Groß war die Aufregung Anfang der Woche, als bekannt geworden war, dass die bekannte Schwulenkneipe „Lieblingsbar“ im Schöneberger Regenbogenkiez dichtgemacht hat. Der Betreiber hatte im Interview mit dem Szenemagazin „Siegessäule“ die steigende Kriminalität rund um die Eisenacher Straße dafür verantwortlich gemacht. Viele Gäste würden die Gegend aus Angst vor Übergriffen meiden. Zahlen für diese Behauptung gab es bislang nicht.
Anstieg der Kriminalität nicht nachweisbar
Nun hat die Polizei auf Anfrage der Berliner Morgenpost mitgeteilt, dass im Umkreis von 250 Metern um die „Lieblingsbar“ sogar ein Rückgang der Straftaten zu verzeichnen sei. „Bei den Körperverletzungsdelikten sowie Bedrohungsstraftaten ist zu den vorgenannten Vergleichsjahren sogar ein erheblicher Rückgang der Fallzahlen erkennbar“, sagte Polizeisprecher Winfrid Wenzel. Im laufenden Jahr registrierte die Polizei bis Ende Oktober insgesamt 876 Straftaten, also durchschnittlich knapp 88 Straftaten pro Monat. 2015 waren es im ganzen Jahr 1211, also knapp 101 pro Monat, 2014 waren es etwa 99 pro Monat (1187).
Gesunken sind die Zahlen dabei auch in der Kategorie der „Rohheitsdelikte“ wie Körperverletzung oder Raub – laut Polizei von 199 (2014) auf 178 (2015) und auf 167 in diesem Jahr. Auch die Gesamtzahl der erfassten Diebstähle ging von 507 (2014) auf 449 (2015) auf 347 (2016) zurück. Bei den Taschendiebstählen dagegen ist ein geringer Zuwachs der Straftaten zu verzeichnen. „Ein genereller Anstieg der Kriminalitätslage lässt sich anhand der statistischen Daten also nicht nachweisen“, so Wenzel weiter.
Eine Stigmatisierung des Regenbogenkiezes sehen auch andere Wirte kritisch. Im unmittelbaren Umfeld der „Lieblingsbar“ befinden sich Dutzende Kneipen, Bars und Gaststätten. Im Gespräch mit der Morgenpost sagte der Inhaber der „Tabasco-Bar“, Uli Menze, dass die Gegend nicht gefährlicher sei als andere. „Kneipengänger sind immer leichte Beute“, sagte er und berichtet von Jugendbanden, die Gäste abziehen würden. „Das kann dir aber auch an anderen Stellen in Berlin passieren.“
An der Warschauer Straße gab es weniger Raubtaten
Gestiegen ist die Zahl der Straftaten hingegen am Kottbusser Tor. Vor allem in der ersten Jahreshälfte 2016 kletterte die Anzahl der erfassten Fälle nach oben. So wurden hier bis Ende November dieses Jahres 85 Körperverletzungen registriert. Im Vergleichszeitraum 2015 waren es 55 – ein Anstieg um 55 Prozent. Explodiert sind die Straftaten mit Betäubungsmitteln – um 141 Prozent von 286 (2015) auf 688 (2016) im Vergleichszeitraum. Das hängt aber auch damit zusammen, dass die Polizei im Bereich des Kottbusser Tores in den vergangenen Monaten die Präsenz massiv erhöht und so auch mehr Drogendelikte zur Anzeige gebracht hat.
Positiv entwickelten sich hingegen die Fallzahlen in den Brennpunkten im Görlitzer Park und an der Warschauer Brücke. In beiden Ausgeh-Kiezen wurden weniger Körperverletzungen, Raubstraftaten und Taschendiebstähle angezeigt. Auch die Straftaten im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln sanken: um 42 Prozent am Görlitzer Park und um 37 Prozent an der Warschauer Brücke in den Vergleichszeiträumen von 2015 zu 2016. Doch genau wie am Kottbusser Tor muss man hier gerade bei Drogendelikten den umgekehrten Effekt beachten. Wenn die Polizei an beiden Orten ihre Präsenz zurückfährt, werden auch weniger Drogendelikte registriert, da es sich hierbei um sogenannte Kontrolldelikte handelt. Heißt: Wenn es weniger gibt, die genauer hinschauen, wird auch weniger gefunden und zur Anzeige gebracht.
Das ruft wiederum die Gewerkschaft der Polizei (GdP) auf den Plan, die zwar von einem Erfolg spricht, der aber vor allem auf die vielen Polizeieinsätze zurückzuführen sei. „Beim Görlitzer Park und der Gegend am RAW-Gelände sind wir dank der verstärkten Polizeipräsenz auf einem guten Weg“, sagte der Sprecher der Gewerkschaft der Polizei Berlin (GdP), Benjamin Jendro. „Ich warne aber davor, die Polizeieinsätze zurückzufahren. Wir sollten nicht den Fehler machen, den Stift fallen zu lassen und uns zurückzulehnen, sonst wird sich die Kriminalität wieder ausbreiten“, so Jendro zur Berliner Morgenpost.