Sie sind wie Hunde. Kaum haben die Kühe von Milchbauer Mendler ihr “Herrchen“ erblickt, traben sie freudig an. Recken die hübschen Köpfe über den Zaun und wollen: lieb gehabt werden.

Dafür verteilen sie mit ihren riesigen Zungen Schlabberküsse. Es ist eine namenlose Liebe, denn die Schwarzen und Schwarzbunten hier sind, bei aller Idylle, Nutztiere. Sie sind namenlos; aber nicht ungeliebt. 45 Milch- und zehn Fleischkühe (rund vier Millionen Kühe gibt es bundesweit) hat Bauer Georg Mendler, sie leben dort, wo Berlin aufhört. In geordneter Schönheit aufhört. Die Straßennamen hier in Rudow tragen so hübsche Namen wie Rapunzel-, Schneewittchenstraße oder Jungfernsteg, die Rübezahlallee hat Minigröße und die Gärten sind hier tiptop in Schuss. In Rudow ist Berlin Stadt und Land zugleich, am Himmel sieht man ab und zu Flugzeuge, aber man hört sie nicht. Schönefeld ist nah und weit zugleich.

Die Kühe kümmert's nicht. Es ist ein Stückchen Landglück in Berlin, idyllisch, mit harter Arbeit hinter den Kulissen. Getragen von dem Glauben an den eigenen Beruf, die Wertschätzung der Tiere und den Glauben daran, dass es Menschen gibt, die Qualität zu würdigen wissen. Die Brüder Georg (57) und Joachim (54) haben den Hof der Eltern gern übernommen: "Wir hatten einfach Lust, das zu machen." Ein bisschen Vorsicht war dabei, Joachim lernte Kfz-Mechaniker, sicher ist sicher, Georg machte in Schleswig-Holstein eine Ausbildung zum Landwirt.

Die Milch wird im kleinen Laden, der aussieht wie aus der Puppenstube, als Rohmilch verkauft (vorsichtige Kunden kochen sie vor dem Trinken ab). Der Liter kostet 80 Cent und es ist schöner Brauch, dass man hier mit seiner eigenen Milchflasche einkauft (das schont die Ressourcen). Die Kunden stehen hier oft an. Viele Berliner kommen auch aus entfernten Bezirken. Wer H-Milch trinkt, ist wirklich selbst schuld. Der Genusstipp vom Milchbauern: "Ich trinke am liebsten saure Milch. Man lässt sie einfach zwei bis vier Tage stehen." Dann wird sie dick und angenehm sauer. Frische Früchte hinein- Bauernglück!

Bauer zu sein, ist auch in der Stadt ein harter Job, romantisch ist hier eigentlich nichts: "Wir stehen um halb fünf Uhr auf. Zuerst wird der Stall gemacht, das Vieh gefüttert." Zum Vieh gehören neben den Kühen auch 30 Pferde, "Pensionsgäste", Tiere von Städtern, die hier zum Ausreiten oder Training kommen. Eine kleine Siesta gönnt sich der Bauer, denn der Arbeitstag ist lang. Das liebe Vieh möchte natürlich auch am Wochenende gefüttert und gemolken werden. Unglücklich schaut der Milchbauer allerdings nicht aus. Im Gegenteil. Er jammert auch nicht. Das macht ihn sympathisch. Er nennt die Fakten, aber großes Wehklagen scheint nicht sein Metier zu sein. Natürlich hat auch er mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. Da ist noch der Hof seiner Frau in Nordrhein-Westfalen, dort haben sie nach Blauzungenkrankheits-Fällen in Deutschland vor einigen Jahren von Fleisch- auf Milchwirtschaft umgestellt. Zu groß ist das Risiko, dass man die Tiere aufzieht, dann kommt eine Seuche und alle Arbeit war umsonst.

Die Milchpreise rufen beim Experten, wie auch bei vielen Kunden, Verständnislosigkeit aus. Wenn ein Bauer aktuell rund 20 Cent für einen Liter Milch bekommt, dann läuft etwas schief. Die Mendler-Brüder sind dank ihrer Geschäftsidee, die Milch als Rohmilch zu verkaufen, relativ unabhängig vom Milchpreis, denn sie beliefern keine Molkerei. Keiner ihrer Kunden würde auf die Idee kommen, hier über den Preis zu meckern. 80 Cent sind für die angebotene Qualität ein wirklich fairer Preis.

Und so sind beide zufrieden, die beiden Bauern ebenso wie ihre Kunden. Am 26. Und 27. September wird gemeinsam das Erntedankfest gefeiert (Lettberger Straße 94), mit Ponyreiten, Trecker fahren, Gottesdienst mit Aufsteigenlassen von Friedenstauben und Feuerwerk. Hoffentlich erschrecken sich die Kühe nicht.

Die Brüder haben den Milchbauernhof in den 80er-Jahren von ihren Eltern übernommen. Schon als Kind lebten sie auf dem Bauernhof - in Schöneberg! Dort hatte die Familie seit den 50er-Jahren einen städtischen Milchbetrieb den sie wiederum von ihren Eltern übernommen hatten. Die Mutter arbeitete im Betrieb mit, bis sie weit über 80 Jahre alt war. Vermutlich hat sie das kleine Schild im Laden beherzigt: "Soll dir hohes Alter winken, musst täglich Milch von Mendler trinken".