstreckt werden.
Die Polizei wertete die gering anmutende Zahl als Erfolg, weil es oft schwierig ist nachzuweisen, dass es sich um organisierte Kriminalität handelt und bei den Tatverdächtigen Flucht- und Wiederholungsgefahr besteht. Das ist aber die Voraussetzung, dass ein Richter für eine Tat wie Diebstahl einen Haftbefehl erlässt.
Banden bestehen aus bis zu 20 Mitgliedern
Laut LKA bestehen die in Berlin aktiven kriminellen Banden aus bis zu 20 Mitgliedern. Knapp die Hälfte der bekannten Tatverdächtigen komme aus Rumänien, gefolgt von Balkanstaaten. Die Banden würden zum Teil aus ihrer Heimat gesteuert und seien in ganz Europa unterwegs. Erst kürzlich begann in Berlin der dritte Prozess im bislang größten Verfahren in Europa gegen organisierten Taschendiebstahl. Ein Elternpaar aus der ostrumänischen Stadt Iasi soll seine eigenen Kinder und weitere junge Leute auf Diebestour durch Europa geschickt haben. In dem Verfahren wurden 79 Verdächtige ermittelt, die zu drei in der Stadt Iasi lebenden Großfamilien gehören sollen.
Neben Strafverfolgung setzen Polizei und Bundespolizei auch verstärkt auf Aufklärung. Allein in der vergangenen Woche hatten die Beamten 7800 Gespräche mit Bürgern geführt. „Viele machen es den Dieben unnötig leicht“, sagte Oliver Roth von der Bundespolizei. Dabei gehöre nicht viel dazu, Portemonnaies und Handys besser im Blick zu behalten und so vor Diebstahl zu schützen.
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